SFZ Schwerpunkt Wortschatzarbeit

aufgeschlagenes Buch, aus dem Gegenstände rausfliegen

Die Wörter

Die Wörter, wo kommen die Wörter denn her?
Aus dem Wörtersee, ja, aus dem Wörtermeer.

Wirf deine Netze aus,
Fang dir die Wörter raus,
Beutel’s am Ufer aus,
Nimm sie zu dir nach Haus!

Und was machen die Wörter dann bei mir?
Die Wörter, sie spielen, sie spielen mit dir!

(Hugo Ramnek)

Zwischen der uns umgebenden Wirklichkeit, die wir mit allen fünf Sinnen aufnehmen, und der Bedeutung von Wörtern gibt es verschiedene Beziehungen. Einerseits lernen wir die Welt durch unsere Sprache kennen, das heißt, wir lernen sie mit den Wörtern unserer Muttersprache zu bezeichnen (Mama, Papa, Hund, Baum…). Doch es gibt in vielen Sprachen viele mehrdeutige Wörter, so gibt es für das Wort ‘Himmel’ im Englischen die Wörter ‘sky’ und ‘heaven’ oder umgekehrt für englisch ‘bell’ im Deutschen die beiden Wörter ‘Klingel’ und ‘Glocke’.

Andererseits gibt es in vielen Sprachen mehrere Wörter für ein Ding (z.B. Brötchen, Schrippe, Semmel, Wecken) oder aber auch nur ein Wort für ganz unterschiedliche Dinge (Schloss, Birne). Ein Wort kann in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Bedeutungen haben (deutsch: Kalb=Jungtier, türkisch: kalp=Herz, katalanisch: calb=kahl).
Dazu verändert sich der Wortschatz einer Sprache, einige Wörter veralten und werden immer seltener gebraucht, andere Wörter werden aus anderen Sprachen aufgenommen oder neue Wörter werden gebildet.

Der Wortschatz eines Menschen ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie dem Alter, dem Bildungsniveau, von den jeweiligen Sprachkenntnissen und von der Gelegenheit, bestimmte Wörter zu hören und zu lesen.
Er unterteilt sich in einen rezeptiven Wortschatz (Verstehenswortschatz) und einen produktiven Wortschatz (Mitteilungswortschatz). Dabei hat der rezeptive Wortschatz stets einen Vorsprung vor dem produktiven Wortschatz. Die Grenzen sind fließend, denn Wörter aus dem rezeptiven Wortschatz können in den produktiven Wortschatz übernommen werden, aber auch bei mangelndem Gebrauch wieder in den rezeptiven Wortschatz zurückfallen oder sogar vergessen werden. Um ein Wort richtig zu lernen, abzuspeichern und im Mitteilungswortschatz aufzunehmen, muss man es in unterschiedlichen Situationen wiederholt erleben und anwenden. Dabei müssen die verschiedenen Wahrnehmungskanäle (Seh-, Hör-, Geruchs-, Geschmacks-und Tastsinn) beteiligt sein.

Wie sind die Wörter in unserem Kopf gespeichert?

Unser lexikalisches Wissen kann man sich wie ein riesiges, mehrdimensionales Netz vorstellen, in dem unsere Wörter inhaltlich wie auch formal verbunden sind. So ist also jedes Wort und bestimmte feststehende Wendungen gleichzeitig ein Element in verschiedenen Ordnungsklassen oder Teilnetzen. Solche Teilnetze lassen sich grob in Begriffsnetze, dazu gehören z.B. Ober-und Unterbegriffe, Wortfamilien, Synonyme und Antonyme, in Sachnetze, in Kollokationsfelder, Bewertungsfelder, Assoziationsnetze und in affektive Netze unterscheiden. Mit dem Umfang des Wortschatzes nimmt auch die Vernetzungsvielfalt zu und umso einfacher, sicherer und schneller wird auch das Behalten und Gebrauchen von Wörtern.

lernende Kinder

Welche Schlüsse ergeben sich daraus für die Wortschatzarbeit mit Kindern?

Zuerst muss ein Wort verstanden werden, das Kind muss wissen, wie ein Wort ausgesprochen wird, welche Bedeutung oder Bedeutungen es hat, welchem Register es zuzuordnen ist und in welchem Anwendungsbereich das Wort benutzt werden kann. Ein Schulkind muss wissen, wie das Wort geschrieben wird und welchem Geschlecht es zuzuordnen ist.
Nach dem Verstehen und Abspeichern muss das Wort vom Kind reproduziert, immer wieder nachgesprochen und aufgeschrieben werden.
Damit das Wort nicht vergessen wird, muss das Wort nun vom Kind in verschiedenen Aktivitäten und Anlässen kommunikativ genutzt werden.
Das bewusste Wahrnehmen, das Erkennen von Ähnlichkeiten und Unterschieden hilft dem Kind, Strategien zu entwickeln, mit denen es scheinbar unbekannte Wörter ohne Hilfe verstehen und lernen kann.
Insbesondere die Arbeit am Fachwortschatz in der Schule sollte verbindlich gemacht werden. Dazu gehört eine Ergebnissicherung.

Wortschatzlernen muss in konkreten und für Kinder nachvollziehbaren Sprachsituationen stattfinden, in der Schule sollte Wortschatzarbeit integrativ und fächerübergreifend, im Zusammenhang mit anderen Teilfertigkeiten wie Lesen, Hörverstehen und Schreiben stehen sowie in Abhängigkeit von Ziel, Inhalt und Entwicklungsstand der Lernenden anteilig systematisch erfolgen.
Wortschatzarbeit darf nicht auf bloßes Wörterlernen und Wörterabfragen reduziert werden. Kommunikativ kompetent wird man erst, wenn man Formulierungen lernt.

Für mehrsprachige Lernende ist das Lernen des schulischen Wortschatzes schwieriger, denn oft ist der bereits vorhandene deutsche Wortschatz, an dem beim Lernen neuer Wörter angeknüpft werden kann, kleiner als bei einsprachigen Lernenden. Auch müssen verschiedene Komponenten eines Wortes (Aussprache, Semantik, Syntax, Morphologie, Kollokationen, Pragmatik und Orthografie) bekannt sein, um ein Wort korrekt anzuwenden. Zweitsprachlerner können nicht immer auf bereits implizites Grammatikwissen zurückgreifen, Informationen zur Grammatik müssen explizit gelernt werden (z.B. folgen: Ich folge ihm.) Oft unterscheidet sich das deutsche Sprachsystem vom Sprachsystem der in der Familie gesprochenen Sprache. Probleme können bei der Lautung und Artikulation durch unterschiedliche Phoneminventare von Sprachen, in der Wortbildung bei Wortzusammensetzungen und Präfixverben, bei der Formenbildung insbesondere durch Artikel und die komplizierte Verbformenbildung sowie im Satzbau durch die Stellung des Verbs auftreten.
Der Spracherwerb von Kindern wird unterstützt, wenn Kindern die Gelegenheit gegeben wird, Gesetzmäßigkeiten, Ähnlichkeiten und Unterschiede verschiedener Sprachen zu untersuchen.

Welche Wörter sollen Kinder lernen?

Die Auswahl eines bestimmten zu vermittelnden Wortschatzes richtet sich nach Wörtern und Formulierungen, die die Lernenden von sich aus verstehen oder verwenden wollen, die benötigt werden, um dem Unterricht zu folgen, sich im Unterricht zu äußern und nach Wörtern und Formulierungen, die beim Schreiben benutzt werden.

Termine der SFZ-Themenreihe

Medienempfehlungen

Hans Joachim Störig: Die Sprachen der Welt, Anaconda Verlag GmbH 2012
In dem Sachbuch gibt der Autor Antworten auf Fragen wie: Wie viele Sprachen gibt es? Wie sind sie entstanden? Wo liegen Gemeinsamkeiten und worin unterscheiden sie sich?

Rosemarie Tracy: Wie Kinder Sprache lernen: Und wie wir sie dabei unterstützen können, Narr Francke Attempo Verlag GmbH, Tübingen 2008
Das Buch bietet anhand vieler Beispiele einen verständlichen Überblick über den Spracherwerb und schildert die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Unterstützung frühkindlicher Mehrsprachigkeit

Naxhi Selimi: Wortschatzarbeit konkret- eine didaktische Ideenbörse für alle Schulstufen, Schneiderverlag Hohengehren 2010

Claudia Neugebauer, Claudio Nodari: Förderung der Schulsprache in allen Fächern: Praxisvorschläge für Schulen in einem mehrsprachigen Umfeld, Schulverlag plus AG 2013

Agnes de Lestrade, Valerie Docampo: Die große Wörterfabrik, mixtvision Verlag, München 2010
Es gibt ein Land, in dem man Wörter kaufen und sie dann schlucken muss, um sie aussprechen zu können. Der kleine Paul braucht dringend Wörter, um der hübschen Marie sein Herz zu öffnen. Aber wie soll er das machen? Dazu bräuchte er ein Vermögen…

Hans-Joachim Gelberg (Hrg.): Wo kommen die Wörter her?, Beltz Gelberg 2012
Sag, wo kommen die Wörter her? 200 Autorinnen und Autoren antworteten mit ihren Gedichten, Bildern und Bildworten H.-J. Gelberg auf seine Frage. Texte, hintergründig, komisch, kritisch rätselhaft oder ganz direkt. Ein Lesevergnügen für Kinder und Erwachsene

Dagmar Buchwald
© LLW Sprachbildung im SprachFörderZentrum Berlin Mitte
Februar 2015