Nachruf auf Peter Eisenfeld

Ehemaliger BAB-Mitarbeiter im Alter von 81 Jahren verstorben

Der Berliner Aufarbeitungsbeauftragte Tom Sello und sein Team trauern um ihren ehemaligen Mitarbeiter und Kollegen Peter Moritz Eisenfeld. Der engagierte Kritiker der SED-Diktatur und ehemalige Berater von Diktatur-Opfern starb am 21. Juni 2022 im Alter von 81 Jahren.

Geboren wurde Peter Eisenfeld 1941 im Vogtland. Die Stationen seines Lebens als junger Mann könnten zu einer sozialistischen Vorzeige-Biografie gehören: Auf eine Lehre im Bergbau folgten das Abitur an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät in Freiberg und ein Geologie-Studium in Leningrad. In der Sowjetunion lernte der Student seine spätere Frau Irina Sacharowa kennen.

Nach dem Abschluss 1967 kehrte Peter Eisenfeld nach Sachsen zurück und nahm eine Tätigkeit bei der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft SDAG Wismut auf. Später arbeitete er als Dolmetscher und Übersetzer bei der staatlichen Agentur „Intertext“. Ehrenamtlich war Peter Eisenfeld zudem als Gewerkschaftsvertrauensmann und im Elternaktiv der Schule des Sohnes tätig.

Stasi-Überwachung des „Eingaben-Königs“

Peter Eisenfeld nahm das offiziell stets geforderte „gesellschaftliche Engagement“ jedoch sehr viel ernster, als die SED dies aushielt. Kaum zurück aus der Sowjetunion, wurden ihm in der DDR die Diskussionen in seiner Gewerkschaftsgruppe verboten. Die Stasi begann, Peter Eisenfeld und seine ebenfalls systemkritischen Geschwister zu überwachen. Als 1968 der Entwurf für eine neue Verfassung der DDR veröffentlicht wurde, schrieben Peter Eisenfeld und sein Zwillingsbruder Bernd ausführliche Kommentare. Peter Eisenfeld beschritt auch danach den Weg, alle legalen Möglichkeiten zur Kritik am Staatssozialismus zu nutzen. Sein Bruder sollte ihn deshalb später einmal als „Eingaben-König“ bezeichnen.

Dabei waren schon seit der Niederschlagung der Reformbewegung des Prager Frühlings 1968 die politischen Fronten für Peter Eisenfeld geklärt, die Hoffnungen auf einen demokratischen Sozialismus begraben. Protest führte zur Verhaftung des Bruders und zur fortwährenden Stasi-Überwachung von Peter Eisenfeld. Seine Fähigkeiten als Übersetzer wurden gebraucht, aber Aufstiegschancen blieben ihm verwehrt. Beschwerden und Eingaben folgten, nicht nur in eigener Sache. Seit Mitte der 1970er Jahre schrieb Peter Eisenfeld Briefe an die DDR-Prominenz aus Kunst und Literatur, etwa Fritz Cremer, Anna Seghers, Stephan Hermlin und Hermann Kant. Peter Eisenfeld forderte sie auf, ihre Kunst mit intellektueller Lauterkeit zu verbinden. Ende der 1970er Jahre wurde die zunehmende Militarisierung der DDR ein zentrales Thema seines Protests.

Letzter Ausweg Ausreiseantrag

In den 1980er Jahren setzte sich Peter Eisenfeld für Ausreise-Antragsteller aus seinem Kollegen- und Freundeskreis ein, die Repressalien bis hin zur Haft erlebten. Neben Briefen und Eingaben verfasste Peter Eisenfeld ausführlich recherchierte Studien, so als Antwort auf eine Publikation von Jürgen Kuczynski eine Streitschrift zu Menschenrechts-Fragen in der DDR. In den 1980er Jahren schloss sich Peter Eisenfeld kirchlichen Basisgruppen in Dresden an. Angesichts zunehmender Repressalien entschloss sich die Familie Eisenfeld im Dezember 1985 schließlich zu einem Ausreiseantrag, der 16 Monate später bewilligt wurde.

In der Bundesrepublik erwarteten Peter Eisenfeld bürokratische Herausforderungen – die Anerkennung von Studienabschlüssen, der deutschen Staatsbürgerschaft seiner Ehefrau und sein Status als politisch Verfolgter mussten erstritten werden. Peter Eisenfeld war vorerst freischaffend in der politischen Bildung tätig, hielt Vorträge über die SED-Diktatur und arbeitete als Übersetzer.

Bürgerberater und Autor

1990 wurde er Mitarbeiter des Gesamtdeutschen Instituts in Berlin, 1992 der Senatsverwaltung für Inneres und ab 1994 des Berliner Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen. Als Bürgerberater und in der Beratung der öffentlichen Verwaltung konnte er hier auf sein jahrzehntelanges Engagement und seine Lebenserfahrung aufbauen. Die Funktionsweise des SED-Nomenklaturkader-Systems bildete neben der Darlegung von Defiziten bei der Rehabilitierung politisch Verfolgter in der DDR einen besonderen Schwerpunkt seiner Arbeit.

Peter Eisenfeld gehört zu den Mitherausgebern des im Jahr 2000 erschienen Lexikons „Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur“. 2002 erschien als erster Band der Reihe „Biografische Quellen“ sein Buch „rausschmeißen … 20 Jahre politische Gegnerschaft in der DDR“.

Peter Eisenfeld hat in der SED-Diktatur alle legalen Möglichkeiten ausgelotet, staatliche Zwänge und Vorschriften nicht passiv hinzunehmen. Diese Haltung macht Leben und Wirken unseres ehemaligen Kollegen außergewöhnlich.