Für Tom Sello, Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur (BAB), liefert die Studie wertvolle Erkenntnisse für politische Weichenstellungen der kommenden Jahre in Land und Bund: „Wir brauchen Verbesserungen bei den Hilferegelungen für Verfolgte der SED-Diktatur. Im Sinne der zumeist älteren Betroffenen sind schnelle Lösungen gefragt. Um besondere soziale Härten durch die steigende Inflation und den Anstieg der Lebenshaltungskosten abzuwenden, ist es notwendig, die sogenannte Opferrente deutlich zu erhöhen und fortlaufend zu dynamisieren. Da dringender Handlungsbedarf besteht, sind die Erkenntnisse bereits in Vorschläge zur Novellierung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze eingeflossen, die gemeinsam durch alle Landesbeauftragten an die jeweiligen Landesregierungen und den Bund herangetragen wurden.“
Dr. Eva Schulze, wissenschaftliche Leiterin des BIS Berliner Institut für Sozialforschung GmbH und Projektleiterin der Studie, sieht die staatliche Unterstützung und Beratung von Verfolgten der SED-Diktatur im Land Berlin als langfristige Aufgaben an: „Unrecht verjährt nicht, das zeigt die Studie sehr deutlich. Die Langzeitfolgen der politischen Verfolgung sind bei den Betroffenenunübersehbar. Sie zeigen sich noch heute in gesundheitlicher, oft auch psychischer Belastung und in einer prekären finanziellen Situation. Deshalb wird der Bedarf nach Beratung und Rehabilitierung auch in Zukunft vorhanden sein.“
Die Studie nimmt auch die Beratungslandschaft im Land Berlin für Verfolgte der SED-Diktatur in den Blick. Untersucht wurde, welche staatlichen und zivilgesellschaftlichen Beratungsangebote dieser Personenkreis seit 1990 in Anspruch nehmen konnte. Analysiert hat das Forschungsteam auch die Prozesse der Antragstellung zur Rehabilitierung nach den SED-Unrechtsbereinigungsgesetzen und der Bewilligung von Leistungen. Dabei stellt das BIS fest, dass die Verfahrensdauer bei Rehabilitierungen mit sechs bis 18 Monaten zu lang ist. Antragsformulare wie auch Rehabilitierungsbescheide sollten verständlicher formuliert werden.
Zudem sind die Antragsverfahren für die ehemals politisch Verfolgten oft belastend. Mario Röllig, politischer Häftling in der DDR: „Im Zuge des Rehabilitierungsprozesses setzen sich die Verfolgten der SED-Diktatur intensiv mit ihrem erlebten Unrecht auseinander. Das kann zu einer Retraumatisierung führen. Dass man in einem DDR-Jugendwerkhof tagelang in einen lichtlosen Kerker gesperrt werden konnte oder im Stasi-Gefängnis gefoltert wurde, ist teilweise schwer nachzuweisen, hat aber Auswirkungen auf die körperliche und psychische Verfassung heute. Ich würde mir deshalb wünschen, dass zum Beispiel gesundheitliche Folgeschäden aufgrund von politischer Verfolgung in der SED-Diktatur unkompliziert anerkannt würden.“