Vor 33 Jahren: Sturm auf die Stasi-Zentrale in Berlin

Pressemitteilung vom 11.01.2023

Tom Sello mahnt Umsetzung des Forums Opposition und Widerstand an

Der Berliner Beauftragte zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB) würdigt die Erstürmung der Stasi-Zentrale vor 33 Jahren. Am 15. Januar 1990 waren Tausende auf das Gelände des ehemaligen Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) geströmt. „Der Sturm auf die Stasi-Zentrale besiegelte das Ende der kommunistischen Geheimpolizei und entriss der SED endgültig ihr wichtigstes Machtinstrument“, so der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello. „Das Datum markiert einen der Höhepunkte der Friedlichen Revolution. Die Auflösung der Geheimpolizei und die gesellschaftliche Auseinandersetzung in den folgenden Monaten über den Umgang mit der Hinterlassenschaft sind ein bedeutender Moment deutscher Demokratiegeschichte und sind vielfältig mit dem Areal in Berlin-Lichtenberg verbunden.“

Trotz der besonderen historischen Bedeutung der vormaligen MfS-Zentrale liegen gegenwärtig immer noch große Teile des Geländes brach. Vor diesem Hintergrund fordert Sello die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth, und den Berliner Senat auf, ihrer gemeinsamen Verantwortung gerecht zu werden und die in den Koalitionsverträgen von Bund und Land festgeschriebene Weiterentwicklung des Geländes partnerschaftlich umzusetzen. Schlüsselprojekte sind dabei aus Sellos Sicht sowohl das Archivzentrum zur SED-Diktatur des Bundesarchivs als auch das Forum Opposition und Widerstand der Robert-Havemann-Gesellschaft. Auf den für den 16. Januar 2023 angekündigten Besuch der Kulturstaatsministerin auf dem heutigen Campus für Demokratie setzt der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte daher große Hoffnungen. „Es ist eine gute Gelegenheit weitere Fortschritte für abgestimmtes und vor allem zielstrebiges Handeln von Bund und Land am Campus zu vereinbaren.“ Der Termin, an dem auch Berliner Senatoren teilnehmen werden, kommt auf Einladung von Katrin Budde, der Vorsitzenden des Ausschusses für Kultur und Medien im Bundestag, und von Dr. Hannah Neumann, Lichtenberger Abgeordnete im Europäischen Parlament, zustande.

Im September 2022 hat die Robert-Havemann-Gesellschaft eine überzeugende Machbarkeitsstudie zum Forum Opposition und Widerstand vorgelegt. Als geeigneter Standort für das Forum wird in der Studie das ehemalige Stasi-Gelände favorisiert. Tom Sello: „Mit der Realisierung des Forums Opposition und Widerstand als inhaltlichem Kern des Campus für Demokratie bietet sich dem Berliner Senat die Gelegenheit, einen wichtigen Teil Berliner Geschichte erinnerungskulturell zu verankern. Die Bundesregierung kann zugleich dem Anspruch gerecht werden, Opposition und Widerstand gegen die SED-Diktatur besonders zu würdigen, so wie es bereits seit 1999 in der Gedenkstättenkonzeption formuliert ist.“ Nach Ansicht von Sello ist das augenfälligste Objekt im Gelände auf seine Tauglichkeit als Standort für das Forum leider noch nicht untersucht worden. Es ist das riesige Gebäude namens Haus 18, der frühere Kultur- und Versorgungstrakt der Stasi-Offiziere, in das die Demonstranten am 15. Januar 1990 zuerst strömten und das seit Jahrzehnten leer steht.

Zum Jahrestag der Erstürmung der Stasi-Zentrale am 15. Januar 2023 veranstalten die am Ort ansässigen Institutionen und der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte auf dem Campus für Demokratie einen Thementag mit umfangreichem Programm. Im Angebot sind Diskussionsrunden, darunter auch ein Gespräch mit dem Berliner Aufarbeitungsbeauftragten, Filmvorführungen und Rundgänge durch die verschiedenen Archive und über das Gelände.

Hintergrund

Am 8. Februar 1950, vier Monate nach Gründung der DDR, wurde das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gebildet. Seine Hauptaufgabe bestand darin, mit allen Mitteln die Herrschaft der kommunistischen Staatspartei SED zu sichern. Jeder Widerspruch sollte im Keim erstickt werden.
Nach seiner Gründung residierte das MfS zunächst in den Räumen des Lichtenberger Finanzamtes an der Magdalenenstraße Ecke Normannenstraße. Von hier aus breitete es sich im Laufe der Jahre bis an die Frankfurter Allee und zur Ruschestraße aus. Gärten, Wohnhäuser und Straßen verschwanden aus dem Stadtbild. 1989 beschäftigte die SED in ihrer Geheimpolizei mehr als 90.000 Hauptamtliche Mitarbeiter und mehr als 180.000 Spitzel, um die Bevölkerung zu beobachten und politische Gegner zu verfolgen.
Während der Friedlichen Revolution wurden ab 4. Dezember 1989 MfS-Dienststellen in der ganzen DDR durch Demonstranten besetzt. Am 15. Januar 1990 drangen schließlich Tausende in die Berliner MfS-Zentrale ein. Bürgerkomitees versuchten die Auflösung des Geheimdienstes zu kontrollieren. Doch die gesicherten Aktenberge sollten verschlossen bleiben. Proteste im September 1990 erzwangen schließlich, dass zum ersten Mal die Akten einer Geheimpolizei geöffnet wurden. Heute wird der Zugang zu den Stasi-Unterlagen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen geregelt.