Seit einigen Wochen gibt es erhebliche Aufregung über eine im vergangenen Jahr durch das Abgeordnetenhaus von Berlin beschlossene Gesetzesänderung. Das Abgeordnetenhaus hat die Bauordnung für Berlin unter anderem wie folgt geändert:
Im § 46 – Aufbewahrung fester Abfallstoffe, Abfallschächte – wurde der Absatz 3 angefügt und lautet: „Abfallschächte dürfen nicht errichtet werden. Bestehende Abfallschächte sind spätestens bis zum 31. Dezember 2013 außer Betrieb zu nehmen. Die zu ihrem Betrieb vorgesehenen Öffnungen sind zu diesem Zeitpunkt dauerhaft zu verschließen.“ Veröffentlicht im Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin 66. Jahrgang Nr.17, Seite 396, 08. Juli 2010.
Punkt aus Schluss – keine Ausnahme oder Übergangsregelungen
Die Kontrolle über die Einhaltung und die Durchsetzung der Bestimmungen der Bauordnung obliegt in Berlin den Bezirksämtern und hier dem Stadtentwicklungsamt, in dessen Zuständigkeit die Bau- und Wohnungsaufsicht liegt.
Der Rat der Bürgermeister hatte in seiner 43. Sitzung vom 20.05.2010 die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgelegte Vorlage Nr. R-721/2010 über das Gesetz zur Änderung der Bauordnung für Berlin und des Berliner Denkmalschutzgesetzes zur Kenntnis genommen. Die zuständigen Ausschüsse des Rats der Bürgermeister hatten nach eingehender Beratung die Kenntnisnahme empfohlen.
Die Gremien des Rates der Bürgermeister sind bei der Kenntnisnahme jedoch von der damaligen Textvorlage ausgegangen. In dieser Vorlage hatte der oben genannte Absatz 3 noch einen vierten Satz. der lautete: „Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn die Einhaltung der abfallrechtlichen Trennpflicht gewährleistet ist.“
Diese Fassung fand die Zustimmung der Fachleute und die Kenntnisnahme der Berliner Bürgermeister/innen.
Mit dieser Fassung wurde die Intention der Gesetzgebung deutlich definiert. Es geht um die Gewährleistung der abfallrechtlichen Trennpflicht und wenn diese nicht gegeben ist, sind die Müllabwurfanlagen zu schließen.
Dies wäre eine Änderung der Berliner Bauordnung gewesen, die zukunftsorientiert die ökologisch notwendige getrennte Erfassung der Abfälle gewährleistet und zugleich den Wohnungsunternehmen entsprechende Handlungsmöglichkeiten eingeräumt hätte.
Für die Entscheidung der Wohnungsunternehmen werden viele Aspekte eine Rolle spielen. Die Anforderungen der Bewohnerinnen und Bewohner werden zu beachten sein, ebenso wie betriebswirtschaftliche Fragen und die hygienischen Aspekte.
Das Abgeordnetenhaus hat aus hier nicht nachvollziehbaren Gründen mit der vorgenommenen Streichung des vierten Satzes eine Änderung der Intension des Gesetzes vorgenommen, die ohne Not eine erhebliche finanzielle Belastung für die Wohnungsunternehmen und damit für die Mieterinnen und Mieter darstellt. Die Umsetzung des Gesetzes in der vorgeschriebenen Weise ist kaum realisierbar.
Die Mülltrennung ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht eine wichtige zukunftsorientierte Maßnahme. Vielerorts sind dazu bereits gut funktionierende Erfassungssysteme geschaffen worden. Die Betreiber dieser Anlagen wissen, dass die Nutzerinnen und Nutzer und deren Verhalten wesentlich zum Erfolg der getrennten Wertstofferfassung beitragen.
In Marzahn-Hellersdorf ist in den zurückliegenden Jahrzehnten Wesentliches zur getrennten Abfallerfassung getan worden. Die Wohnungsunternehmen in den Großsiedlungen haben zum allergrößten Teil auch in den Beständen mit Müllabwurfanlagen eine getrennte Erfassung der Wertstoffe (Glas, Papier, Gelbe Tonne und Biotonne) eingerichtet. Die Erfolge können regelmäßig bei den Betriebskostenabrechnungen nachvollzogen werden.
Um die Betreiber von Müllabwurfanlagen in die Pflicht zu nehmen, die Mülltrennung zu gewährleisten, wäre der dem Rat der Bürgermeister vorgelegte Gesetzestext ein gangbarer Weg gewesen.
Was tun?
1. Die Bauordnung in der Weise ändern, dass der vierte Satz der Vorlage – „Die Sätze 1 bis 3 gelten nicht, wenn die Einhaltung der abfallrechtlichen Trennpflicht gewährleistet ist.“ – in das Gesetz aufgenommen wird. Das kann das Abgeordnetenhaus von sich aus oder auf Initiative des Rats der Bürgermeister tun.
Sollte dies kurzfristig nicht möglich sein,
2. könnte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den Ausführungsvorschriften praxisorientierte, der Gewährleistung der getrennten Abfallerfassung dienende Vorschriften erlassen, die das Stadtentwicklungsamt mit der Bau- und Wohnungsaufsicht in die Lage versetzen, nach Einzelfallprüfung notwendige Ausnahmen zu genehmigen.
Dazu ist der Dialog zwischen der Senatsverwaltung, den Bezirken und der Berliner Wohnungswirtschaft aufzunehmen.
3. Das Stadtentwicklungsamt in Marzahn-Hellersdorf wird kurzfristig im Rahmen seiner regelmäßigen Kontakte mit den Wohnungsunternehmen des Bezirks eine Beratung zu den konkreten Auswirkungen der Änderung der Bauordnung und zu möglichen Lösungsansätzen durchführen.
Norbert Lüdtke