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Sehenswürdigkeiten in Mitte
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Mit der Bücherverbrennung auf dem Bebelplatz zelebrierten die Nazis 1933 mitten in Berlin ein schauriges Ritual. Heute erinnert ein besonderes Denkmal daran.
Mitten in Berlin, im Zentrum der deutschen Hauptstadt, hat der Künstler Micha Ullman auf dem Bebelplatz eine beklemmende Erinnerung an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten vor über 80 Jahren geschaffen: Mitten auf dem Bebelplatz öffnet sich der Boden. Durch eine Glasscheibe blicken die Passanten in einen weißen, leeren Raum, auf Regale einer Bibliothek ohne Bücher.
Mit der Bücherverbrennung am 10. Mai 1933 wollte das NS-Regime die Universitäten auf ihre «Blut-und-Boden»-Ideologie einschwören. Kaum mehr als drei Monate nach dem Machtantritt Adolf Hitlers sollten die Scheiterhaufen deutlich machen: Die «nationalsozialistische Revolution» würde nicht haltmachen «vor den Tischen, an denen gedichtet und geschrieben wird», wie es der NS-Autor Hanns Johst wenig später schrieb.
Studenten und Professoren sollten ihre Loyalität beweisen. Bereits Anfang April 1933 hatte die Deutsche Studentenschaft die Universitäten zur Mobilisierung gegen den «jüdischen Zersetzungsgeist» aufgerufen. Die Studenten als «geistige SA» - an jeder Hochschule wurden «Kampfausschüsse» gebildet. Jeder sollte zunächst die eigenen Regale nach «zersetzendem Schrifttum» durchforsten, Stadt- und Volksbüchereien mussten sich ebenfalls an der Säuberung beteiligen.
Der Aufruf traf einen Nerv. Die jungen Menschen, die um 1930 das Erwachsenenalter erreicht hatten, waren im Ersten Weltkrieg an das Freund-Feind-Denken gewöhnt worden. «Antisemitismus wurde zum Gemeingut der Deutschen», schreibt der Historiker Götz Aly in seinem Buch «Warum die Deutschen? Warum die Juden?» Der Buchhandel unterstützte die Nationalsozialisten tatkräftig bei der Auslese. Das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels veröffentlichte die Verbotslisten. Ob die Bücher von Heinrich Mann, Erich Kästner, Arthur Schnitzler, Lion Feuchtwanger, Kurt Tucholsky oder Sigmund Freud – sie galten als «unsittlich» und «dekadent».
Der Druck auf die Bibliotheken war immens, die Eskalation wohlüberlegt geplant. Am 6. Mai 1933 inszenierten die Nazis Plünderungen von Büchereien und Buchhandlungen, tausende Bände wurden abtransportiert. Allein in Berlin beschlagnahmten die Nazis beim Überfall auf das Institut des Sexualwissenschaftlers Magnus Hirschfeld mehr als zehntausend Werke. Von Königsberg bis Karlsruhe– die Aktion lief weitgehend nach dem gleichem Muster ab: Im Fackelschein versammelten sich am 10. Mai die Studenten im Stadtzentrum. Die Vernichtung zielte auf die geistigen Grundlagen der von den Nazis verhassten Weimarer Republik. Die Nation sollte unter Beweis stellen, dass sie sich «innerlich und äußerlich gereinigt hat», wie es NS-Propagandachef Joseph Goebbels sagte.
In Berlin zogen die Studenten mit Fackeln von der Universität über die Museumsinsel in die Oranienburger Straße. Dort warteten Lastwagen mit etwa 25.000 Büchern. Dann bewegte sich der Zug in Richtung Opernplatz. Es herrschte Volksfeststimmung: Eine Blaskapelle spielte auf, tausende Schaulustige säumten die Strecke für das gespenstische Ritual. Unter den etwa 70.000 Menschen waren Professoren in Talaren, Mitglieder von Studentenverbindungen, Verbände von SA, SS und Hitler-Jugend. Weil es an dem Abend regnete, mussten die Nazis dem Feuer mit Benzin nachhelfen.
Zur Vorbereitung wurden zwölf «Feuersprüche» verteilt, die bei der Verbrennung aufgesagt wurden. «Gegen Klassenkampf und Materialismus, für Volksgemeinschaft und idealistische Lebenshaltung», hieß etwa die Losung, mit der Schriften der Kommunismus-Theoretiker Karl Marx und Karl Kautsky in Flammen aufgingen. Als am nächsten Morgen die Stadtreinigung antrat, blieb von den 20.000 Büchern nur Asche aus Papier übrig. Ein Jahr später standen auf «schwarzen Listen» mehr als 3000 Titel.
Schon lange vor der offenen Verfolgung hatten es die Nazis auf unliebsame Autoren abgesehen, etwa auf Erich Maria Remarque und seinem Antikriegs-Roman «Im Westen nichts Neues». Sie überzogen den Autor mit einer beispiellosen Hetzkampagne. In Hamburg verbrannten Studenten 1929 öffentlich den Versailler Friedensvertrag und die Weimarer Verfassung. Carl von Ossietzky, Herausgeber der politischen Zeitschrift «Die Weltbühne, wurde 1931 der Prozess gemacht. Später wurde der Journalist und Pazifist im Konzentrationslager eingesperrt und schikaniert. Die schweren Haftfolgen überlebte er nicht.
Es sei ein merkwürdiges Gefühl, ein verbotener Schriftsteller zu sein und seine Bücher nie mehr in den Regalen und Schaufenstern der Buchläden zu sehen, schrieb Erich Kästner später. «In keiner Stadt des Vaterlands. Nicht einmal in der Heimatstadt. Nicht einmal zu Weihnachten, wenn die Deutschen durch die verschneiten Straßen eilen, um Geschenke zu besorgen.»
Die Bücherverbrennung war der Höhepunkt einer von langer Hand geplanten «Aktion wider den undeutschen Geist»- und nicht nur am damaligen Berliner Opernplatz brannten am 10. Mai 1933 die Bücher. In mehr als 20 deutschen Städten eröffneten die Nazis die Hetzjagd auf Deutschlands Kultur, auf viele der bekanntesten Schriftsteller dieser Jahre und ihre Werke. Traurig genug, aber diese Aktionen waren nicht einmalig in der deutschen Geschichte. Schon 1817 hatten deutschnationale Studenten auf ihrem Wartburgfest zur Erinnerung an die «Völkerschlacht» gegen Napoleons Truppen den «Code Napoléon» und Werke jüdischer Autoren ins Feuer geschleudert. «Dies war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen», schrieb der Dichter Heinrich Heine (1797-1856). Er behielt Recht: Die NS-Bücherverbrennung war nur das Vorspiel zum Mord an Europas Juden.
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