SFZ-Buchrezension: Differenziert lesen – der Vielfalt gerecht werden

Janas, Carina: Differenziert lesen – der Vielfalt gerecht werden: Methodentipps & Praxismaterialien. Klett: Stuttgart, 2023

ISBN 978-3126751377, 135 Seiten

Bild zu Rezension "Carina Janas: Differenziert lesen"

Dr. Felicitas Tesch schreibt:

Dieses Buch richtet sich an Lehrkräfte, die in heterogenen Lerngruppen die Kernkompetenz Leseverständnis fördern wollen. Entstanden ist dieser Band aus den Ergebnissen von sechs Online-Seminaren. Diese resultierten aus einer Kooperation zwischen dem Klett-Verlag und der Stiftung Lesen.

Exemplarisch sollen in dieser Rezension das erste und das dritte Kapitel vorgestellt werden.

Das erste Kapitel, „Märchen & Magisches“, beschäftigt sich mit einem Klassiker des Lektüreunterrichts und präsentiert Vorschläge für differenziertes Lesen in den Klassen 3 bis 6. Märchen sind sehr geeignet für erste Lektüreerfahrungen, zumal diese Textsorte in vielen Kulturen bekannt ist. So können die meisten Schülerinnen und Schüler an ihr eigenes Vorwissen anknüpfen.

Gut ist, dass die Autorin des Handbuchs gleich zu Beginn Vorschläge zur Binnendifferenzierung macht: „Genauso wichtig wie die Unterstützung der ungeübten Leser/-innen ist es, die Leseprofis nicht auszubremsen.“ (S. 8) Für die weniger erfahrenen Leser*innen und DaZ-Schüler*innen empfehlen sich daher die Märchen der Reihe „Kletts bunte Lesewelt“, die „Leseprofis“ hingegen sollen die Märchen im Original lesen.

Hier soll zunächst auf die didaktisierte Textgrundlage von „Hänsel und Gretel“ eingegangen werden. Gut ist hier die Zuordnung von Bildern zum jeweiligen Textabschnitt und die Worterklärungen am Ende jeder Textseite. Eine kleine Kritik am zweiten Bild: Unten steht: „zustimmen = ja sagen“, im Text hingegen steht „er stimmte zu“ (S. 3). Dies ist ein trennbares Verb, das für Kinder nicht-deutscher Herkunftssprache ein Problem sein könnte, dies wird hier nicht erklärt. Besser ist dies auf Seite 15 gelöst, hier steht in den Annotationen: „hielt … hin/hinhalten“. Gut ist auch die Erklärung auf Seite 9: „fressen: Tiere fressen, Menschen essen“, da diese Unterscheidung in vielen Sprachen nicht getroffen wird. Abschließend noch eine Anmerkung zu der Erklärung von „Häuschen“ (S. 11) als „kleines Haus“. Hier wird nicht darauf eingegangen, warum bei der Verkleinerungsform ein Umlaut erscheint. Am Ende des Buches gibt es noch ein paar Seiten „Wortschatz“ sowie einige Rätsel, mit deren Hilfe das Leseverständnis spielerisch abgeprüft werden kann.

Zurück zum Handbuch: Hier unterbreitet die Autorin nun „Methodentipps“ für Klasse 3 und 4. Diese sind nach dem bekannten Dreischritt: „Vor dem lesen“, „Während des Lesens“ und „Nach dem Lesen“ gegliedert und dürften für geübte Lehrkräfte nichts Neues sein. Danach kommen „Methodentipps“ für Klasse 5 und 6. Wie bei Materialien vieler Verlage wird davon ausgegangen, dass diese Klassenstufen sich in der Sek I befinden und es wird nicht berücksichtigt, dass in Berlin und Brandenburg diese Klassenstufen meistens noch zur Grundschule gehören und daher die vorgeschlagenen Ideen noch mehr differenziert werden müssten. Gut sind die Kopiervorlagen am Ende des Kapitels (z.B. Textschnipsel, Bildervorlagen sowie eine moderne Variante des Märchens).
Im dritten Kapitel „MOMO, Rico und Co. – Buch plus Film“ geht es um Unterrichtsideen, die die Verbindung von Buch und Film zur Leseförderung nutzen sollen. Auch hier empfiehlt die Autorin, diese in den Klassenstufen 5 und 6 einzusetzen, ich plädiere eher für die siebten Klassen. Auch hier dienen die vereinfachten Textversionen der Reihe „Deutsch – leichter lesen“ als Grundlage.

Widmen wir uns hier der Ausgabe von „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ von Andreas Steinhöfel. Bei diesem sehr umgangssprachlich geschriebenen Roman muss natürlich für Kinder nicht-deutscher Herkunftssprache viel erläutert werden, auf der anderen Seite ist dieses Buch sicherlich für Jugendliche sehr motivierend. Kleine Kritik an den Erklärungen: Es ist sicherlich nicht zielfördernd „Flur“ mit „Korridor“ zu erklären (S. 12), da ich glaube, dass das Wort „Korridor“ noch weniger bekannt sein dürfte. Gut ist hier, dass auch die Grammatik berücksichtigt wird. So werden z.B. in der Worterklärung zu „brechen“ alle drei Formen („brechen – brach – gebrochen“, S. 14) angegeben. Bei manchen Worterklärungen fragt man sich, ob diese notwendig sind, da sie zum Grundwortschatz gehören, wie z.B. „Strumpf“ oder „Schulter“ (S. 19), „Dach“ (S. 39) oder „rennen“, „springen“ (S.102). Auf der anderen Seite hätte ich Wörter, die in diesem Zusammenhang eine andere Bedeutung haben, erklärt, wie z.B. „blinde Fenster“ (S. 24). Kurios wird es, wenn Wörter durch Fremdwörter erklärt werden: „Vernunft = Rationalität“ (S. 44, „Unordnung = Chaos“ (S. 60), später: „Durcheinander = Chaos“ (S. 76), „Gehirnerschütterung = Gehirntrauma“ (S. 107). Die meisten Erklärungen hingegen sind sehr gut und auch kindgerecht: „der Geist: (hier) lebt nach dem Tod einer Person, macht um Mitternacht „Huhu“ oder so etwas“ (S. 24).

Am Ende gibt es eine Seite „Hintergrundinformationen“ zu Berlin und seinen Bezirken (für Nicht-Berliner*innen etwas zu kurz) sowie Übungen zum Leseverstehen für jedes Kapitel, die wiederum sehr gut gelungen sind. Im Buch selbst gibt es viele landeskundliche Informationen über Berlin, an die eine geübte Lehrkraft anknüpfen kann.

Im Handbuch selbst werden wertvolle Vorschläge für Unterrichtsimpulse und -aktivitäten zu der Arbeit mit Buch und Film gemacht.

Insgesamt kann festgestellt werden, dass dieses Handbuch mit den dazugehörenden Lektüren allen interessierten Lehrkräften, die in heterogenen Lerngruppen unterrichten, empfohlen werden kann.

Die Bücher stehen in der SFZ-Präsenzbibliothek zur Einsichtnahme bereit.

Zitierhinweis:
Felicitas Tesch: Rezension zu: Janas, Carina. Differenziert lesen – der Vielfalt gerecht werden: Methodentipps & Praxismaterialien. Klett: Stuttgart, 2023, https://www.berlin.de/ba-mitte/politik-und-verwaltung/sprachfoerderzentrum/medien-materialien/artikel.1415807.php