Interview mit Janine Mügge

Auto wird mit dem Recyclingsymbol abgebildet

Im Rahmen unserer Interviewreihe zum Förderprogramm DigiRess gibt uns Janine Mügge, stellv. Abteilungsleiterin am Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK, Einblicke in das Forschungsprojekt Digma-DT, welches sich mit Zirkularität in der Fahrzeugverwertung befasst.

Portraitfoto von Janine Mügge

Ihr Projekt nimmt die Fahrzeugverwertung in den Blick. Wie verschiebt sich die Wertschöpfung in dieser Branche und wo liegen Potenziale für neue, zirkuläre Geschäftsmodelle?

Der neue Entwurf der Altfahrzeugverordnung sieht eine Erhöhung des Rezyklatanteils in Neufahrzeugen vor, wobei diese recycelten Materialien unter anderem aus Altfahrzeugen stammen müssen. Dies bedeutet, dass Fahrzeugverwerter zukünftig als Lieferanten in der automobilen Wertschöpfungskette agieren werden. Diese Entwicklung fördert zirkuläre Geschäftsmodelle, in denen Recycling und Wiederverwendung im Mittelpunkt stehen. Potenziale ergeben sich durch engere Partnerschaften zwischen Herstellern und Verwertern sowie durch digitale Plattformen, die die Rückverfolgbarkeit und den Handel mit recycelten Materialien und Komponenten erleichtern.

Ein instrumentales Konzept zur Schließung von Kreisläufen ist das Circular Product Design. Können aus der in Ihrem Projekt angestellten Lebenszyklusbetrachtung (LCA) Hinweise für ein kreislauffähiges Fahrzeugdesign und ggfs. auch Rahmenbedingungen abgeleitet werden?

Aktuell liegt der Fokus im Forschungsprojekt Digma-DT auf der Digitalisierung und Nachhaltigkeitsbewertung von Verwertungsprozessen. Grundsätzlich ist es aber durchaus möglich wertvolle Informationen vom Lebensende als Feedback-to-Design an die Produktentwicklung zurückzuspielen. Ein Beispiel hierfür, welches auch mit dem neuen Vorschlag der Altfahrzeugverordnung in Zusammenhang steht, ist die Trennung von Materialien wie Kunststoffen oder Glas, um deren Recyclingfähigkeit zu verbessern. Es können wichtige Informationen über die Demontierbarkeit, die Demontagezeiten sowie die damit verbundenen CO2-Emissionen übermittelt werden, sodass die Produktentwicklung hinsichtlich der Kreislauffähigkeit optimiert werden kann.

Gibt es andere Branchen, auf die die Lösungsansätze aus Digma-DT übertragen werden könnten?

Das methodische Vorgehen zur Ermittlung des CO2-Fußabdrucks kann auf weitere Branchen übertragen werden, da hier die ISO-Norm 14040:44 als Grundlage unabhängig dient. Die Herausforderung lag insbesondere bei der Datenerfassung der größtenteils manuellen Prozesse in der Verwertung sowie der Auswahl einer geeigneten Allokationsmethodik. Die Erkenntnisse aus dem Projekt lassen sich beispielsweise auch auf die Luftfahrt übertragen.

Ihr DigiRess-Projekt läuft Ende 2024 aus. Wie werden die Ergebnisse darüber hinaus genutzt und gibt es Ansätze für Folgeprojekte?

Die Berechnung der CO2-Emissionen der Verwertungsprozesse wird zukünftig genutzt, um Transparenz über den gesamten Lebenszyklus zu schaffen. Dies ist eine wichtige Anforderung an einen Zulieferer der Automobilindustrie, die sich auch die Verwerter in Zukunft stellen müssen. Zudem kann der Impact der Kreislaufstrategie “Reuse” aufgezeigt und genutzt werden, um umweltfreundliche Entscheidungen am Lebensende auf Komponentenebene zu unterstützen sowie dem:r Endkund:in zur Verfügung zu stellen.
Es gibt bereits Ideen für Folgeprojekte in Richtung automatisierte Erfassung der Life Cycle Assessment sowie die Erweiterung in den Bereich Recycling.