Das Sprachförderzentrum Berlin Mitte bietet ab 27. Februar 2018 eine Schulungsreihe für Lehrkräfte an Oberstufenzentren an, die sich mit diesen Herausforderungen im Rahmen der Beruflichen Bildung beschäftigen. Dabei soll es nach einer Einführung in das Thema um die konkreten in der Ausbildungspraxis entstehenden Probleme gehen, die von den Teilnehmerinnen eingebracht werden, um gemeinsam Lösungen zu erarbeiten.
Alphabetisierung (von Jugendlichen) in der Zweitsprache
Für die meisten erwachsenen Menschen ist Lesen und Schreiben eine Selbstverständlichkeit. Wörter werden automatisch erkannt und die entsprechende Bedeutung zugeordnet. Gedanken können in Bruchteilen von Sekunden auf Papier gebracht oder in eine Tastatur getippt werden. Das kulturelle Leben fordert bei jeder Gelegenheit Schriftsprachkenntnisse. Trotzdem gibt es auch in unserer Kultur Menschen, die aus den verschiedensten Gründen nicht lesen und schreiben können und deswegen an Vielem nicht teilhaben können. Analphabeten bleiben vielfach unerkannt, in der Schul- oder Berufsausbildung fallen sie jedoch auf. Wie können Lernende und Lehrende die Alphabetisierung voranbringen?
Zunächst muss zwischen primären Analphabeten, sekundären Analphabeten und Zweitschriftlernern unterschieden werden. Primäre Analphabeten haben nie schreiben gelernt und müssen auch noch motorische Fähigkeiten (wie halte ich einen Stift, wie stark drücke ich auf das Papier, etc.) und grundlegende Techniken der Schrift, von der Laut-Buchstaben-Zuordnung bis hin zu Textsortenerkennung erlernen. Sekundäre oder auch funktionale Analphabeten haben ursprünglich einmal Schriftkenntnisse erworben, die aber wieder in Vergessenheit geraten sind. Von funktionalen Analphabeten spricht man dann, wenn die Schriftkenntnisse nicht ausreichend für die Belange der Gesellschaft sind, in der die Menschen leben, ggf. erst durch Migration gelangt sind. Funktionale Analphabeten geben sich oft aus Scham nicht zu erkennen und gelangen dann in Situationen, in denen sie aufgrund fehlender Schriftsprachkenntnisse scheitern müssen.
Davon zu unterscheiden sind die Zweitschriftlernenden. Menschen, die in ihrer Erstsprache bereits lesen und schreiben gelernt haben, aber mit einem anderen Schriftsystem (z.B. dem griechischen, dem kyrillischen oder dem arabischen) vertraut sind. Sie können viele der bereits in der Erstschrift erworbenen Fähigkeiten auf Zweitschrift übertragen, müssen sich lediglich mit den Besonderheiten der Zweitschrift und der dazugehörigen Sprache vertraut machen, wie die Schreibrichtung und die Laut-Buchstaben-Zuordnung. Die meisten Alphabetschriften bestehen aus Buchstaben, denen bestimmte Lautwerte zugeordnet sind. Es gibt jedoch auch Schriften mit Zeichen für ganze Silben oder sogar für ganze Wortbedeutungen.
Bei der Alphabetisierung spielt es außerdem eine sehr große Rolle, ob neben dem Schriftsystem auch die Sprache gelernt werden muss. Die Alphabetisierung in der Zweitsprache stellt Lernende und Lehrende vor besondere Herausforderungen.
Ziele von Alphabetisierungskursen, wie sie zum Beispiel das BAMF für Menschen mit Migrationshintergrund anbietet, sind neben dem Erwerb von Schriftsprachkenntnissen, allgemeine Sprach- und Kommunikationsfähigkeit im Deutschen (bis zum Niveau A2 des GER) aber auch die Vermittlung von grundlegenden Lerntechniken und eine verbesserte soziale Integrationsfähigkeit, die durch größere Selbstständigkeit und Selbstsicherheit aufgrund von Schriftsprachkenntnissen erreicht wird.
Den Luxus von separaten Alphabetisierungskursen hat nicht jeder. Vielfach befinden sich primäre und sekundäre Analphabeten, Zweitschriftlerner und alphabetisierten Menschen mit unterschiedlichem Sprachniveau im Deutschen zusammen in einem Kurs oder Ausbildungslehrgang, bei dem weitere Inhalte vermittelt werden sollen. Da ist eine große Binnendifferenzierung gefragt.