Interview mit Alexander Balas

Ein Mann hält eine Plastikflasche auf einem Recyclingband

Take-Back-Systeme, bei denen Hersteller die Rücknahme gebrauchter Produkte anbieten, um sie zu refurbishen oder um Bestandteile im Rahmen des Remanufacturing in anderen Produkten einzubauen, werden immer bekannter. Wie wirkt sich das auf Entsorger aus? Wir haben Alexander Balas Leiter Strategie, Digitalisierung und Entwicklung bei der Berlin Recycling GmbH diese und weitere Fragen zur Abfallwirtschaft in Berlin gestellt.

Portraitfoto von Alexander Balas

Eine spannende Strategie zum Schließen von Ressourcenkreisläufen sind sogenannte Take-Back-Systeme, bei denen Hersteller die Rücknahme gebrauchter Produkte anbieten, um sie zu refurbishen oder um Bestandteile im Rahmen des Remanufacturing in anderen Produkten einzubauen. Dadurch betreten die Hersteller ja das Territorium von Berlin Recycling. Wie finden Sie das und wie ändert sich dadurch Ihre Rolle als Entsorger?

Take-Back-Systeme stellen eine spannende Herausforderung für traditionelle Entsorger dar, da Hersteller zunehmend in den Bereich der Rücknahme gebrauchter Produkte vordringen. Dies führt zu einer neuen Wettbewerbssituation, bietet jedoch auch Chancen zur Kooperation.

Berlin Recycling hat den Anspruch diese Entwicklung aktiv mitzugestalten und die eigene Rolle weiterzuentwickeln – weg vom reinen Abfallmanagement hin zum Wertstoffmanagement, bei dem die Rückführung und Wiederverwertung von Rohstoffen im Vordergrund steht. Diesen Wandel begegnen wir mit technologischen Investitionen und diversen Prozessanpassungen, um in der zunehmend digitalisierten und zirkulären Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei eröffnen sich Möglichkeiten, das eigene Geschäftsmodell zu erweitern, etwa durch die Bereitstellung von Logistikdienstleistungen für Take-Back-Systeme, die digitale Informationserfassung und -bereitstellung (z.B. Im Rahmen von CSR & ESG) und die aktive Förderung zirkulärer Wertschöpfung.

Konkret möchte ich auf unser City-Logistik-Projekt verweisen. Hier testen wir aktuell die gezielte Rücknahme von Alttextilien und Elektrogeräten mittels Lastenrad. Dieser Abholservice wird online bestellt, digital-automatisiert organisiert und dann mit dem Fahrrad abgeholt und dem Recyclingprozess zugeführt. Um in Zukunft unseren Kund:innen weitere Services anzubieten, welche zum Beispiel die Ver- und Entsorgung kombinieren, überlegen wir auch Pakete oder andere Lieferleistungen mit diesem Service zu kombinieren. Eine Entwicklung die mich super freut, mit ganz viel positivem Potential für Berlin, die Bürger:innen der Stadt, den urbanen Verkehr und die Lebensqualität
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Ach, und ohne Kooperationspartner geht das alles nicht. Aber dazu gerne später mehr.

Wahrscheinlich hat jeder von uns schon mal ein Fahrzeug von Google gesehen, das durch die Straßen fährt und Aufnahmen für deren Kartendienste macht. Die Trucks von Berlin Recycling fahren tagtäglich quer durch die Stadt und kennen womöglich jedes Schlagloch. Ließe sich dieses Potenzial nutzen, um für die Stadt relevante Daten zu erheben und auch hier ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln?

Ganz klares JA! Seit Jahren suchen wir nach Möglichkeiten unsere Kernkompetenzen, Prozesse und besonderen Fähigkeiten weiter auszubauen und neu zu denken. In diesem konkreten Fall stellen wir uns die Frage: Wie können wir Mehrwerte durch unsere flächendeckende Logistik im Vorbeifahren schaffen? Es gibt bereits diverse Lösungen auf dem Markt, welche wir uns auch bereits angeschaut haben.

Wichtig bei diesen Entwicklungen ist für mich vor allem der Nutzen. Es muss ein konkretes Problem gelöst werden. Und da haben wir bis jetzt noch keinen konkret überzeugenden Ansatz finden können und mit Google konnten wir noch nicht direkt sprechen 😉

Die Straßenzustände in Berlin werden bereits erfasst und benötigen Spezialsensorik. Das Stadtmobiliar oder auch die Verkehrszeichen werden durch die einzelnen Bezirke recht effizient organisiert. Wir waren und sind da im Kontakt mit einzelnem Akteur:innen der Stadt. Hier ist insbesondere unsere Muttergesellschaft die BSR aktiv.

Es gibt aber noch viele weitere Anwendungsmöglichkeiten von Informationen zur Verkehrssituation (Parklücken…) bis hin zu meteorologischen Daten, da ist vieles möglich. Ich möchte diese Gelegenheit hier gerne nutzen und jede Leser:in, mit einer Idee diesbezüglich einladen, sich gerne bei mir zu melden.

Welche Rolle spielt technologische Innovation in der Optimierung Ihrer Betriebsabläufe und im Arbeitsalltag Ihrer Mitarbeitende?

Technologische Innovation spielt eine entscheidende Rolle bei Berlin Recycling. Der Wandel durch und mit der Digitalisierung ist bei BR (wie bei vielen Unternehmen) von herausragender strategischer Bedeutung. Um dies besser be- und verarbeiten zu können unterscheiden wir drei Kernfelder: die digitale Optimierung, die Entwicklung digitaler Produkte & Services und die digitale Transformation. Alle drei Felder haben andere Ziele und erfordern einen entsprechenden Umgang.

Die Automatisierung als Teil der digitalen Optimierung führt zu deutlicher Effizienzsteigerung, da Prozesse beschleunigt und Fehler reduziert werden. Echtzeit-Datenanalysen ermöglichen fundierte Entscheidungsfindung, was die Flexibilität im operativen Geschäft erhöht.

Für die Mitarbeitenden bedeutet dies eine Entlastung von Routineaufgaben, wodurch sie sich auf komplexere und wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren können. Gleichzeitig erfordert der technologische Fortschritt Schulungen und Weiterbildung, um sicherzustellen, dass Mitarbeitende mit den neuen Tools umgehen können und Teil der Entwicklung sein können. Insgesamt stärkt technologische Innovation die Wettbewerbsfähigkeit und sichert Berlin Recycling langfristig ihre Marktposition und damit Arbeitsplätze. Es geht also jede/n jederzeit etwas an und unser Anspruch geht klar in Richtung „miteinander gestalten“. Denn wir alle sind das #TeamKaro.

Gibt es Regeln im Abfallrecht, die die Transformation zur Circular Economy erschweren und die Sie sich daher einmal ausgesetzt wünschen?

Ein super wichtiger Punkt. So fortgeschritten und umweltschützend das deutsche Abfallrecht auch ist, so regelt es im Kern die Entsorgung & Verwertung in einem linearen Wirtschaftssystem. Das KrWG unterläuft seit Jahren Anpassungen, welche immer wieder die Kreislaufführung stärken sollen. Wir sind also auf dem richtigen Weg. Ob aber die kontinuierliche Weiterentwicklung besser als ein Neustart ist, kann ich nicht wirklich gut beurteilen. Hier aber ein paar Anregungen, welche Regelungen im Abfallrecht der Transformation zur Circular Economy im Wege stehen.

Statische Abfallklassifikationen, die Materialien als „Abfall“ definieren, hindern oft deren Wiederverwendung und schließen zirkuläre Nutzungsmöglichkeiten aus. Auch die bürokratischen Hürden sind hoch: Genehmigungsverfahren für Recycling- und Wiederverwendungsprozesse sind oft zeitaufwendig und aufwendig. Die Vielzahl und Starrheit bestehender Entsorgungsvorschriften hemmt zudem innovative Ansätze, die für die Circular Economy nötig wären. Darüber hinaus gibt es im Bereich der Produktverantwortung oft zu wenig Anreize für Hersteller, Produkte so zu gestalten, dass sie am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet oder recycelt werden können. Nicht zuletzt erschweren komplexe Regelungen für grenzüberschreitende Abfallbewegungen den effizienten Austausch von Wertstoffen und behindern so eine zirkuläre Nutzung von Ressourcen. Hier wäre eine Flexibilisierung der Regeln wünschenswert, um den Übergang zur Circular Economy zu beschleunigen.