Rede der Bezirksbürgermeisterin Stefanie Remlinger zur Eröffnung der Installation "Geiselplatz"

Sehr geehrte Frau Sucharewicz, liebe Melody (wie ich mittlerweile sagen darf)
Sehr geehrter Herr Aaron Sagui (Gesandter der Botschaft des Staates Israel),
Sehr geehrter Herr Michael Roth (MdB, SPD, Vors. Auswärtiger Ausschuss)
Sehr geehrter Herr Daniel Botmann (GF des Zentralrats der Juden in Dt),
Sehr geehrter Volker Beck (Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft)
Sehr geehrte Frau Karin Lorenz (ICEJ – Deutscher Zweig e. V.),
Sehr geehrter Herr Alon Meyer (Präsident Makkabi Deutschland),
und vor allem: sehr geehrte, liebe Angehörige,

nicht ist mir wichtiger als Ihnen zu sagen: ich hoffe so sehr, Ihre Lieben sind am Leben. Ich hoffe so sehr mit Ihnen, sie kommen heim.

Ich war schockiert, als mich die Nachrichten über das schreckliche, heimtückische Massaker vom 07. Oktober erreichten. Die Nachrichten über die von den Hamas-Terroristen verschleppten 252 Menschen. Wehrlose, friedliche, kurz zuvor noch fröhlich tanzende Menschen. 128 davon sind noch heute in Geiselhaft. Das dürfen wir nicht vergessen, trotz der vielen Monate, die seit dem 7. Oktober schon vergangen sind, und wir dürfen nicht aufhören um das Leben und die Rückkehr all dieser Geiseln zu Ihnen, ihren Lieben, gemeinsam zu kämpfen.

Ich kann mir nur ansatzweise vorstellen, was all die Angst und Ungewissheit über diese lange Zeit für Sie als Angehörige an Leid bedeutet. Mit diesem Leid, mit diesem Schmerz wollen wir Sie nicht allein lassen.
Für all das steht diese Aktion, steht dieser „Platz der Hamas-Geiseln“ und deshalb sind Sie als Initiatorinnen, sind alle Gäste und genau deshalb bin auch ich heute hier.

Ich bin hier als Bürgermeisterin eines Bezirks, in dem sich der Krieg nicht wie ein ferner, regionaler Konflikt anfühlt. Nein.

Der Nahost-Konflikt und die Konfliktlinien sind in Mitte konkret spürbar.

„Brennt Gaza, brennt auch Berlin.“ – das wurde vergangene Woche an mein Rathaus geschmiert. Es gab bereits zwei Brandanschläge auf mein Haus – beim ersten wurde eine historische Ausstellung über das Jüdische Krankenhaus zerstört. Beim zweiten unsere Poststelle. Zweimal bereits wurde die als Zeichen der Solidarität am Rathaus gehisste israelische Flagge geschändet –

Auch anderswo im Bezirk Mitte gab es Angriffe auf jüdische Einrichtungen, unter anderem auf eine Synagoge in der Brunnenstraße sowie das Jüdische Krankenhaus in der Heinz-Galinski-Straße. Und gerade vor wenigen Tagen erst wurde auch das Deportations- und Holocaustmahnmal in der Levetzowstraße geschändet.

Pro-Palästinensische Demos eskalieren – offen zur Schau gestellter Antisemitismus und israelfeindliche Ausschreitungen müssen polizeilich unterbunden werden.

Nicht von ungefähr haben unsere jüdischen, unsere israelischen Nachbarn Angst, ob ihre Kinder noch sicher zu ihrer jüdischen Schule kommen, ob sie noch Kippa tragen oder in der Öffentlichkeit Hebräisch reden können. Die Schmähungen und Schändungen, sie passieren hier in unserer Mitte.

Dagegen arbeiten wir mit aller Kraft.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um zu sagen, was ich für Mitte will:

Ich will, dass unser Weg in unserem Bezirk ist, dass wir gewaltfrei, friedlich, gleichberechtigt, wertschätzend und respektvoll miteinander umgehen, uns begegnen, gemeinsam zusammenleben. Die Idee von Berlin-Mitte ist, die Welt zusammenzubringen und zu zeigen, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist, eben auch der jüdischen, israelischen mit all den arabischen und palästinensischen Communities, die genauso in Mitte zuhause sind.
Von dieser freiheitlich demokratischen Kultur des Zusammenlebens in unserem vielfältigen Bezirk lassen wir uns nicht abbringen und wir lassen uns nicht einschüchtern. Es ist ein Weg, um den wir immer ringen, für den wir wirklich hart arbeiten müssen, denn es ist nicht einfach ein Geschenk, das wir sicher haben.

Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass ich als Bürgermeisterin auch mitfühle mit den Menschen in Gaza und all den Menschen hier in Berlin, in Mitte, die familiäre, verwandtschaftliche und freundschaftliche Verbindung nach Gaza haben. Ich weiß, dass viele Menschen hier nicht nur täglich schreckliche Bilder sehen vom Leid des Kriegs, von der Gewalt, dem Tod, dem Hunger, der Vertreibung, sondern dass es viele Berliner*innen gibt, die in Gaza ihre Schwestern oder Brüder, Cousinen oder Onkel verloren haben.

Das ist furchtbar, und all diesen Menschen möchte ich mein Beileid aussprechen für das Leid das die Hamas auch über sie gebracht hat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Angehörige,

dieser „Platz der Hamas-Geiseln“ ist in allererster Linie das, was Frau Sucharewizc gesagt hat und was ich eingangs meinte: Er soll dem dienen, dass das Schicksal der Geiseln nicht vergessen wird und wir nicht aufhören, um sie zu kämpfen. Er soll ein Ort des Mitgefühls sein. Der Tunnel-Installation soll nachfühlbar machen, wie es ist, in solche einem Tunnel eingesperrt zu sein. Die Stühle symbolisieren die Leere, die die entführten Angehörigen hinterlassen…

Heute ist Carmel Gats 40ster Geburtstag – es wurde eine Torte für sie gekauft. Ich vermag mir das Leid, vermag mir die Ängste der Angehörigen kaum vorzustellen. Es bricht mir das Herz. Und ich wünsche so sehr, dass diese Installation auch bei anderen Menschen ihre Wirkung nicht verfehlt.

Ich hoffe auf Ihrer aller Einverständnis, wenn ich eine zweite Funktion, eine zweite Hoffnung mit diesem Platz verbinde. Nämlich dass ich hoffe, dass diese Installation hier auf dem Bebelplatz ein Raum ist, um miteinander ins Gespräch zu kommen über all die schwierigen, schmerzhaften Fragen, die zur Lösung anstehen.

Es nützt nichts, Ihnen auszuweichen.

Auch deshalb habe ich diesen „Platz der Hamas-Geiseln“ unterstützt. Denn ich bin überzeugt: Wir brauchen hier in Deutschland, in Berlin, in meinem Bezirk, noch viel mehr solcher Räume, um über die Grenzen der Communities wirklich miteinander wieder ins Gespräch, und über das Gespräch hoffentlich wieder zu einem echten, friedlichen Miteinander zu kommen.
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Möge diese Installation also auch ein Ort des intensiven, aber friedlichen und versöhnlichen Dialogs sein.
Vielen Dank.