I. Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation
Die Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation als Voraussetzung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Deutschland kann nach § 16 des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland beantragen, wer
- eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, die zum unmittelbaren Zugang zum Beruf eines europäischen Rechtsanwalts nach § 1 EuRAG berechtigt; die Berufsbezeichnungen, unter denen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, den anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz der Beruf des europäischen Rechtsanwalts ausgeübt werden kann, nennt die Anlage zu § 1 EuRAG, und
- soweit weniger als die Hälfte der Mindestausbildungszeit in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz absolviert wurde: den Beruf eines europäischen Rechtsanwalts in dem Staat, der den Nachweis über die Zugangsberechtigung ausgestellt oder anerkannt hat, mindestens drei Jahre ausgeübt hat.
Auf die Staatsangehörigkeit der antragstellenden Person kommt es nach der jetzt geltenden gesetzlichen Regelung nicht mehr an. Vielmehr steht die Eignungsprüfung allen Personen offen, deren Ausbildung die genannten Voraussetzungen erfüllt.
II. Auferlegung einer Eignungsprüfung
Das Prüfungsamt erlegt der antragstellenden Person die Ablegung einer Eignungsprüfung auf, wenn sich ihre Ausbildung auf Fächer bezog, die sich wesentlich von denen unterscheiden, die für die Ausübung des Berufs des Rechtsanwalts in Deutschland erforderlich sind, und diese Unterschiede nicht anderweitig, insbesondere durch Berufspraxis oder Weiterbildungsmaßnahmen, ausgeglichen wurden, § 16a Abs. 3 EuRAG.
Die Auferlegung einer Eignungsprüfung ist auch nach Auffassung des Gesetzgebers der Regelfall, weil die vielfältigen Kenntnisse und Fähigkeiten im deutschen Recht, die für die Tätigkeit als Rechtsanwalt in Deutschland erforderlich sind, in der Regel in einer ausländischen Ausbildung nicht vermittelt werden (vgl. Bundesratsdrucksache 431/16, S.102, 174).
III. Prüfungsverfahren und -inhalte der Eignungsprüfung
_1. Ablauf und Prüfungsgebiete_
Die Eignungsprüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlichen Teil.
Als schriftliche Prüfungsleistungen sind zwei Aufsichtsarbeiten anzufertigen, die Aufgaben aus der beruflichen Praxis eines Rechtsanwalts zum Gegenstand haben. Die Bearbeitungszeit beträgt je Aufsichtsarbeit fünf Stunden. Die antragstellende Person wird zur mündlichen Prüfung zugelassen, wenn mindestens eine Aufsichtsarbeit den Anforderungen genügt; andernfalls gilt die Prüfung als nicht bestanden.
Die mündliche Prüfung besteht aus einem Kurzvortrag und einem Prüfungsgespräch. Die Gegenstände des Kurzvortrages und des Prüfungsgesprächs sind der beruflichen Praxis eines Rechtsanwalts entnommen. Die Vorbereitungszeit für den Kurzvortrag beträgt zwei Stunden. Für jede Prüfungsteilnehmerin und jeden Prüfungsteilnehmer beträgt die Dauer des Kurzvortrages etwa 15 Minuten, die Dauer des Prüfungsgesprächs etwa 45 Minuten.
Prüfungsfächer sind das Pflichtfach Zivilrecht, je ein Wahlfach aus den beiden in § 20 EuRAG genannten Wahlfachgruppen (1. Öffentliches Recht oder Strafrecht; 2. Handelsrecht, Arbeitsrecht, durch das Pflichtfach nicht abgedeckte weitere Bereiche des Zivilrechts, Öffentliches Recht oder Strafrecht) sowie das Recht für das berufliche Verhalten der Rechtsanwälte. Eine Aufsichtsarbeit betrifft das Pflichtfach Zivilrecht, die andere das hierfür gewählte Wahlfach. Die mündliche Prüfung erstreckt sich auf das andere gewählte Wahlfach, dem auch der Kurzvortrag entnommen ist, ferner auf das Recht für das berufliche Verhalten der Rechtsanwälte sowie ggf. auf das Prüfungsgebiet, in dem eine schriftliche Prüfungsleistung den Anforderungen nicht genügt hat. Die Gegenstände des Pflichtfachs und der einzelnen Wahlfächer ergeben sich aus § 6 der Verordnung über die Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
Über die erfolgreich abgelegte Eignungsprüfung erteilt das Prüfungsamt eine Bestätigung. Eine nicht bestandene Eignungsprüfung darf zweimal wiederholt werden.
_2. Zweck und Inhalt der Eignungsprüfung_
Die Eignungsprüfung ist eine staatliche Prüfung, die ausschließlich die beruflichen Kenntnisse und Kompetenzen der antragstellenden Person betrifft und mit der ihre Fähigkeit beurteilt werden soll, den Beruf eines Rechtsanwalts in Deutschland auszuüben, § 17 EuRAG.
Den Bezügen zur beruflichen Praxis eines Rechtsanwalts in Deutschland kommt daher bei der Prüfung besonderes Gewicht zu. Demgemäß sind sowohl die Aufsichtsarbeiten als auch die Vortragsfälle der beruflichen Praxis eines Rechtsanwalts entnommen oder nachgebildet. Sie fordern von der Kandidatin oder dem Kandidaten den Nachweis, dass sie oder er das einschlägige materielle Recht und das entsprechende Verfahrensrecht auf den konkreten Fall anzuwenden versteht, den für das deutsche Recht relevanten Sachverhalt und die rechtlichen Fragen der Aufgabe erfasst und die notwendigen Maßnahmen vorschlägt, um die Interessen des Mandanten des Klausurfalls sachgerecht und erfolgreich zu wahren.
In den Aufsichtsarbeiten besteht die Aufgabe in der Regel darin, zunächst in Form eines Aktenvermerks (erster Teil der Klausur) die Rechtslage zu beurteilen und das zur Wahrnehmung der Interessen des Mandanten erforderliche Vorgehen zu erläutern. Im Vermerk sollen alle im Aktenstück angesprochenen Rechtsfragen behandelt werden, soweit sie für die Wahrnehmung der Interessen des Mandanten erheblich sein können. Darüber hinaus sollte der Vermerk auch Erwägungen zur Taktik des anwaltlichen Vorgehens enthalten. Zweck des Vermerks ist es, für die Prüferin oder den Prüfer erkennbar zu machen, aufgrund welcher Erwägungen sich die Bearbeiterin oder der Bearbeiter zu dem nachfolgenden Schreiben (zweiter Teil der Klausur) entschlossen hat. Dieses Schreiben wird in der Regel ein Schriftsatz an ein Gericht sein. Nur wenn der Vermerk zu dem Ergebnis kommt, dass ein Schriftsatz an ein Gericht nicht angezeigt ist, ist ein Mandantenschreiben zu fertigen. Der Schriftsatz an das Gericht bzw. das Mandantenschreiben müssen aus sich heraus, das heißt ohne Kenntnis des Vermerks, verständlich sein. Bei Abfassung eines Mandantenschreibens ist zudem zu berücksichtigen, dass der Mandant in der Regel juristischer Laie ist und deshalb fachsprachliche Ausführungen ohne Erläuterungen nicht nachvollziehen kann. Um Schreibarbeit zu sparen, sind konkrete Bezugnahmen auf den Vermerk erlaubt (zum Beispiel Einrücken durch Spitzklammern). Die in Bezug genommenen Textstellen des Vermerks müssen sich jedoch sprachlich und gedanklich in das Schreiben einfügen. Wichtig ist, dass das Ergebnis des Vermerks konsequent im Schriftsatz umgesetzt wird.
_Hinweise zur Vorbereitung auf die Eignungsprüfung_
Zur Vorbereitung auf die Eignungsprüfung kann die Ausbildungsliteratur zur Vorbereitung auf die zweite Staatsprüfung (sogenanntes Assessorexamen) herangezogen werden, wobei für die Eignungsprüfung nur der Aufgabentyp der sogenannten Anwaltsklausur relevant ist.
Das GJPA stellt auf seiner Internetseite Originalaufgaben aus früheren Eignungsprüfungen zu Übungszwecken zur Verfügung. Zur Übersicht über die bisherigen Aufgaben.
IV. Erlass von Prüfungsleistungen
Das Prüfungsamt erlässt der antragstellenden Person gemäß § 21 Abs. 2 EuRAG auf Antrag Prüfungsleistungen, wenn sie nachweist, dass sie durch ihre berufliche Ausbildung oder anderweitig, insbesondere durch Berufspraxis oder Weiterbildungsmaßnahmen, in einem der Prüfungsgebiete gemäß § 6 RAZEignPrV die für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in Deutschland erforderlichen materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Kenntnisse im deutschen Recht erworben hat. Ausbildungsinhalte sind durch ein Prüfungszeugnis, Weiterbildungsmaßnahmen sind durch geeignete Bescheinigungen, Berufserfahrung ist entsprechend § 12 EuRAG nachzuweisen, das heißt insbesondere durch Falllisten über die im deutschen Recht bearbeiteten Rechtssachen, § 5 RAZEignPrV.
Voraussetzung für den Erlass von Prüfungsleistungen ist, dass die nachgewiesenen Kenntnisse nicht nur das materielle Recht, sondern auch das für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufs erforderliche Verfahrensrecht umfassen. Dies ist insbesondere bei der Vorlage universitärer Leistungsnachweise zu berücksichtigen, da in der universitären Ausbildung und in ergänzenden Masterstudiengängen in der Regel nur Grundzüge des Verfahrensrechts vermittelt werden.
V. Antragstellung
_1. Zuständigkeit_
Der Antrag auf Feststellung einer gleichwertigen Berufsqualifikation kann bei jedem für die Abnahme der Eignungsprüfung zuständigen Prüfungsamt innerhalb der Bundesrepublik Deutschland gestellt werden, jedoch nicht bei mehreren gleichzeitig, § 16 Abs. 1 Satz 2 EuRAG .
Diese Prüfungsämter sind
- das GJPA als Gemeinsames Prüfungsamt der Länder Berlin, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für die Eignungsprüfung in Berlin,
- das Gemeinsame Prüfungsamt der Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen zur Abnahme der Eignungsprüfung für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft in Düsseldorf und
- das Gemeinsame Prüfungsamt des Landes Baden-Württemberg und der Freistaaten Bayern und Sachsen beim Justizministerium Baden-Württemberg in Stuttgart.
_2. Antragsinhalt und beizufügende Unterlagen_
Für den Antrag an das Gemeinsame Prüfungsamt der Länder Berlin, Brandenburg, Freie Hansestadt Bremen, Freie und Hansestadt Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein für die Eignungsprüfung soll das vorgesehene Antragsformular verwendet werden.