Merkblatt zur Gleichwertigkeitsprüfung für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst mit europäischen Abschlüssen

I. Formelle Voraussetzungen für die Gleichwertigkeitsprüfung

Die Gleichwertigkeitsprüfung wird nach § 112a Abs. 1 Deutsches Richtergesetz bei Bewerberinnen und Bewerbern für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst durchgeführt, die

  • ein rechtswissenschaftliches Universitätsdiplom besitzen, das in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erworben wurde und
  • dort den Zugang zur postuniversitären Ausbildung für den Beruf des europäischen Rechtsanwalts gemäß § 1 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland eröffnet. Die Berufsbezeichnungen, unter denen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz der Beruf des europäischen Rechtsanwalts ausgeübt werden kann, nennt die Anlage zu § 1 EuRAG .

Nach der zugrunde liegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird die Gleichwertigkeitsprüfung auch „Morgenbesser“-Prüfung genannt.

Auf die Staatsangehörigkeit der Bewerberin oder des Bewerbers kommt es nach der jetzt geltenden gesetzlichen Regelung nicht mehr an. Vielmehr steht die Gleichwertigkeitsprüfung allen Bewerberinnen und Bewerbern offen, deren Universitätsdiplom die genannten Voraussetzungen erfüllt.

II. Durchführung der Gleichwertigkeitsprüfung

Die Prüfung soll den Zugang zum juristischen Vorbereitungsdienst in Deutschland eröffnen. Sie erfolgt daher im Rahmen des Verfahrens zur Aufnahme in den Vorbereitungsdienst. Interessentinnen und Interessenten müssen sich bei

um die Aufnahme in den juristischen Vorbereitungsdienst bewerben. Den üblichen Antragsunterlagen sind Nachweise über den im EU-/EWR-Ausland oder in der Schweiz erworbenen juristischen Hochschulabschluss sowie ggf. sonstige Diplome, Prüfungszeugnisse, Befähigungsnachweise und Nachweise über einschlägige Berufserfahrung beizufügen. Diese Unterlagen sind im Original oder in beglaubigter Ablichtung, bei nicht in deutscher Sprache vorliegenden Unterlagen mit beglaubigter Übersetzung, einzureichen.

Die Referendarabteilung des Kammergerichts bzw. des Brandenburgischen Oberlandesgerichts leitet den Antrag sodann an das Gemeinsame Juristische Prüfungsamt der Länder Berlin und Brandenburg zur Prüfung der Gleichwertigkeit weiter. Diese Prüfung erfolgt in zwei Schritten:

_1. Prüfung der vorgelegten Diplome und sonstigen Nachweise nach § 112a Abs. 2 Satz 1 DRiG_

Die von der Bewerberin oder dem Bewerber vorgelegten Diplome, Prüfungszeugnisse, sonstigen Befähigungsnachweise und Nachweise über einschlägige Berufserfahrung werden daraufhin geprüft, ob sie das Vorhandensein von Kenntnissen in den Rechtsbereichen belegen, die Gegenstand der staatlichen Pflichtfachprüfung im Rahmen der ersten juristischen Prüfung sind. Es handelt sich dabei nach näherer Maßgabe von § 3 der Berliner bzw. Brandenburgischen Juristenausbildungsordnung (JAO Bln/Bbg) im Wesentlichen um

  • die Kernbereiche des deutschen Bürgerlichen Rechts (Zivilrechts) einschließlich Verfahrensrecht,
  • die Kernbereiche des deutschen Strafrechts einschließlich Verfahrensrecht,
  • die Kernbereiche des deutschen Öffentlichen Rechts einschließlich Verfahrensrecht.

Die Kenntnisse müssen dem Niveau der staatlichen Pflichtfachprüfung entsprechen. Über das Ergebnis der Gleichwertigkeitsprüfung anhand der vorgelegten Nachweise ergeht ein Bescheid.

_2. Ergänzende Eignungsprüfung nach § 112a Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 bis 5 DRiG_

In denjenigen der drei genannten Bereiche, deren hinreichende Beherrschung aufgrund der vorgelegten Nachweise nicht festgestellt worden ist, kann das Vorhandensein entsprechender Kenntnisse auf Antrag durch Ablegung einer ergänzenden Eignungsprüfung nachgewiesen werden. Die Eignungsprüfung besteht in der Anfertigung der in diesen Bereichen vorgesehenen Klausuren der staatlichen Pflichtfachprüfung im Rahmen der ersten juristischen Prüfung nach näherer Maßgabe der hierfür geltenden Vorschriften der JAO Bln/Bbg und des Berliner bzw. Brandenburgischen Juristenausbildungsgesetzes (JAG Bln/Bbg). Es handelt sich gemäß § 5 Abs. 3 JAO Bln /Bbg

  • im Bürgerlichen Recht (Zivilrecht) um drei Klausuren,
  • im Strafrecht um zwei Klausuren,
  • im Öffentlichen Recht um zwei Klausuren.

Demnach sind in Berlin und Brandenburg bis zu sieben Klausuren mit einer Bearbeitungszeit von je fünf Stunden anzufertigen. Hinsichtlich der Anforderungen ist zu bedenken, dass die staatliche Pflichtfachprüfung sonst von Kandidatinnen und Kandidaten abgelegt wird, die das im Regelfall viereinhalb Jahre dauernde deutsche rechtswissenschaftliche Universitätsstudium absolviert haben.

Die Eignungsprüfung ist bestanden, wenn

  • die für das Bestehen der staatlichen Pflichtfachprüfung erforderliche Anzahl von (in Berlin und Brandenburg) vier Klausuren, mindestens jedoch die Hälfte der zu fertigenden Klausuren bestanden, das heißt mit mindestens 4,00 Punkten bewertet worden sind und
  • Klausuren in mindestens zwei der drei Bereiche Bürgerliches Recht (Zivilrecht), Strafrecht und Öffentliches Recht bestanden sind, hiervon mindestens eine im Bürgerlichen Recht (Zivilrecht).

Ist die Ablegung der Eignungsprüfung in einem Bereich wegen ausreichender schriftlicher Nachweise nicht erforderlich, so werden für die Berechnung die in diesem Bereich vorgesehenen Klausuren der staatlichen Pflichtfachprüfung fiktiv als bestanden angesetzt.

Eine mündliche Prüfung findet nicht statt.

Über die erfolgreich abgelegte Eignungsprüfung wird ein Zeugnis erteilt. Eine Note wird darin nicht festgesetzt. Bei Nichtbestehen der Eignungsprüfung ergeht hierüber ein Bescheid.

Die in einem Land erfolgte Feststellung der Gleichwertigkeit berechtigt zum Zugang zum Vorbereitungsdienst auch in allen anderen Ländern der Bundesrepublik Deutschland.

_Hinweis zur Vorbereitung auf die ergänzende Eignungsprüfung_

Für die Vorbereitung auf die Eignungsprüfung besteht die Möglichkeit, an den Kursen der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität teilzunehmen, mit denen die Studierenden sich auf die staatliche Pflichtfachprüfung vorbereiten (sogenanntes Unirep ).

Weitere Informationen

§ 112a Deutsches Richtergesetz

Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland

Berliner Juristenausbildungsordnung / Brandenburgische Juristenausbildungsordnung (JAO Bln/Bbg)

Berliner Juristenausbildungsgesetz / Brandenburgisches Juristenausbildungsgesetz (JAG Bln/Bbg)

‘Morgenbesser’-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Tiesel/Tournay: Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst mit einem europäischen juristischen Universitätsabschluss, in: Die Öffentliche Verwaltung, 2008, Heft 6, S. 235 ff.