(Stand: Juni 2021)
I. Ziel
Im berufspraktischen Teil der mündlichen Prüfung sollen die Referendar:innen die Fähigkeit unter Beweis stellen, in einer bestimmten Zeit einen Sachverhalt zu erfassen, ihn in freier Rede vorzutragen, sich zu den aufgeworfenen Rechtsfragen zu äußern und einen praktisch brauchbaren Lösungsvorschlag zu unterbreiten und zu begründen.
II. Durchführung
Den Referendar:innen steht eine Vorbereitungszeit von einer Stunde zur Verfügung. Die Dauer des Vortrags darf 10 Minuten nicht überschreiten, damit die nachfolgenden Prüflinge – im Anschluss an das fünfminütige Vertiefungsgespräch – pünktlich mit ihrem Vortrag beginnen können und so für alle Prüflinge gleiche Prüfungsbedingungen bestehen.
Die in den Gesetzessammlungen abgedruckten Vorschriften sind ohne Rücksicht auf die Zeit des Geschehens und ohne Übergangsvorschriften anzuwenden, soweit sich aus dem konkreten Bearbeitervermerk nichts anderes ergibt.
III. Aufgabenart
Für den Vortrag werden, je nach Wahl der Prüfungsteilnehmenden (vgl. §§ 29, 27 Abs. 3, 21 Abs. 5 Satz 2 JAO 2003), sowohl Aktenstücke aus staatlicher als auch solche aus anwaltlicher Sicht ausgegeben.
Der Vortrag aus staatlicher Sicht orientiert sich im Wesentlichen an den Anforderungen an eine Klausur aus staatlicher Sicht. Der anwaltliche Vortrag ist den Anforderungen an eine Anwaltsklausur nachgebildet. Die Referendar:innen haben sich daher in die Lage der bearbeitenden Anwältin bzw. des bearbeitenden Anwalts hineinzuversetzen und die jeweiligen Erfolgsaussichten einer Vorgehensweise aus Kläger:innen- bzw. Beklagtenperspektive zu beurteilen.
Der Vortrag im Rahmen des berufspraktischen Teils der Prüfung sollte regelmäßig wie folgt aufgebaut werden:
1) Einleitender Satz
2) Sachverhaltsschilderung
3) Kurzvorschlag
4) Rechtliche Erwägungen
5) Entscheidungsvorschlag
Besonderes Augenmerk ist auf den Bearbeitungsvermerk zu richten, aus dem sich im Einzelfall Abweichungen ergeben können.
zu 1):
Der einleitende Satz soll zunächst darüber informieren, ob ein Sachverhalt aus staatlicher oder aus anwaltlicher Sicht zugrunde liegt.
Beim Vortrag aus staatlicher Sicht sollen die Zuhörenden darüber hinaus erfahren, um welche Art von Verfahren es sich handelt und in welchem Verfahrensstadium von wem eine Entscheidung zu treffen ist.
Ist ein Fall aus anwaltlicher Sicht zu bearbeiten, so sind das Begehren und die Interessenlage der Mandantschaft kurz herauszustellen. Falls bereits ein Verfahren anhängig sein sollte, ist das jeweilige Verfahrensstadium anzugeben.
zu 2):
Die Sachverhaltsschilderung darf nur das Geschehen umfassen, das für die zu treffende Entscheidung notwendig ist. Jede danach überflüssige Angabe (z. B. Zahlen, Daten) beeinträchtigt den Wert des Vortrages, denn die Zuhörenden können sich solche Einzelheiten nur begrenzt merken. Zudem sollen sie nicht ohne Not veranlasst werden, sich nicht benötigte Informationen einzuprägen. Zusammenfassend sollten nur diejenigen Tatsachen vorgetragen werden, die für die rechtlichen Ausführungen tatsächlich von Bedeutung sind. Rechtsansichten sollten knapp dargestellt werden, falls dies für das Verständnis der Streitigkeit erforderlich ist.
Die Referendar:innen sollten darauf achten, dass sie in freier Rede vortragen. Sie sollen allerdings bei der Wiedergabe von Anträgen, Daten, Urkunden oder dann, wenn es auf den genauen Wortlaut ankommt, aus dem Aktenstück zitieren.
zu 3):
Der Sachverhaltsschilderung folgt der sog. Kurzvorschlag. Die Referendar:innen sollen den Zuhörenden das Ergebnis vorab mitteilen, damit diese den nachfolgenden Ausführungen zur rechtlichen Würdigung besser folgen können.
zu 4):
Die Referendar:innen sollen bei der rechtlichen Würdigung auf eine angemessene Schwerpunktsetzung achten. Prozessuale Fragen sind nur zu erörtern, sofern diese erheblich sind.
Am Ende der rechtlichen Ausführungen sind bei Vorträgen aus staatlicher Sicht die vorgeschlagenen Nebenentscheidungen kurz zu begründen. Regelmäßig genügt die Angabe der einschlägigen Vorschriften.
zu 5):
Der Entscheidungsvorschlag bzw. Antrag ist im Wortlaut vorzutragen.