Berlin, 27. September 2022 – „Welche Konsequenzen haben Sie wegen der Schweigeminute erwartet?“, „Wie ging es nach Ihrer Flucht in den Westen weiter?“, und „Konnten Sie den Kontakt zu Ihrer Familie in der DDR halten?“ Das sind nur einige der Fragen, die Berliner Schülerinnen und Schüler heute dem DDR-Zeitzeugen Karsten Köhler gestellt haben. Der 83-Jährige war zu Gast beim BAB-Schulkino, das vom Berliner Beauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB) veranstaltet und vom Kooperationsnetzwerk media.Bildungspartner umgesetzt wird. Es war Köhlers 100. Auftritt als Zeitzeuge.
Gezeigt wurde der Film „Das schweigende Klassenzimmer“ von Regisseur Lars Kraume. Der Film beruht auf der wahren Geschichte einer DDR-Abiturklasse, deren Klassensprecher Köhler war. Die Jugendlichen hatten nach der gewaltsamen Niederschlagung des Ungarn-Aufstands 1956 eine Schweigeminute abgehalten und wurden deswegen vom Abitur in der gesamten DDR ausgeschlossen. Im Anschluss an die Filmvorführung im Delphi Filmpalast diskutierten die rund 350 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Berliner Schulen mit dem Schauspieler Ronald Zehrfeld, Regisseur Lars Kraume und Karsten Köhler „Mir liegt viel daran, dass die schlimmen Erfahrungen, die meine Mitschüler und ich in der SED-Diktatur gemacht haben, nicht in Vergessenheit geraten“, erklärt der Zeitzeuge sein Engagement. „Wir müssen die Erinnerung daran wachhalten, damit wir erkennen, wenn Recht in Gefahr ist und wir uns für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie einsetzen müssen.“
Eröffnet wurde die BAB-Schulkino-Veranstaltung durch den Berliner Aufarbeitungsbeauftragten Tom Sello und die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur. Evelyn Zupke ist selbst seit vielen Jahren als Zeitzeugin in Schulen unterwegs: „In Lehrbüchern und auch im Unterricht ist Geschichte häufig sehr abstrakt. Durch Filme wie ‘Das schweigende Klassenzimmer’ bekommen Schülerinnen und Schüler einen Einblick in das Leben von Jugendlichen in der Diktatur. Mit den Zeitzeugen lernen sie Menschen kennen, die sich aufgelehnt haben in der Diktatur und die durch staatliche Repression zu Opfern wurden.“ BAB Tom Sello nennt das Schulkino eine hervorragende Ergänzung für den Geschichtsunterricht: „Wir stellen uns als Behörde immer wieder die Frage, wie wir Jugendliche für die deutsche Geschichte interessieren können. Ich bin sicher: Mit spannenden Filmen und mit Zeitzeugen wie Karsten Köhler können wir dieses Interesse wecken.“ Die Aufklärung über die SED-Diktatur und ihre Folgen gehört zu den gesetzlichen Aufgaben der Behörde des Berliner Aufarbeitungsbeauftragten.
„Der Zeitzeuge Karsten Köhler hat in 100 Veranstaltungen rund 11.500 Schülerinnen und Schüler erreicht“, so die freischaffenden Medienpädagoginnen Antje Bernhardt und Sophie Diernberger vom Kooperationsnetzwerk media.Bildungspartner. Sie arbeiten bereits seit vier Jahren mit Köhler zusammen. „Die Kombination aus Film und anschließendem Zeitzeugen-Gespräch ist wie eine lebendige, eindrückliche Geschichtsstunde, die durch kein Lehrbuch ersetzt werden kann.“
Kooperationsnetzwerk media.Bildungspartner
Seit fünf Jahren realisiert das Kooperationsnetzwerk media.Bildungspartner bundesweit Schulkinoveranstaltungen für alle Klassenstufen. Mithilfe des Mediums Film werden bildungsrelevante Themen vermittelt. Im Anschluss an die Filmsichtungen finden stets Gesprächsrunden mit inhaltlich passenden Referentinnen und Referenten statt, wie z.B. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, Historikerinnen und Historikern sowie Filmschaffenden.