Kunstwerke im Haus der Bildung – Von Glasfluss bis Bronzeguss

Im HAUS der BILDUNG, Boddinstraße 34, möchten wir Sie auf vier Kunstwerke aufmerksam machen, die zwischen 1985 und 1994 entstanden sind. Sie befinden sich auf der Etage unserer Otto-Suhr-Volkshochschule. Erfahren Sie im Folgenden etwas über ihre Entstehungsgeschichte.

„Kunstwerke im Haus der Bildung – Von Glasfluss bis Bronzeguss“ ist ein Audioprojekt des Bezirksamtes Neukölln, Abteilung Bildung, Schule, Kultur und Sport, Amt für Weiterbildung und Kultur. Projektleitung: Bärbel Ruben, Recherche und Texte: Angelika Reichmuth. Entstanden 2021.

Begrüßung

Audioversion

Begrüßungstext
Quelle: Lokaler Server
Formate: audio/mp3

Übersicht

Station 1 - Professor Otto Suhr

Bronzebüste von Karla Gänßler, 1994

Die Entstehung der Bronzebüste

Die Entstehung der Bronzebüste
Quelle: Lokaler Server
Formate: audio/mp3

Otto Suhr als Namensgeber der Volkshochschule Neukölln

Otto Suhr als Namensgeber der Volkshochschule Neukölln
Quelle: Lokaler Server
Formate: audio/mp3
Bronzebüste Otto Suhr VHJS Neukölln

Otto Suhr war von 1955 bis zu seinem Tod 1957 Regierender Bürgermeister von Berlin. Ihm zu Ehren wurde der Volkshochschule Neukölln ein Jahr später sein Name verliehen. Im Bezirk war der SPD-Politiker nicht nur aus der Zeitung und den Nachrichten bekannt. Viele hatten ihn im Neuköllner Rathaus erlebt, wo er auf Volkshochschulveranstaltungen zu politischen Themen sprach. Oft schlossen sich lebhafte Diskussionen bis in die späten Abendstunden an.

Seit dem zweiten Weltkrieg und dem Zusammenbruch des Naziregimes waren erst wenige Jahre vergangen. Es war eine Zeit des Neubeginns – Demokratie musste gelernt werden. Deshalb wollte Otto Suhr die Berliner Volkshochschulen verstärkt zu Stätten der politischen Erwachsenenbildung machen. Neben seiner Arbeit als Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses leitete Suhr 1948 bis 1955 die Deutsche Hochschule für Politik. Mit deren Ringvorlesungen entstand ein enger Kontakt zwischen der Hochschule und der Volkshochschule Neukölln.

1994 wäre Otto Suhr 100 Jahre alt geworden. Die Bildhauerin Karla Gänßler schuf aus diesem Anlass eine Bronzebüste. Als erstes fällt die Dynamik des Werkes auf. Während klassische Porträtbüsten eher statisch wirken, sehen wir hier eine Person in lebhafter Bewegung mit seitlich gewendetem Kopf. Mit seiner linken Hand wie im Gespräch gestikulierend, scheint der Dargestellte sein Gegenüber – vielleicht eine Einzelperson, vielleicht eine Gruppe – von einem Gedanken überzeugen zu wollen. Das kluge Gesicht ist konzentriert und freundlich zugewandt, die Handbewegung wie eine Einladung zur Diskussion. Der Betrachter wird durch die Darstellung aktiv in das Werk mit einbezogen und emotional angesprochen. Das Bildnis spiegelt sowohl den kämpferischen politischen Redner als auch den Lehrer und Aufklärer wider.

Der aus Norddeutschland stammende Otto Suhr, stets mit Fliege in korrekter Kleidung, galt als zurückhaltend, aber im persönlichen Kontakt als liebenswürdiger, humorvoller Mensch. Auch von dieser leisen Verschmitztheit hat Karla Gänßler etwas in seinen Zügen festgehalten. Durch die Materialoberfläche entsteht eine lebendige, dynamische Wirkung. Die Bronze hat eine raue unruhige Struktur, sodass je nach dem Einfall des Lichtes immer wieder neue Facetten sichtbar werden.

Um einen Zugang zur Persönlichkeit Otto Suhrs zu bekommen, studierte die Künstlerin seine Schriften und Filmmaterial aus den 1950er Jahren. Zahlreiche Fotos, vor allem auch die Totenmaske, dienten ihr als Arbeitsgrundlage. In der Rückschau schreibt sie über den künstlerischen Annäherungsprozess: „Ich muss sagen, dass ihm meine Sympathie gehörte. Ich habe vor allem versucht, die heitere, aufgeweckte Seite in ihm zu erfassen.“

Karla Gänßler wurde 1954 in Thüringen geboren. Sie studierte in Leipzig Kunsterziehung und Geschichte und wurde Facharbeiterin für Keramtechnik im Steingutwerk Torgau. Danach machte sie eine klassische Bildhauerausbildung an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Karla Gänßler arbeitet als Bildhauerin, Keramikerin und Grafikerin freischaffend in Berlin und in der Uckermark.

Station 2 - Kunst zum Mitmachen von Bürgern für Bürger 1986 - 1989

von Ilsebill Zintel und Helge Wütscher

Von der Mosaikfabrik in die Volkshochschule

Von der Mosaikfabrik in die Volkshochschule
Quelle: Lokaler Server
Formate: audio/mp3

Das Mosaikkunstwerk

Das Mosaikkunstwerk
Quelle: Lokaler Server
Formate: audio/mp3
Mosaik in der VHS Neukölln

Stellen Sie sich ein altes märchenhaftes Gebäude vor, verziert mit farbenprächtigen Mosaiken und einer golden in der Sonne funkelnden Schornsteinsäule. Stellen Sie sich vor, Bagger rücken an – und räumen die ganze Schönheit kurzerhand für eine geplante Autobahn weg!

So geschah es 1972 mit der „Zauberburg“ genannten Neuköllner Mosaikfabrik Puhl & Wagner. Das 1889 gegründete Unternehmen war im In- und Ausland berühmt für die Herstellung wertvoller Mosaike und Glasfenster. Nach 80 Jahren kam der Konkurs. Trotz heftiger Proteste gab es keine Rettung für den von Franz Schwechten im neoromanischen Stil entworfenen Gebäudekomplex. Lediglich die restlichen Mosaiksteine durften Interessierte bei der Lagerräumung bergen.

Der Volkshochschule Neukölln wurden Kisten mit den einzigartigen Glassteinen in vielen Farbvarianten überlassen. Was tun mit diesem Schatz? Ein Mosaik von Bürgern für Bürger sollte es werden – für das neue Haus der Volksbildung in der Boddinstraße. 1984 übernahmen Ilsebill Zintel und Helge Wütscher die Leitung des ehrgeizigen Gemeinschaftsprojektes.

Ilsebill Zintel hatte Bildweberei studiert. Diese Technik erfordert einen – man könnte heute sagen – pixeligen Blick. So wie beim Weben Faden um Faden ein Bild ergibt, setzt sich ein Mosaik aus vielen kleinen Teilen zusammen. Der Künstler Helge Wütscher kam aus Nürnberg. Er hatte für die Universität Bamberg bereits ein großes Mosaik geschaffen.

Unter dem Motto „Kunst zum Mitmachen von Bürgern für Bürger“ nutzen etwa zehn Kunstinteressierte in drei Semestern die Chance, ihre Ideen zu skizzieren und kleine Probemosaike zu gestalten. Die heterogenen Entwürfe der Seminargruppe flossen später ein in die Komposition des großen Mosaiks, das von Ilsebill Zintel und Helge Wütscher gemeinsam geschaffen wurde.

In einem Kellerraum legten sie die Steine aus, klebten sie mit Papier ab und setzten sie so miteinander verbunden an der eingerüsteten Wand in den feuchten Zement ein. Zuvor musste der alte Putz an den mit Schablonen gekennzeichneten Stellen abgeschlagen werden. Eine aufwändige Arbeit! Anfang 1989 wurde das Mosaik der Öffentlichkeit präsentiert.

Das Wandbild. mittlerweile mehrere Jahrzehnte alt, strahlt, nicht nur Dank des wunderbaren Materials, auch heute noch eine zeitlose Frische aus. Es ist eine Synthese aus Altem und Neuem. Streng symmetrische klassische Ornamente kontrastieren mit eher locker angeordneten, malerisch und modern wirkenden Flächen.

In der Mitte der Wand befindet sich eine Tür. Die Künstler gestalteten sie in Blau und Gelb und machten sie so zum Teil des Bildes. Sie arrangierten um die Tür herum die einzelnen Elemente zu einer bildhaften Erzählung mit poetischer Wirkung, die offen für Interpretationen ist. Ideen der Kursteilnehmer werden so Teil einer Geschichte. Die aufsteigende Dynamik des goldschimmernden Vogels gibt ihr eine optimistische Stimmung. Wie Phönix aus der Asche entsteht aus den magisch glänzenden Steinen der alten Mosaik-Fabrik zusammen mit Porzellan- und Keramikbruchstücken etwas Neues.

Station 3 - Neukölln

Gemeinschaftsarbeit eines Emailkurses unter Leitung von Elisabeth Rothe, 1988

Die Technik des Emaillierens

Die Technik des Emaillierens
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Die Entstehung des Kunstwerks „Neukölln“

Die Entstehung des Kunstwerks „Neukölln“
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Gemeinschaftsarbeit eines Emailkurses in der VHS Neukölln

„Beim Aufschmelzen von Glas auf Metall haben wir es mit zwei spröden, … widersprüchlichen Materialien zu tun, ein Umstand, der uns Umsicht und Geduld abverlangt, angenehme und unangenehme Überraschungen bringt und uns ständig aufs Neue in Spannung versetzt, denn der eigenwillige Charakter dieses Glasflusses und seiner tausendfältigen Farbspiele erweist sich bei jeder Arbeit, bei jedem Brand, aufs Neue als faszinierend.“

So beschrieb die Emailkünstlerin Elisabeth Rothe die Technik des Emaillierens. Ihre Kurse an der Volkshochschule waren beliebt. In gemeinschaftlicher Arbeit war bereits das Emailbild „Selbstportraits am Schmelzofen“ entstanden. 1988 enthüllte Elisabeth Rothe im Raum 120 im Haus der Bildung das Wandbild „Neukölln“, das sie mit zehn Teilnehmenden ihres Emailkurses gestaltet hatte. An den Unterschriften erkennen wir, dass einige Fortgeschrittene schon beim ersten Gemeinschaftsprojekt dabei waren, stellvertretend seien Monika Laub, Ingeborg Ganz und Maria Jakobi genannt.

Rotbraune Klinkerriemchen deuten die Umrisse des Bezirks Neukölln an. Von Nord nach Süd sind darauf emaillierte Kupferplatten mit charakteristischen Stadtansichten verteilt. Die Hobbykünstler hatten seit 1987 Motive gesammelt und Entwürfe gezeichnet. Die eigentliche Herausforderung begann mit der handwerklichen Ausführung. Die Platten wurden bis zu sechsmal im Ofen gebrannt. Unterschiedliche Handschriften sind erkennbar, ergeben aber durch die brillanten Farben des Emails einen harmonischen Gesamteindruck. Anders als bei den Selbstportraits konnte hier jedes Motiv für sich stehen. So entstanden bezaubernde Miniaturen mit liebevoll gestalteten Details.

Über allem thront das Neuköllner Rathaus, darunter das Bezirkswappen und die alte Rixdorfer Schmiede. Östlich sehen wir Schleuse und Hafen am Schifffahrtskanal. Die Mitte nimmt, sehr repräsentativ, das Britzer Schloss ein. Im Süden gruppieren sich um die Neubauten der Gropiusstadt die idyllisch gelegenen Dorfkirchen von Rudow und Buckow, der auf dem Gelände der Bundesgartenschau entstandene Britzer Garten und die Hufeisensiedlung. Das U-Bahnzeichen symbolisiert die Linie U 7, die den Bezirk vom Herrmannplatz bis Rudow verbindet.

Elisabeth Rothe wurde 1930 in Groß Besten, dem heutigen Bestensee, geboren. Sie studierte an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin zunächst Malerei und spezialisierte sich dann auf das Emaillieren. Bis 1991 arbeitete die freischaffende Künstlerin an mehreren Westberliner Volkshochschulen als Dozentin. Als engagierte Tierschützerin protestierte sie mit aufrüttelnden Gemälden gegen pharmazeutische Tierversuche. 1992 verstarb Elisabeth Rothe im Alter von 62 Jahren.

Station 4 - Selbstportraits vor dem Schmelzofen

Emailkurs von Elisabeth Rothe, 1985

Die Entstehung und Technik der Selbstporträts

Die Entstehung und Technik der Selbstporträts
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Die Bildkomposition des Kunstwerks

Die Bildkomposition des Kunstwerks
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Gemeinschaftsarbeit eines Emailkurses in der VHS Neukölln

Aus Protest gegen Kahlschlagsanierungen entbrannte in den 1970er Jahren der Kampf um eine Stadterneuerung ohne Verdrängung – auch mit den Mitteln der Kunst. Inspiriert von mexikanischen Wandmalereien setzte sich in Westberlin die Künstlergruppe Ratgeb mit ihren Fassadenbildern für dieses Ziel ein. In der Volkshochschule Neukölln boten die Künstler den Kurs „Wandmalerei für alle“ an. In Gemeinschaftsarbeit entstanden hier Bilder für den Innen- und Außenbereich im öffentlichen Raum, unter anderem für das Gesundheitszentrum Gropiusstadt. Die Volkshochschule veranstaltete sogar Stadtrundfahrten zu Fassadenbildern in der Stadt. Das wirkte inspirierend.

1984 begann auch die Emailkünstlerin Elisabeth Rothe zusammen mit den Fortgeschrittenen ihrer Kurse ein herausforderndes Projekt. Hatten sie bisher individuell vor allem kleine Schmuckstücke und Schalen gestaltet, wagten sie sich nun an ein großes Gemeinschaftsbild. Selbstportraits sollten es sein – eine besonders schwere Aufgabe, wenn sie in Email ausgeführt wird.

Vorstellungen von elf Mitwirkenden mussten nun von der Kursleiterin unter einen Hut gebracht werden. Nach dem Planungssemester mit Vorzeichnungen und Pausen der Entwürfe begann die im wahrsten Sinne des Wortes „heiße Phase“ der Arbeit – das Brennen der einzelnen Kupferplatten. Zwischen 700 und 800°C liegt der Schmelzpunkt des aufgetragenen Emails, das aus Quarzsand und Metalloxyden besteht. Was den Prozess schwierig, aber auch besonders spannend macht: Das Pulver oder Granulat verändert durch die Hitzeeinwirkung seine Farbe!

In der Gruppe wurde viel über Korrekturen diskutiert, nicht jeder war zunächst mit seinem Selbstportrait zufrieden. Da Glasurfarben sich nicht mischen lassen und jede Farbe ihren gesonderten Brand erfordert, mussten schwierige Partien wie die Gesichter bis zu achtmal gebrannt werden. Die Arbeit an den Details war vor allem deshalb schwer, weil man den geplanten Zusammenhang zwischendurch nicht überprüfen konnte. Schließlich montierte die Kursleiterin die 36 Einzelteile und den Kupferrahmen auf einer Holzplatte.

Wir sehen auf dem kontrastreichen farbkräftigen Bild Frauen und Männer mit konzentrierten Gesichtern, die sich um den orange glühenden Brennofen versammelt haben. Im Vordergrund wird eine Portraitskizze angefertigt und das Emailpulver mit Hilfe eines Siebes auf eine Platte aufgetragen. Bei aller Individualität der Charaktere, die sich auch stilistisch bemerkbar macht, wirkt die Gruppe als eine geschlossene Einheit. Die Bildkomposition spiegelt so den schöpferischen Anteil jedes Einzelnen bei dieser kollektiven Arbeit wider. Unten im Rahmen sind die Signaturen der Mitwirkenden eingraviert.

Die Frau in Rot, die wir im Profil auf der rechten Seite sehen, stellt Elisabeth Rothe dar. Auch wenn sie auf dem Bild nur wie eine bescheidene Randfigur wirkt, so liefen doch in der Realität alle Fäden bei ihr zusammen. Ihr kunsthandwerkliches Wissen, aber auch ihr Organisationstalent und Engagement trugen entscheidend dazu bei, dass dieses Gemeinschaftsbild in drei Semestern entstand.