Interview mit Prof. Oliver Günther

Grafische Darstellung einer Skyline mit Windrädern

Prof. Oliver Günther ist Präsident der Universität Potsdam und Jury-Vorsitzender des Innovationspreises Berlin Brandenburg. Mit dem Innovationspreis würdigen die beiden Länder Berlin und Brandenburg jährlich innovatives und herausragendes unternehmerisches Schaffen. Mit der Einbindung von Wirtschaftsunternehmen und weiteren Institutionen als private Partnerinnen und Partner ist der Preis zugleich ein Preis der Wirtschaft für die Wirtschaft. Wir haben mit Prof. Günther über die Bedeutung von Innovationen für eine klimafreundliche Metropolregion gesprochen.

Portraitfoto von Prof. Oliver Günther

Die KEK ist ein Instrument des Berliner Senats, um die Klimaschutzziele des Landes – nämlich Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 – zu erreichen. Aus Ihrer Perspektive, Herr Günther: Wie sehr hängt der wirtschaftliche Erfolg der Metropolregion mit einer größeren Energie- und Ressourceneffizienz zusammen?

Investitionen in ökologische Projekte kosten natürlich erst einmal Geld, sie sind mittel- und langfristig aber essenziell, und zwar nicht nur aus ökologischer, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht. Denken Sie nur an die Geschichte der Photovoltaik. Deutschland war vor gut zehn Jahren noch Weltmarktführer in der Herstellung von Photovoltaikanlagen. Auch aufgrund des Rückgangs der staatlichen Förderungen haben sich deutsche Unternehmen seitdem fast komplett aus der Produktion zurückgezogen. Hätte man die Produktion von Photovoltaikanlagen in dieser frühen Phase, in der allerdings noch kaum Gewinne erzielt werden konnten, weiterhin subventioniert, wären wir wahrscheinlich noch immer weltweit führend, und die Subventionen hätten sich auch aus Sicht des Steuerzahlers mit hoher Wahrscheinlichkeit rentiert. Siehe China. Natürlich ist man hinterher immer schlauer.

Aber genau um diese Weitsicht geht es bei Innovationen. Sie stellen Lösungen für heutige, vor allem aber für zukünftige Probleme dar. Entscheidend ist, ihr Potenzial möglichst früh zu erkennen. Höhere Energie- und Ressourceneffizienz spielen dabei eine große Rolle. Wer es schafft, Prozesse energie- und ressourcenschonender zu gestalten, wird letztlich auch wirtschaftlich erfolgreich sein. Entscheidend ist es, diese „Gamechanger“ zu finden. Mit dem Innovationspreis Berlin Brandenburg tun wir genau das.

Sie sind bereits seit 2019 Mitglied der Jury des Innovationspreises: Wie hat sich die Innovationslandschaft in den vergangenen Jahren geändert? Nehmen bspw. Innovationen – sei es in Bezug auf Technologie oder Geschäftsmodelle – in den Bereichen Energie- und Ressourceneffizienz, Kreislaufwirtschaft oder Klimaschutz allgemein zu?

Auf jeden Fall nehmen sie zu. Wo es vor fünf Jahren noch ausschließlich um den wirtschaftlichen Erfolg ging, wird nun vermehrt die Frage gestellt, wie sich Profitabilität und ökologische Aspekte kombinieren lassen. Grund hierfür ist nicht nur die Dringlichkeit der ökologischen Wende, sondern das Wesen von Innovation an sich. Da geht es eben immer auch um Themen wie höhere Effizienz oder Prozessoptimierung. Dies kann zunehmend mit dem Ziel der Ressourcenschonung kombiniert werden. Wir sehen hierfür Beispiele in jedem einzelnen Cluster der gemeinsamen Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB 25): Gesundheitswirtschaft, Energietechnik, Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT), Medien und Kreativwirtschaft, Optik und Photonik sowie Verkehr, Mobilität und Logistik.

In welcher Hinsicht sehen Sie Innovationen als fundamental an für den Weg hin zu einer ökologischen und ökonomischen Transformation?

Innovationen sind essenziell, um die Metropolregion und unsere Gesellschaft insgesamt weiter voranzubringen und zukunftsfähig zu machen. Auch wenn wir in Berlin und Brandenburg und auch in den anderen Bundesländern auf einem guten Weg sind, was die ökologische Transformation angeht, haben wir noch viel Arbeit vor uns. Die Lösung kann nicht sein, irgendwann einfach das Licht auszuschalten. Entscheidend ist vielmehr, Wege zu finden, um wirtschaftliches Handeln und ökologisches Denken in Einklang zu bringen. Menschen lassen sich nicht gern vorschreiben, wie sie zu leben haben. Deshalb ist es wichtig, über Innovationen die Bedarfe der Menschen auch unter den Aspekten der Nachhaltigkeit erfüllen zu können. Dafür braucht es Unternehmen, die diese Aspekte in ihre Überlegungen einbeziehen und auf diese Weise nicht nur wirtschaftlich erfolgreich sind, sondern maßgeblich zur gesamtgesellschaftlichen Entwicklung beitragen. Solche Unternehmen sehen wir auch bei den Einreichungen zum Innovationspreis, und solche Projekte zeichnen wir dann auch aus.

In welchen konkreten Bereichen sehen Sie oder erwarten Sie Innovationen, die gerade die Energie- und Ressourceneffizienz (bzw. allgemeiner: den Klimaschutz) im produzierenden Gewerbe deutlich voranbringen können?

Hier gibt es unglaublich viele Ansätze und Ideen. Das Cluster Energietechnik in der Region Berlin-Brandenburg ist beispielsweise führend bei der Entwicklung von Smart Grids, Speicherkonzepten und innovativen Lösungen zur Synchronisierung von Energiebedarf und Energieangebot. Mit wichtigen industriellen Playern, Zulieferern, Betreibern und Wissenschaftseinrichtungen sowie maßgeblichen Positionen in wichtigen FuE-Projekten verfügt die Region in der Kombination von Metropole und Flächenland über alle erforderlichen Kompetenzen, um komplexe Systeme für die nachhaltige Energieversorgung der Zukunft zu realisieren. Ein Thema, das gerade so richtig Fahrt aufnimmt, ist die Produktion von grünem Wasserstoff aus überschüssiger Energie bestehender Windkraftanlagen. Brandenburg ist durch seinen großen Anlagenbestand ein ausgezeichneter Standort zur Energiegewinnung und direkten Nutzung in der bestehenden Industrie in der ganzen Metropolregion.

Welche Rolle spielen Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft als Anreize oder Ausgangspunkte für Innovationen?

Die Integration von Energieeffizienz und Kreislaufwirtschaft in bestehende Wirtschaftsprozesse ist eine essenzielle Voraussetzung für die ökologische Wende. Es geht nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“. Unternehmen wissen dies ganz genau. Um auch zukünftig wirtschaftlich erfolgreich sein zu können, schauen sie sich zunächst den Stand der Dinge an. Wo gibt es Ineffizienzen? Wie können sich Synergien zwischen einzelnen Wirtschaftssegmenten herstellen lassen? Welche Innovationen lassen sich für bestehende Wirtschaftskreisläufe nutzen, und wo besteht noch Innovationsbedarf? Wenn diese Aspekte klug abgewogen werden, lassen sich Ökonomie und Ökologie in vielen Fällen erfolgreich kombinieren.

Welche Faktoren sehen Sie in Berlin und Brandenburg, die diese Region zu einem sehr guten Standort für derartige Innovationen machen? Oder anders gefragt: Auf welchen Stärken der Region sollten wir aufbauen, um diese so klimafreundlich und zukunftsfähig wie möglich zu gestalten?

Die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg ist bereits jetzt ein innovativer Standort mit zahlreichen starken und dynamischen Unternehmen, Forschungsleuchttürmen und Wissenschaftseinrichtungen von Weltruf. Im Rahmen der Innovationsstrategie der Länder Berlin und Brandenburg (innoBB 25) ist es gelungen, die Stärken der Region weiter zu bündeln und die Akteure in den neu geschaffenen Clustern noch mehr zu einem gegenseitigen Austausch zu bringen. Diesen Weg gilt es weiterzuverfolgen. Der Vorteil unseres Standorts ist die einmalige Verknüpfung von Wissenschaft und Produktion, die so eng miteinander vernetzt sind wie an kaum einem anderen Ort. Wenn diese Synergien weiter ausgebaut und gefördert werden, kann die Metropolregion zu einem Aushängeschild für die gesellschaftliche Transformation werden, das klarmacht, dass wirtschaftliche Stärke und ökologisch-nachhaltiges Wirtschaften keine Gegensätze sein müssen.

Das Interview mit Prof. Oliver Günther wurde im Oktober 2024 geführt.