Von der SED-Diktatur zum Rechtsstaat
Der Umgang mit Recht und Justiz in der SBZ/DDR
“Wir wollten Gerechtigkeit und haben den Rechtsstaat bekommen.” Dieser Bärbel Bohley zugeschriebene Satz drückt die Enttäuschung vieler Ostdeutscher beim Übergang von der SED-Diktatur in den Rechtsstaat aus. Systemwechsel führen immer zu Irritationen in der Gesellschaft, gerade auch im Bereich von Recht und Justiz. Für die Vermittlung historischer Umwälzungsprozesse bringt das große Herausforderungen mit sich. Es gilt umso mehr, als das SED-Regime eine Legalitätsfassade vor dem Unrecht errichtet hatte. Seine Bestandteile und Funktionsweisen sind nicht umfassend geklärt. Recht und Justiz in der DDR nahmen im historischen und internationalen Diktaturvergleich eine besondere Stellung ein. Vom “völkischen Rechtsdenken” der NS-Juristen führte zwar kein roter Faden, aber doch ein eigenartiger Spannungsbogen zur “sozialistischen Gesetzlichkeit”. Sowjetische Einflüsse waren unverkennbar, osteuropäische wohl eher selten. Der
Helsinki-Prozess machte die Grenzen der Diktatur sichtbar: Schauprozesse kosteten nun internationales Renommee. Die Verfolgung der Opposition wurde zu großen Teilen “vorverlegt” und der Staatssicherheit mit ihren “Zersetzungs”-Maßnahmen übertragen. Mit der Friedlichen Revolution von 1989/90 mussten sich Recht und Justiz im Osten Deutschlands neu definieren. Die Richter und Staatsanwälte aus der SED-Diktatur wurden überprüft, Rechtsbeugung war zu ahnden. Die Bilanz der Strafverfolgung des SED-Unrechts wird sehr unterschiedlich bewertet: Heftige Kritik zahlreicher Opfer steht oft unvermittelt neben Zustimmung vieler – auch internationaler – Institutionen. Die justiziellen Ahndungsmuster fanden bisher wenig Beachtung, obwohl sie weiterführende Erkenntnisse ermöglichen.
Offen bleibt bis heute, was das Recht gegenüber Diktaturen bewirken kann. Das Völkerrecht und auch das Völkerstrafrecht entwickelten sich in den letzten Jahrzehnten fort. Internationale Gerichtshöfe haben ihre Arbeit aufgenommen. Daran sind auch deutsche Juristen beteiligt. Gerade vor dem Hintergrund der SED-Diktatur stellt sich dabei die Frage: Können Recht und Justiz die Freiheit sichern?
War die DDR ein Unrechtsstaat?
Podiumsgespräch mit:
- Rainer Eppelmann (Vorstandsvorsitzender der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur)
- Prof. Dr. Rainer Schröder (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Prof. Dr. Uwe Wesel (Freie Universität Berlin); Prof. Dr. Michael Stürmer (Chefkorrespondent “Die Welt”)
Moderation:
Brigitte Fehrle (Chefredakteurin “Berliner Zeitung”)
Recht und Justiz der DDR im Diktaturvergleich
- Recht und Justiz in der Diktatur: Vom “Völkischen Rechtsdenken” zur “Sozialistischen Gesetzlichkeit”
Prof. Dr. Hubert Rottleuthner (Freie Universität Berlin)
- Der sowjetische Einfluss auf Recht und Justiz in der DDR
Prof. Dr. Friedrich-Christian Schroeder (Universität Regensburg)
Der Helsinki-Prozess oder die Grenzen des Unrechtsstaats
- Die Wirkungen des Helsinki-Prozesses auf Politik und Justiz in der DDR
Dr. Johannes Raschka (Historiker)
- Justiz und Staatssicherheit in den 80er Jahren
Podiumsdiskussion mit:
- Rudi Beckert (früherer Oberrichter am Obersten Gericht der DDR)
- Dr. Martin Böttger (Mitglied der DDR-Opposition)
- Brigitta Kögler (Rechtsanwältin, Mitbegründerin des Demokratischen Aufbruchs)
- Dr. Falco Werkentin (Soziologe)
Moderation:
Robert Ide (Redakteur “Der Tagesspiegel”)
Vom Unrechtsstaat in den Rechtsstaat
- Die strafrechtliche Aufarbeitung des SED-Unrechts – eine Bilanz
Prof. Dr. Klaus Marxen (Humboldt-Universität zu Berlin)
- Die Überprüfung der Richter und Staatsanwälte aus der DDR und die Strafverfahren wegen Rechtsbeugung
Dr. Johann-Friedrich Staats (Rechtsanwalt, Ministerialrat a. D.)
- Vom Umgang mit den Opfern
Jens Planer-Friedrich (Bürgerberater beim Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen)
- Die juristische Aufarbeitung des SED-Unrechts in der Wahrnehmung der Opfer
Rainer Wagner (Bundesvorsitzender der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft e.V.)
- Die juristische Bewältigung des SED-Unrechts
Podiumsdiskussion mit:
- Roman Grafe (Journalist)
- Freya Klier (Autorin und Regisseurin)
- Prof. Dr. Wolfgang Schuller (Universität Konstanz)
- Rolf Schwanitz (MdB, Staatsminister a. D.)
- Wolfgang Wieland (MdB, Senator für Justiz a. D.)
Moderation:
Peter Lange (Chefredakteur Deutschlandradio Kultur)
Die internationale Dimension: Helfen Recht und Justiz gegen Diktaturen?
- Chancen und Grenzen des Völkerstrafrechts
Christoph Flügge (Richter am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien)
- Sicherung der Freiheit durch das Recht?
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (Bundesministerin der Justiz)
- Die Wirkungen des internationalen Rechts auf Diktaturen
Podiumsdiskussion mit:
- Christoph Flügge
- Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
- Prof. Dr. Christiaan Frederik Rüter (Universität Amsterdam)
- Prof. Dr. Richard Schröder (Humboldt-Universität zu Berlin)
Moderation:
Dr. Jacqueline Boysen (Studienleiterin Evangelische Akademie zu Berlin)
Eine gemeinsame Veranstaltung von Deutsche Gesellschaft e. V., Berliner Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen und Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur