Ihr DigiRess Projekt hat zum Ziel, Leckagen in Fernwärmenetzen frühzeitig zu erkennen und zu lokalisieren. Wie werden die Leckagen dann behoben und kann dabei auch die Digitalisierung unterstützen?
Grundsätzlich muss gesagt werden, dass Leckagen in Fernwärmenetzen teuer sind, weil beständig aufwendig aufbereitetes Wasser nachgespeist werden muss. Kosten treten hier nicht nur für das Wasser auf, sondern auch für Energie, da zusätzliches Wasser ins System gepumpt werden muss. Außerdem können Leckagen – wenn sie nicht rechtzeitig repariert werden – zu größeren Havarien im Netz führen, die bei über 100° heißem Wasser gefährlich sind. Um die Wärmeversorgung aufrecht zu erhalten, muss die Sektion, in der die Havarie aufgetreten ist, möglichst schnell vom Netz getrennt werden, damit der Druck im Netz erhalten bleibt.
Heute werden Fernwärmeleitungen mit Kunststoffmantel (zur Isolation) verlegt. Im Kunststoffmantel werden Kabel zur Leckageortung mitgeführt. Wenn Wasser austritt, gibt es einen Schluss zwischen den Kabeln. Dies kann durch entsprechende Logger ausgewertet werden, um die Leckagen zu erkennen und zu lokalisieren. Diese Systeme funktionieren grundsätzlich, sind allerdings störanfällig und relativ aufwendig. Früher wurden die Leitungen in Haubenkanälen verlegt – in diesen Systemen werden Leckagen durch Anrufe von Bürgern identifiziert, dass es aus einem Schacht „dampft“. Der genaue Leckageort muss dann immer noch gesucht werden. Ist dies erfolgt, muss die Leitung freigelegt werden und das betroffene Rohr repariert und sogar ausgetauscht werden. Grundsätzlich gilt, je kleiner die Leckage ist, desto weniger aufwendig ist die Reparatur und desto geringer ist das Risiko, dass noch mehr Wasser verloren geht, weil die Leckage sich vergrößert oder sogar zu einer Havarie führt.
Bei der Reparatur von Leckagen kann die Digitalisierung nur die Logistik der Baustelle unterstützen. Bei der frühzeitigen Detektierung und Lokalisierung kann die Digitalisierung sehr wohl unterstützen. Und dies ist auch Ziel des DigiRess Verbundprojekts. Mit Hilfe von Netz-Monitoring, Algorithmen und Automatisierungstechnik, wollen die Projektpartner 3S Antriebe GmbH (3SA) aus Berlin (Projektkoordinator), 3S Consult GmbH, Garbsen (3SC) sowie das Forschungsinstitut Fraunhofer IOSB (IOSB) ein digitales System zur Detektion und Lokalisierung von Leckagen in Fernwärmenetzen entwickeln. 3SC ist für die Simulationsplattform verantwortlich. Dazu hat 3SC einen Algorithmus entwickelt, der auf Basis des hydraulischen Netzmodells des Neuköllner Fernwärmenetzes die optimale Positionierung von Drucksensoren und automatisierten Armaturen bestimmt. Das sog. „Dual Model“ ist die wesentliche Innovation von 3SC. Im Dual Model werden:
- die gemessenen Drücke als Druckrandbedingungen an die Messknoten übertragen
- Als Reaktion auf das „Festhalten“ der Drücke entstehen (im Modell) externe Massenströme, die in Summe etwa der Leckagemenge entsprechen.
- Der Algorithmus sucht nun den Ort im Netz, an dem eine angesetzte Leck-Entnahme zu einer Kompensation der externen Massenströme führt.
Das Ergebnis ist der Ort der Leckage, die für die Wasserverluste verantwortlich ist.
Um den zu untersuchenden Netzbereich nicht zu komplex zu machen und um die Ergebnisse zu validieren, müssen Netzbereiche getrennt werden. Damit dieser Prozess automatisch erfolgt, sind Armaturenstellantriebe erforderlich. Herkömmliche Antriebe sind nicht für erdverlegte Armaturen konzipiert und benötigen darüber hinaus Kabelinfrastruktur für die Energieversorgung und die Kommunikation. Diese Infrastruktur ist – gerade im innerstädtischen Bereich – sehr kostenintensiv. 3SA liefert intelligente Armaturenstellantriebe für den Einsatz im Erdreich, die mit Akkuenergie versorgt werden können und über das Mobilfunknetz sicher mit der Leitwarte kommunizieren, so dass auf Kabelinfrastruktur komplett verzichtet werden kann. Außerdem können erforderliche Drucksensoren in das Antriebssystem integriert werden. Das Dual Model von 3SA benötigt Druckmessungen an den Armaturen.
Das IOSB wird eine Cloud-basierte Datenanalyseplattform entwickeln, welche die notwendigen Sensor-, Simulations- und Prozessdaten sammelt, aufbereitet und geeignet visualisiert (mit geeigneten Dashboards und geeigneten Kartendarstellungen).
Die KI- und modellbasierten Algorithmen ermöglichen die robuste Erkennung und vor allem die Lokalisierung von Leckagen. Notwendig sind dazu „nur“ eine ausreichende Anzahl von Drucksensoren sowie Netztrennstellen (mit 3S Antreiben ausgestattete Armaturen). Im Projekt wird anhand von Simulationen u.a. die Frage untersucht, welchen Einfluss zusätzliche Trennstellen und Drucksensoren auf die Ortungsgenauigkeit und die erzielbare Nachweisgrenze haben und wo diese für optimale Ergebnisse platziert sein müssen. Das neuartige Leckage-Erkennungssystem wird im Rahmen des Projektes in mindestens einer Pilotzone prototypisch implementiert und getestet.