Gemeinsame Tagung zum Unrecht im NS und der SED-Diktatur

Pressemitteilung vom 30.01.2023

Das Bundesministerium der Justiz richtet in Kooperation mit der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, dem Justizministerium Nordrhein-Westfalen sowie der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung in Berlin am 30. und 31. Januar 2023 eine Arbeitstagung im Haus der Wannsee-Konferenz aus. Diese Tagung trägt den Titel:
„Der neue § 5a DRiG – Juristische Ausbildung in Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur“.
Mit dem Beginn der Tagung, auf den Tag genau 90 Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten, und in der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz, dem Ort, an dem die „Endlösung der Judenfrage“ beraten und im Einzelnen koordiniert wurde, sind Tag und Ort dieser Veranstaltung historisch von großer Bedeutung.

Dazu erklärt Berlins Staatssekretärin für Vielfalt und Antidiskriminierung Saraya Gomis: „Es gibt kaum einen Ort, der die Verbindung juristischen Ordnungsdenkens mit der antisemitischen, faschistischen und rassistischen Ideologie des NS-Regimes deutlicher verkörpert als die Räume im Haus der Wannsee-Konferenz. Dieser Ort ist mit dem grauenhaften Verbrechen dieser Zeit, mit der Shoah, für immer untrennbar verknüpft. Ich danke dem Team des Hauses der Wannsee-Konferenz dafür, dass es bereit war, sich an dieser Veranstaltung zu beteiligen und ihre Expertise auch in die Juristenausbildung einzubringen. Die Ausbildung von Juristinnen und Juristen ist in einem Rechtsstaat von zentraler Bedeutung. Der Nationalsozialismus zeigt, wie eklatant Recht missbraucht werden kann. Jurist*innen müssen sich ihrer Macht und ihrer damit einhergehenden Verantwortung stets bewusst und in der Lage sein, die daraus resultierenden Gefahren zu reflektieren. Es darf dabei nicht allein bei einer historischen Auseinandersetzung bleiben, sondern braucht auch eine Auseinandersetzung mit gegenwärtigem Antisemitismus und darüber hinaus auch mit Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja, Queerfeindichkeit, Ableismus, Kriminalisierung von Armut und der Abwertung von sogenannten Bildungsfernen. Nur so übernehmen wir Verantwortung gegenüber den Opfern des Nationalsozialismus und ihren Nachfahren.“

Die verbrecherische Politik des Nationalsozialismus wurde auch und gerade in der Sprache und mit den Techniken des Rechts vorbereitet, vollzogen und gerechtfertigt. Beamte in Ministerien entwarfen die Rassegesetze; Zivilrichter trieben die Entrechtung von Jüdinnen und Juden voran, indem sie Vorschriften des Vertrags- und Familienrechts im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie auslegten; Richter an den Straf- und Sondergerichten instrumentalisierten das Strafrecht zum Kampf gegen politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes.

Aus diesem Grund darf sich die juristische Ausbildung nicht darauf beschränken, Rechtskenntnisse und Methodenhandwerk zu vermitteln. Der Bundesgesetzgeber hat daher § 5a des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) reformiert und die Befassung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur und den daraus gewonnenen Erkenntnissen zu den obligatorischen Inhalten der juristischen Ausbildung gemacht. Dabei geht es nicht um die bloße Erweiterung des historischen Faktenwissens, sondern angehende Juristinnen und Juristen sollen durch ihre juristische Ausbildung befähigt werden, das positive Recht und die Rechtspraxis kritisch zu reflektieren und die Ideologieanfälligkeit des Rechts und sein Missbrauchspotential zu erkennen. Sie sollen in die Lage versetzt werden, Gefährdungen unserer demokratischen Freiheiten und der Bedrohung von Grundrechten zu erkennen und diesen aktiv und engagiert entgegenzutreten.