Interview mit Erik Bossong

Digitales Bild, in der Mitte steht Digital Twin

Im Rahmen unserer Interviewreihe zum Förderprogramm DigiRess gibt uns Erik Bossong, R&D Senior Expert bei GROPYUS Technologies GmbH, Einblicke in die Digitalisierung der Baubranche mit Hilfe von digitalen Zwillingen.

Portraitfoto von Eric Bossong

Die Baubranche gehört zu den ressourcenintensivsten und klimarelevantesten Branchen überhaupt, was Einsparungen in diesem Sektor besonders relevant macht. Können Sie die Einsparungen und positiven Umwelteffekte durch den Einsatz des Eco-Twins quantifizieren?

In einem ersten Schritt wird durch die Schaffung einer durchgängigen digitalen Lösung der Embodied Carbon eines aktuellen Entwurfsstandes des GROPYUS Bausystems mit einer Referenz in konventioneller Bauweise verglichen. Dabei wird die Einsparung im Embodied Carbon vor allem durch einheitliche, vergleichbare Berechnungen ermöglicht und mit Hilfe dieser Analysen im Produktentwicklungsprozess optimiert.
Im zweiten Schritt wird neben der weiteren Optimierung des Embodied Carbon auch der Operational Carbon weiter reduziert. Um dabei eine möglichst effiziente Lösung zu erhalten, hilft der Eco-Twin bei der Schaffung von Vergleichswerten, die es ermöglichen, neue Aufwände für den energiepositiven Betrieb mit dem Herstellungsaufwand, den Austauschzyklen und in der Nachnutzung und den damit zusammenhängenden Umweltwirkungen zu erhalten. Anders als bei anderen Lösungen, die am Markt bekannt sind, kann beim Eco-Twin eine Live- Datenbank im Hintergrund gepflegt werden und dadurch die tatsächliche Verbesserung zu vorherigen Versionen stetig aktuell und nachvollziehbar belegt werden. Daher ist – abhängig vom jeweils betrachteten Szenario (konservative bis progressive Marktentwicklung) – eine lineare bis exponentielle Steigerung des Einsparpotenzials zu erwarten.
Werden jedes Jahr z. B. 44.000 m2 BGF, ohne Berücksichtigung einer Zuwachsrate, gebaut, kann GROPYUS bis 2050 – verglichen mit dem Bau konventioneller Referenzgebäude – ca. 1,4 Mio Tonnen CO2 einsparen. Bei gleichen Ausgangswerten, aber einer Wachstumsrate von 10% jährlich, steigert sich die Einsparung auf etwa 6,6 Mio. Tonnen. Bei einer Steigerung um 30% in den nächsten 5 Jahren und 5% in den Folgejahren beträgt die kumulierte Einsparung ca. 8 Mio. Tonnen CO2. 8 Mio. Tonnen CO2 entsprechen dem jährlichen CO2-Ausstoß von 4,44 Mio. Autos mit einem Streckenaufwand von 15.000 km.

Funktioniert der Eco-Twin ausschließlich für Neubauten, oder kann er auch in Bestandgebäuden eingesetzt werden, um den Altbaubestand nachhaltig zu sanieren?

Der Eco-Twin ist ein Datenmodell zur Erfassung und Analyse von Umweltrelevanten Parametern in verschiedenen Phasen des Lebenszyklus eines Gebäudes, in der Planung, in der Herstellung, im Bau/Montage und in der Betriebsphase. Sind die Daten eines Bestandsgebäudes aufgenommen und datenbankseitig gespeichert, lässt sich Eco-Twin auch für den Bestand nutzen.

In Berlin und anderen deutschen Großstädten gibt es einen großen Gebäudebestand unter öffentlicher Trägerschaft. Welche Rolle kann die öffentliche Hand einnehmen, um Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zukünftig als “the new normal” zu etablieren?

An erster Stelle steht die Analyse des Bestandes. Diese sollte entsprechend energisch angegangen werden. Die gewonnenen Daten sollten in offen zugänglichen Datenbanken erfasst und zur Verfügung gestellt werden. Zugleich sollten Renovieruns- und Sanierungsmaßnahmen gefördert und mit entsprechenden Anforderungen versehen werden: So muss der Bestand zwingend mit nachhaltigen, am besten ebenfalls aus dem Ressourcenbestand gewonnenen Materialien saniert werden. Die öffentliche Hand muss nachhaltige Sanierungsmaßnahmen ausschreiben und den Einsatz nicht nachhaltiger Materialien – z. B. unökologischer Wärmedämmverbundsysteme – ausschließen. Alle Sanierungsmaßnahmen sollten mit der entsprechenden digitalen Ertüchtigung der Gebäude einhergehen und sie so auch für die Zukunft nachverfolgbar machen.

Ihr DigiRess-Projekt läuft Ende 2024 aus. Wie werden die Ergebnisse darüber hinaus genutzt und gibt es Ansätze für Folgeprojekte?

Die Ergebnisse werden natürlich der Weiterentwicklung unseres Ansatzes dienen. Gerade die kontinuierliche Erfassung und Ergänzung unseres Datenbestandes bringt erst den eigentlichen Mehrwert für unser Unternehmen. In Folgeprojekten wollen wir die Optionen des Eco-Twin erweitern und mehr Werkzeuge integrieren. Wir werden uns auch verstärkt um bessere Datenquellen für die eingesetzten Baustoffe bemühen.