Entschädigt? – Folge #4: Anerkennung von Versagen der Evangelischen Kirche – Lothar Rochau über Einmischung und Aufarbeitung

Lothar Rochau in der Kirche

Sein Vater war SED-Funktionär, aber Lothar Rochau ging eigene Wege. Langhaarig trampte er durchs Land, begeisterte sich für Blues und wurde Christ. Als Diakon organisierte er die offene Jugendarbeit in Halle-Neustadt. Bald kamen Hunderte Jugendliche: Hier gab es Musik, Kunst und Literatur, die mit ihrer Sinnsuche zu tun hatten. Auch Texte und Bilder, die in der DDR verboten waren.

Halle-Neustadt: Wohnkomplex I (Bauzeit 1964-1968). Blick über den Platz Am Gastronom zur kreisförmige Wohngebietsgaststätte Gastronom

Plattenbausiedlung in Halle-Neustadt

Die Stasi spitzelte und manipulierte. Rochaus Pfarrer-Kollegen im Neubaugebiet waren ohnehin staatsnah, und die Kirchenleitung schützte ihn und seine Arbeit nicht. Er wurde entlassen, verhaftet und zur Ausreise gedrängt. Sein Anwalt war Stasi-Spitzel; der Personalchef seiner Landeskirche war Stasi-Offizier im besonderen Einsatz. Bereits im November 1989 zog Rochau wieder in die DDR. Die Kirche aber wollte ihn auch jetzt nicht. Er wurde Jugendamtsleiter und kämpfte jahrzehntelang um Schuldbekenntnis und Entschädigung seitens der Kirche.

Entschädigt? – Folge #4: Anerkennung von Versagen der Evangelischen Kirche

Cover des Podcast "Entschädigt" mit einem verbogenem Gitter
Cover "Entschädigt?" Folge 4

Mit dem Aufruf des Videos erklären Sie sich einverstanden, dass Ihre Daten an YouTube übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Formate: video/youtube

Weiterführende und ergänzende Informationen

Die Evangelische Kirche Mitteldeutschland (EKM) richtete bislang als einzige Landeskirche ein Entschädigungs- und Anerkennungsverfahren für kirchliches Versagen und Mitschuld an DDR-Unrecht ein. Anträge konnten bis Ende April 2023 gestellt werden, der Abschlussbericht erscheint demnächst. Hier geht’s zu einem Überblicksbeitrag.
Die Interviewerin nimmt mehrfach Bezug auf das Buch, in dem Lothar Rochau seine Erinnerungen veröffentlicht hat.
Lothar Rochau lud die Sängerin Bettina Wegner zu einem Werkstatttreffen der offenen Arbeit ein, als diese Auftrittsverbot in der DDR hatte. Dort sang sie auch dieses Lied Kinder (Sind so kleine Hände) (1978).

Lothar Rochau lernte als Jugendlicher den damaligen Schuhmacher und späteren Pfarrer Oskar Brüsewitz kennen, der sich später aus Protest gegen das Regime selbst verbrannte.

Rochau erwähnt Spannungen mit Mitgliedern der staatsnahen Christlichen Friedenskonferenz (CFK), die z.B. den Einmarsch der Warschauer Vertragsstaaten in die CSSR 1968 begrüßten und individuell Privilegien genossen.

Überblick und historische Analyse zur offenen Jugendarbeit der Ev. Kirche in der DDR