Berlin, 27. September 2021 – Reinhard Schult ist tot. Er starb am vergangenen Wochenende kurz nach seinem 70. Geburtstag nach langer schwerer Krankheit. Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte trauert um einen guten Freund, langjährigen Mitstreiter in der Oppositionsbewegung der DDR und einen unvergessenen ehemaligen Kollegen.
„Reinhard Schult war einer der profiliertesten Systemkritiker der späten DDR und einer der engagiertesten Akteure der Friedlichen Revolution“, würdigt der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello den Verstorbenen. „Dass wir heute die Stasi-Akten einsehen können, haben wir auch ihm zu verdanken.“ Bei der Erstürmung des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) im Januar 1990 und der nachfolgenden Auflösung des MfS hatte Schult eine herausragende Rolle gespielt. Mit der Besetzung des Stasi-Unterlagen-Archivs im September 1990 trugen Bürgerrechtler um Schult mit dazu bei, dass die Stasi-Akten für Betroffene, Forschung und Medien geöffnet wurden. In den folgenden beiden Jahrzehnten war Reinhard Schult einer der engagiertesten Verfechter bei der Aufklärung der SED-Diktatur.
Für den Amtsvorgänger des Berliner Aufarbeitungsbeauftragten war Reinhard Schult mehrere Jahre als Bürgerberater tätig. „Reinhard hat vielen Menschen in Berlin und Brandenburg bei Fragen von Rehabilitierung und Entschädigung geholfen“, erinnert Tom Sello an den einstigen Kollegen. Weil es bis 2010 in Brandenburg keinen eigenen Aufarbeitungsbeauftragten gab, bot Schult im Auftrag des Landesinnenministeriums regelmäßig Beratungen für Verfolgte der SED-Diktatur in den brandenburgischen Städten und Gemeinden an. Im Jahr 2010 wechselte Schult dann zur neu geschaffenen Behörde der Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur nach Potsdam.
Seine Wurzeln hatte Schult in der kirchlichen Jugendbewegung. Am Sprachenkonvikt, der kirchlichen Hochschule in Ost-Berlin, studierte er kurzzeitig Theologie. Den Waffendienst bei der Nationalen Volksarmee verweigerte er und wurde Bausoldat. Im Jahr 1979 wurde Schult wegen „öffentlicher Herabwürdigung“ zu acht Monaten Gefängnis verurteilt. In der Folge engagierte er sich zunehmend in der Menschenrechts- und Friedensarbeit, insbesondere im Friedenskreis Friedrichsfelde und in der Kirche von Unten.
Schult gehörte 1989 zu den Gründungsmitgliedern des Neuen Forums und war dessen Vertreter am Zentralen Runden Tisch. Von 1991 bis 1995 saß er für das Neue Forum im Berliner Abgeordnetenhaus. Über viele Jahre gehörte er dem Vorstand des „Bürgerkomitee 15. Januar e. V.“ an.