SFZ Schwerpunkt Sprech- und Zuhörkompetenzen

Zwei Brüder telefonieren, indem sie Blechbüchsen an ihre Ohren halten.

Inhaltsverzeichnis

Sprech- und Zuhörkompetenzen in der Grundschule fördern

Vorbemerkung /Stellenwert/ Grundlagen

Sprechen und Zuhören sind wichtige Lernbereiche. Sie dienen dem Verstehen, der Verständigung und tragen zum Gelingen von Kommunikation bei. Für erfolgreiches Lernen und soziales Handeln haben gut entwickelte Kompetenzen in den beiden Bereichen einen hohen Stellenwert und müssen im Unterricht gezielt gefördert werden. Jedoch richtet sich die Förderung im Unterricht oft mehr auf die Kompetenzentwicklungen im Bereich ‘Lesen’ und ‘Schreiben’. Dass Kinder zuhören und verstehen, was gesagt, erklärt oder wozu aufgefordert wird, wird teilweise vorausgesetzt und gerät im Unterricht in den Hintergrund.

In den KMK-Bildungsstandards für den Primarbereich wird die mündliche Sprachkompetenz als zentrales Mittel der Kommunikation benannt. Differenziert wird der Kompetenzbereich ‘Sprechen und Zuhören’ in die Teilbereiche ‘Zu anderen sprechen’, ‘Verstehend zuhören’, ‘Gespräche führen’, ‘Szenisch spielen’ und ‘Über Lernen sprechen’.

Vgl.online:https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_10_15-Bildungsstandards-Deutsch-Primar.pdf

Die wesentlichen Lernbereiche finden sich – in ähnlichen Formulierungen – im Basiscurriculum Sprachbildung unter den Kompetenzbereichen ‘Rezeption/ Hörverstehen’ und ‘Produktion/ Sprechen’ und dem Fachplan Deutsch unter dem Kompetenzbereich ‘Sprechen und Zuhören’ im neuen Rahmenlehrplan Berlin/ Brandenburg. In den Standards ist die Kompetenzentwicklung der einzelnen Bereiche genau beschrieben und bietet eine gute Orientierung.

Vgl. online:https://bildungsserver.berlin-brandenburg.de/rlp-online

Voraussetzungen für verstehendes Zuhören und Sprechen in der Grundschule

- einige dabei öfter auftretende Schwierigkeiten und erste Lösungsvorschläge

Voraussetzungen für verstehendes Zuhören und Sprechen sind Kenntnisse des Wortschatzes, Grammatikkenntnisse insbesondere der Syntax, Weltwissen, an das angeknüpft werden kann, Kontextwissen (Zusammenhang des Gehörten, Sprechsituation, …) und das Wissen über Texte (Textsorte, Textaufbau).
Viele Sprech- und Zuhörerfahrungen haben Kinder vor dem Schulanfang gemacht. Sie verfügen über ein bestimmtes Phoneminventar, haben sich einen individuellen (Alltags-) Wortschatz und grammatische Strukturen angeeignet, sie verfügen über verschiedene Sprechmuster und Kommunikationsstrategien aus dem alltagsweltlichen Bereich.
Mit Eintritt in die Schule stehen die meisten Kinder neuen ungewohnten sprachlichen Anforderungen gegenüber, die Sprache wird zunehmend losgelöst vom unmittelbaren Handeln, das Kommunizieren in großen Gruppen erfordert neue Regeln, die Kinder müssen Pädagogen und Mitschüler*innen bewußt, aufmerksam und oft über längere Zeit zuhören. Sie müssen mündliche Anweisungen erfassen und ihnen folgen. Der mündliche Sprachgebrauch im Unterricht ist bildungssprachlich orientiert, bestimmte Sprachhandlungen, wie z.B. Beschreiben, Begründen, Berichten, Fragen und Erklären, müssen bewältigt werden.

Wenn ein Kind die Erwartungen der pädagogischen Fachkraft nicht erfüllt, kann das vielfältige Gründe haben. Sie reichen von organischen (Hörvermögen) über kognitive oder semantische bis zu motivationalen Ursachen.
Kinder, die sich nicht an Gesprächen beteiligen, müssen ermutigend angesprochen werden. Ihnen sollten gezielt Rückfragen gestellt werden, Hilfsmittel unterstützen Gespräche.

Manchmal wirken Kinder abwesend. Fühlt sich das Kind nicht genug wertgeschätzt? Dann kann es zu Verweigerungen kommen. Aber auch sprachliche Unsicherheiten können der Grund sein. Wenn Gesprochenes nicht verstanden wird, kann es zum Rückzug kommen. Gezielte Sprachhilfen und Sprechpausen wirken hier unterstützend.
Methoden, die das Sprechen und Zuhören in Kleingruppen fördern (z.B. Kugellager, Wort zum Text, Fishbowl …) helfen Kindern, die Hemmungen haben, vor der Klasse zu sprechen.

Ein handlungs- und produktorientierter Unterricht hilft Kindern, die schnell unruhig werden, wenn andere Kinder etwas erzählen, etwas vorspielen oder einen Vortrag halten. In Kleingruppen lernen Kinder, aufeinander einzugehen, gemeinsam eine Lösung zu finden und sich bei der Suche dabei gegenseitig zuzuhören.
In manchen Fällen gibt ein Kind keine adäquaten Antworten. Hier sollte geprüft werden, ob eine Hörschädigung vorliegt oder das Kind Wörter und Zusammenhänge nicht versteht. Rückschlüsse auf die Hörfähigkeit können Flüsterspiele geben.

(Vgl. dazu: Stolpersteine, in: Deutsch differenziert, Heft 1/2015, Westermann Verlag)

In vielen Klassen findet sich eine hohe sprachliche Heterogenität, bei nicht allen Kindern sind die sprachlichen Fähigkeiten genug ausgebaut. Die produktiven und rezeptiven Wortschätze hängen von der jeweiligen lebensweltlichen Situation des Kindes ab und auch die Textkompetenz bei Schulanfängern ist oft sehr unterschiedlich. Die Erfassung der Schulausgangslage ist notwendig, um die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes im Unterricht gezielt zu berücksichtigen und die Lernentwicklung fördern zu können.
Insbesondere bei Kindern mit einer anderen Erstsprache können das zur Verfügung stehende Phoneminventar und die angeeigneten grammatischen Strukturen sehr unterschiedlich sein.
Für diese Kinder sind besondere „… methodische Zugänge notwendig, wie z.B. Übungen zur Lautdiskriminierung und -differenzierung sowie zur Wortdiskriminierung …“
(Vgl. Jeuk: Deutsch als Zweitsprache in der Schule, Kohlhammer, 2013, S.134)

Gerade im Anfangsunterricht spielen diese Übungen beim Erwerb der Schriftsprache eine große Rolle. Dazu gehören auch Ausspracheübungen bis hin zum Einüben verschiedener Phoneme, die in der Erstsprache fehlen oder dort in anderer Weise gebraucht werden. Das gilt auch für ältere Schüler und Schülerinnen, die als Seiteneinsteiger in das deutsche Schulsystem kommen. (Vgl. Jeuk, in: Deutsch als Zweitsprache in der Schule, Kohlhammer, 2013, S.134)

Praktische Übungen findet man in:
Dahmen, Sylvia und Constanze Weth: Phonetik, Phonologie und Schrift, Schöningh, 2017

Das Üben von syntaktischen Strukturen in einem sprachbewussten Unterricht sollte in der Schulanfangsphase implizit erfolgen. Die Förderung kann im Dialog mit dem Kind durch sprachförderliches Verhalten der Lehrkraft, dem Anwenden von verschiedenen Modellierungstechniken (Ausbau und Weiterführung von Äußerungen, positives korrektives Feedback und aufbauende Fragetechnik), durch das Einbinden von Sprechversen, Reimen und Liedern sowie durch Übungen im generativen Sprechen erfolgen. Auch das Verwenden immer gleicher sprachlicher Signale und Aufforderungen kann im Besonderen Kinder mit weniger guten Deutschkenntnissen unterstützen.
Lesetipp: Grieshaber, Heilmann: Diagnostik und Förderung leicht gemacht, Klett, 2016

Ein guter sprachbewusster Unterricht im Sinne von Language Awareness gerade in mehrsprachigen Klassen ist notwendig.
Weitere Hinweise zum Thema Language Awareness findet man im Fachbrief Deutsch als Zweitsprache, Nummer 21, online:

Tipps zur Wortschatzarbeit online:

Wie können Sprech- und Zuhörkompetenzen in der Grundschule gefördert werden?

Folgende Themenreihen beschäftigen sich mit Bereichen des Sprechens und Zuhörens. Auf der Website des Sprachförderzentrums und im Verzeichnis der regionalen Fortbildung sind die Inhalte näher beschrieben und geben Auskunft über den Zeitpunkt der Fortbildung.
1. Verstehendes Zuhören und Sprechen – Möglichkeiten der Förderung im Unterricht und im Ganztag an Beispielen für einzelne Fächer und für den Ganztag auf- Methoden, Sprachhilfen, Spiele und Projekte
2. Konzepte und Methoden für die sprachsensible Unterrichtsgestaltung (Language Awareness, Scaffolding, SIOP, Lern- und Leseszenarien sowie Genredidaktik)
3. Mündliches Erzählen kreativ gestalten – Materialien und Methoden und Anregungen für das Erzählen in allen Fächern
4. Methodenvielfalt im DaZ-Unterricht – motivierende Methoden, Spiele und Übungen für einen handlungs- und kommunikationsorientierten Unterricht
5. Wortschatz erweitern und bildungssprachlichen Wortschatz erwerben -Vorschläge für einen bewussten und systematischen Wortschatzaufbau, Lerntechniken, Methoden, Hilfen und Übungen sowie für eine abgestimmte Unterrichtsplanung
6. Arbeitsaufträge verstehen und bearbeiten – typische Stolpersteine, Hilfen zum Verstehen von Aufgaben und insbesondere um Operatoren, wie diese als Wortschatz eingeführt werden können und wie man das Verständnis von Operatoren sichern und festigen
7. Diagnose- und Sprachstandsfeststellungsverfahren – ausgewählte Verfahren, die das allgemeine Sprachverständnis in den Blick nehmen und andererseits Verfahren, die sich auf Teilkompetenzen fokussieren und Wege der individuellen Förderung aufzeigen.
8. Lesen durch Hören – Leseflüssigkeitstraining
9. Präsentieren lernen

Um die Komplexität des Themas einzugrenzen, wird im Nachfolgenden auf die Frage eingegangen, wie Hörverstehen verbessert werden kann. Weiterhin wird ein Überblick über geeignete Methoden zur Förderung des verstehenden Zuhörens und Sprechens gegeben. Ausführlich werden die einzelnen Themen in den obengenannten Themenreihen behandelt.

Wie kann Hörverstehen trainiert werden und welche Schritte müssen dabei eingehalten werden?

In allen Bereichen des Lernens sollte das Zuhören strukturiert werden.

1. Vor dem Zuhören
Bevor eine monologische Redesituation (z.B. eine Erzählung, ein Unterrichtsvortrag, ein medienvermitteltes Hörereignis oder auch eine Arbeitsanweisung) oder eine dialogische Redesituation (z.B. ein Gruppengespräch/ Klassengespräch) begonnen wird, muss das Vorwissen aktiviert, eine Hörerwartung aufgebaut und der Inhalt vorstrukturiert werden. Dazu gehört die Sicherung des notwendigen Wortschatzes, der für das Verstehen relevant ist. Um Arbeitsanweisungen zu verstehen, müssen die Schülerinnen und Schüler die notwendigen Operatoren als auch die dazugehörigen Redemittel kennen. Die schriftliche Fixierung von Begriffen und/ oder Bilder sind unterstützende Sprachhilfen. Mithilfe von bestimmten Methoden wie z. B. ‘Mindmaps’ oder ‘Predict a Word- Ich weiß, was du sagen willst’ (Ulrike Handke) kann das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler aktiviert werden. Wenn Schülerinnen und Schüler zum Thema Fragen formulieren können, steigt ihre Hörerwartung. Im Besonderen eignet sich zur Vorstrukturierung des Inhalts ein ‘Advance Organizer’, ein kurz gesprochener oder geschriebener Text, der „ …die zu vermittelnden Lerninhalte in einer allgemeinen, logisch zusammenhängenden Struktur…“ darstellt.
In: Diethelm Wahl: Lernumgebungen erfolgreich gestalten, Verlag Julius Klinkhardt, 2006, S.279). Die Aufträge zur Inhaltserfassung müssen vor dem Hören bekannt sein.

2. Während des Zuhörens
Um die Lernenden bei der Inhaltserfassung des Gehörten zu unterstützen, empfiehlt es sich, längere Zuhörsequenzen in kürzere Abschnitte zu teilen und an die Lerngruppe anzupassen. Dazu werden Hörziele festgelegt und entsprechende Aufträge formuliert. Beim gezielten Hörverstehen suchen, sammeln und verstehen die Lernenden bestimmte Textinformationen. Das kann z.B. durch das Notieren von Namen, Orte, Zahlen usw., dem Markieren von Informationen auf einem Bild, dem Abhaken auf einer Liste oder dem Markieren bestimmter Personen erfolgen. Für das globale Hörverstehen können z.B. Bilder in der richtigen Reihenfolge angeordnet oder aus einer Liste von Untertiteln die entsprechende Hörsequenz zugeordnet werden. Für ältere Lernende eignet sich auch das Notieren von Stichwörtern. Bei der Einteilung längerer Hörtexte in einzelne Abschnitte ist darauf zu achten, dass der rote Faden immer wieder aufgenommen wird. Lehrkräfte sollten beim Erteilen von Arbeitsaufträgen und dem Stellen von Fragen auf klare, vollständige, nicht verschachtelte Sätze achten und den Lernenden Zeit zur Verarbeitung des Auftrages lassen. Auch sollte eine Schülerin oder ein Schüler den Auftrag mit eigenen Worten wiederholen, um erstens selbst einen Einblick zu erhalten, was verstanden wurde und zweitens den Lernenden die Möglichkeit geben, den Auftrag ein zweites Mal zu hören.

3. Nach dem Zuhören
Gehörtes verarbeiten, Verständnis überprüfen.
Im dritten Schritt müssen die Lernenden die Informationen verarbeiten, zu eigenem Wissen machen, die Informationen reflektieren und den Inhalt erweitern. Erstens sollte geprüft werden, ob es noch offene Fragen gibt, zweitens kann dann mithilfe von Arbeitsblättern mit fokussierten Fragen das Verstehen unterstützt werden. Besonders eignet sich hier die Arbeit in Gruppen. Dabei tauschen sich die Lernenden aus, was sie an Informationen verstanden haben, aber sie können auch schon kritisch den Gehalt der Information überprüfen. Weitere Möglichkeiten wären z.B. Steckbriefe erstellen, Aussagen zuordnen, Fragen zum Text formulieren und einem Partner zum Beantworten geben, Bilder, Schlüsselwörter oder Texte zum Hörtext in die richtige Reihenfolge bringen, selbst zu einem Hörtext oder -abschnitt Sätze schreiben, falsche von richtigen Aussagen trennen, Bilder beschriften, Skizzen anfertigen oder Zusammenfassungen schreiben. Durch die Aufforderung, eine eigene Meinung zu formulieren und zum Text Stellung zu nehmen, wird der Text reflektiert. Sprachschwache Lernende benötigen hier Redewendungen und Satzmuster als Sprachhilfen. Um das Gehörte inhaltlich weiterzuentwickeln, könnten Szenen nachgespielt werden, Rätsel oder Parallelgeschichten erfunden werden, auch das Spielen von Interviews sowie das Finden weiterer Informationen eignen sich.

Auflistung einiger Methoden

Auflistung einiger Methoden zur Förderung der Kompetenzen im Bereich ‘Sprechen und Zuhören’ mit Einbezug entsprechender Sprachhandlungen (aus dem Methodenpool des Mercator-Instituts)
Online: https://www.mercator-institut-sprachfoerderung.de/de/publikationen/material-fuer-die-praxis/methodenpool/

Methodentabelle Sprechen und Zuhören

Dagmar Buchwald
© LLW Sprachbildung im SprachFörderZentrum Berlin Mitte
August 2020