Bereich Umwelt
Luftreinhaltung
Das Thema Luftreinhaltung war auch im Jahr 2021 ein Schwerpunkt unseres umweltpolitischen Engagements auf europäischer Ebene. Wir haben uns unter anderem durch Konsultationsbeiträge in den Prozess zur Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie eingebracht und insbesondere dafür eingesetzt, dass die Luftqualitätsnormen der EU an die überarbeiteten Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) angepasst werden, die europaweit überschritten werden. Konkret plädierten wir dabei unter anderem für die Einführung eines zusätzlichen regionalen Minderungsziels der Hintergrundbelastung der städtischen Wohnbevölkerung durch Feinstaub, um angesichts der großen Belastungsunterschiede in Europa überall eine Rechtsgrundlage für weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität in Richtung der WHO-Richtwerte zu schaffen.
Als Ko-Vorsitz der EUROCITIES-Arbeitsgruppe Luftqualität haben wir unsere Expertise in die luftreinhaltepolitischen Aktivitäten des Städtenetzwerks eingebracht und auch im Rahmen des Netzwerks einen aktiven Beitrag zur Weiterentwicklung der Luftreinhalterichtlinie geleistet. Parallel dazu haben wir uns in Abstimmung mit dem Städtenetzwerk POLIS an der von der Europäischen Kommission angestoßenen Diskussion über die Weiterentwicklung der europäischen Abgasvorschriften („Euro 7“) beteiligt. Dabei geht es nicht nur um deren Verschärfung, sondern um die Vereinheitlichung der Vorschriften für alle Arten von Verbrennungsmotoren sowie um das Schließen von Schlupflöchern bei der Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen. Damit soll die zuverlässige Einhaltung der Emissionsgrenzwerte auch im realen Fahrbetrieb in Städten und über die gesamte Lebensdauer der Fahrzeuge gewährleistet werden.
Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden
Im Europäischen Grünen Deal wurde angekündigt, dass die EU auf ein Null-Schadstoff-Ziel hinarbeiten und die Verschmutzung von Luft, Wasser, Boden und durch Verbraucherprodukte besser verhindern und beseitigen muss. Die Europäische Kommission hat 2021 einen Null-Schadstoff-Aktionsplan für Luft, Wasser und Boden vorgelegt. Wir haben uns im Vorfeld mit einer Stellungnahme in den europaweiten Konsultationsprozess eingebracht.
Kreislaufwirtschaft
Das Referat für Kreislaufwirtschaft, Ressourcenschonung, umweltfreundliche Beschaffung und Stadtsauberkeit unseres Hauses hat sich 2021 an EU-weiten Konsultationen beteiligt, so z. B. an der Konsultation der Europäischen Kommission zur Initiative der EU für nachhaltige Produkte („Sustainable Products Initiative“).
Berliner Programm für Nachhaltige Entwicklung – BENE
Das Umweltförderprogramm BENE stellt Fördermittel für innovative Maßnahmen, Projekte und Initiativen bereit, die zu einem klimaneutralen und umweltfreundlichen Berlin beitragen. BENE wird zu 50 % aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) kofinanziert und fördert Maßnahmen mit einem Gesamtvolumen von mindestens 274 Mio. €. Ziel des Programmes ist es, nachhaltig und gewinnbringend die Verringerung der CO2-Emissionen im gewerblichen und öffentlichen Bereich zu unterstützen, um Wirtschaftswachstum und Ressourcenschonung in Einklang zu bringen. Mit 80 % des Mittelvolumens für verschiedene Maßnahmen im Klimaschutz liegt hier ein besonderer Schwerpunkt des Programms. Ein weiterer Fokus liegt im Umweltbereich mit Maßnahmen zur Sanierung bestehender oder Schaffung neuer Grünanlagen in sozial benachteiligten Quartieren.
Zur Bewältigung der Folgen der Pandemie hat die EU das Wiederaufbauinstrument REACT-EU implementiert. Die zusätzlichen Mittel sollen den Mitgliedstaaten zusätzliche Investitionen in den Bereichen der Corona Krisenbewältigung, der Digitalisierung und der Umsetzung des Grünen Deals ermöglichen. Die Abwicklung läuft über den ESF (Europäischer Sozialfonds) oder über EFRE in der aktuellen Förderperiode. Mit insgesamt 34,547 Mio. € verstärkt REACT-EU das gut laufende BENE-Programm. Damit wird eine grüne und klimaschonende Erholung der Wirtschaft und der öffentlichen Infrastruktur unterstützt. Dem BENE Programm stehen nunmehr insgesamt 171.507.900 € EFRE-Mittel zur Verfügung.
Das Programm ist zwischenzeitlich ausgebucht. In der Förderperiode 2014-2020 (Umsetzungszeitraum bis 2023) sind bereits 207 Vorhaben bewilligt worden und befinden sich derzeit in der Umsetzungsphase oder sind bereits abgeschlossen. Durch diese Projekte werden jährlich rund 65.000 t CO2-Äquivalent eingespart und rund 754.000 m² Grünfläche entweder neu geschaffen oder qualitativ aufgewertet.
Parallel haben wir uns in die Vorbereitungen für die neue Förderperiode 2021-2027 eingebracht. Der Senat hat im August 2021 den Entwurf des Berliner EFRE-Programms 2021-2027 beschlossen. Der Entwurf wurde im Dezember 2021 bei der Europäischen Kommission eingereicht.
Freiwilliges Ökologisches Jahr
Das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) ist ein Freiwilligendienst und Umweltbildungsprogramm für Jugendliche und junge Erwachsene bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, das aus Mitteln des ESF mitfinanziert wird. Im Jahr 2021 wurde FÖJ durch Mittel aus der Förderperiode 2014-2020 gefördert, da genügend Restmittel vorhanden sind, die bis 2023 (N+3) verausgabt werden können. Der ESF beteiligt sich – nach den Vorgaben für die Förderperiode 2014-2020 – mit 50 % (rd. 2,3 Mio. € pro Jahr) an den Gesamtausgaben.
IMPEL-Netzwerk
Das IMPEL-Netzwerk (European Union Network for the Implementation and Enforcement of Environmental Law) ist ein Europäisches Netzwerk, in dem alle EU-Mitgliedstaaten sowie Norwegen und die Beitrittskandidatenländer der EU vertreten sind. Seine Mitglieder sind die für den Vollzug des europäischen Umweltrechts zuständigen Umweltbehörden. Seit 2008 hat IMPEL die Rechtsform einer nach belgischem Recht eingetragenen, internationalen, privatrechtlichen Vereinigung ohne Gewinnerzielungsabsicht mit Sitz in Brüssel. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz Mitglied bei IMPEL. Unser Haus ist in der Bund-Länder-Koordinierungsgruppe für IMPEL vertreten und unterstützt die Arbeit des Netzwerks.
Klimaschutzpolitik
Wie in weiten Teilen Europas war auch in Berlin der Klimaschutz im vergangenen Jahr ein beherrschendes Thema in Gesellschaft und Politik. Während Rekordtemperaturen und Wetterextreme die Gefahren des globalen Klimawandels verdeutlichten, gingen weiter europaweit viele, meist junge Menschen, für effektiven Klimaschutz auf die Straße.
Auch die EU als Vertragspartnerin des Pariser Klimaschutzübereinkommens ist hier konkret gefragt. 2021 wurde in einem Europäischen Klimagesetz dafür das Ziel einer treibhausgasneutralen EU bis 2050 festgeschrieben. Zugleich wurde auch ein als ambitioniert zu bewertendes Klimaschutzziel für 2030 festgelegt: Die Treibhausgasemissionen der EU sollen im Vergleich zu 1990 bis 2030 um mindestens 55 Prozent reduziert werden. Zur Implementierung des 55-Prozent-Ziels hat die Europäische Kommission 2021 ein umfassendes Paket an Legislativvorschlägen (sog. Fit für 55 Paket) vorgelegt, mit dem der EU-Rechtsrahmen für Klimaschutz und Energie entsprechend angepasst werden soll.
Berlin war ebenfalls aktiv. 2021 wurden die Klimaschutzziele des Landes noch einmal geschärft. Im September 2021 ist die entsprechende Novelle des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes (EWG Bln) in Kraft getreten. Damit wurde das Ziel der Klimaneutralität auf 2045 vorgezogen, die CO2-Emissionen sollen bis dahin um 95 % gegenüber 1990 sinken. 70 % Emissionsminderung bis 2030 und 90 % bis 2040 sind neue, ehrgeizige Zwischenziele auf diesem Weg. Das novellierte EWG konkretisiert auch die Vorbildrolle der öffentlichen Hand beim Klimaschutz durch exakte Vorgaben: Solaranlagen auf allen öffentlichen Dächern, hohe Energiestandards für Neubau und Sanierung öffentlicher Gebäude und die Umstellung der öffentlichen Fuhrparke auf CO2-freie Fahrzeuge sind in Berlin nun gesetzliche Pflicht. Außerdem soll die Berliner Fernwärme grüner werden. 2030 soll sie schon zu 40 Prozent aus erneuerbaren Energien und Abwärme gespeist werden und spätestens 2045 vollständig CO2-frei sein.
Der Fahrplan auf dem Weg zur Klimaneutralität befindet sich im Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm (BEK 2030). Es enthält rund 100 Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. 2021 stand im Zeichen des Abschlusses und der Evaluierung des ersten Programmzeitraums (2018-2021). Ergänzt wurde es 2021 unter anderem. durch die Vorlage eines Maßnahmenpakets zur bereits 2019 vom Senat beschlossenen Klimanotlage.
Nach der aktuellsten Energie- und CO2-Bilanz hat Berlin 2020 gegenüber dem Basisjahr 1990 eine CO2-Minderung um 49,1 % erreicht (Verursacherbilanz). Um wie geplant bis 2045 klimaneutral zu sein, sind jedoch noch weitere Maßnahmen und eine Beschleunigung der Anstrengungen erforderlich. Die Gestaltungsmöglichkeiten in Berlin hängen dabei auch von den durch die Europäische Union und den Bund gesetzten Rahmenbedingungen ab. Deshalb behalten wir stets die aktuellsten Entwicklungen in Brüssel und Straßburg im Blick und bringen uns aktiv in die Debatte ein.
Ein Bekenntnis hinsichtlich der Klimaschutzziele der EU besteht auch mit der Mitgliedschaft Berlins beim EU-Bürgermeisterkonvent für Klima und Energie. Eine weitere Brücke von der europäischen Ebene bis Berlin, hier zu den Bezirken, schlägt der European Energy Award. Dabei handelt es sich um ein europäisches Projekt, das die Bemühungen der kommunalen Ebene beim Klimaschutz fördern und vergleichbar machen soll. Schon mehrere Berliner Bezirke nehmen hieran teil.
Aalbesatzprogramm in Berliner Gewässern
Zur Sicherung des Aalbestands wurden auch im Jahr 2021 gut 1,8 Millionen Jungaale – sogenannte Glasaale – in die Havel, Spree und Dahme ausgesetzt. Grund für diese Maßnahme von Menschenhand ist, dass den Tieren der natürliche Weg – aus dem Westatlantik über Tausende von Kilometern in die Berliner Gewässer – durch die zahlreichen Wasserbauten in Flüssen wie Wehre und Schleusen versperrt ist. Da Aale zugleich nicht gezüchtet werden können, weil sie sich in Gefangenschaft nicht vermehren, müssen die wenige Zentimeter großen Jungtiere im Meer vor Europa gefangen und in den hiesigen Gewässern ausgebracht werden. Der Fang soll mit einer zertifizierten, besonders nachhaltigen und schonenden Methode erfolgen.
Im vergangenen Jahr wurden in Berlin insgesamt 567 Kilogramm Glasaale auf einer Gewässerfläche von 4.575 Hektar ausgesetzt. Durchgeführt wurde die Maßnahme durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (Fischereiamt Berlin), die Köpenicker Fischervereinigung e.V. und die Fischersozietät Tiefwerder-Pichelsdorf. Die Maßnahmen werden durch die Europäische Union und die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung des Landes Berlin gefördert. Die Kosten im Jahr 2021 betrugen rund 117.000 Euro. Davon waren 64.000 Euro Fördermittel der Europäischen Union, 31.500 Euro Landesmittel und 21.500 Euro Eigenmittel der Fischereiberechtigten.
Der Europäische Aal gehört zu den heimischen Fischarten und hat eine wichtige ökologische Funktion. Er trägt unter anderem zur Wasserreinhaltung und zur Reduzierung der Fischbiomasse in den Gewässern bei. Darüber hinaus gehört er zu den wirtschaftlich bedeutendsten Fischarten der Fluss- und Seenfischerei.
Aufgrund der veränderten Umweltbedingungen sowie der fehlenden Wandermöglichkeiten ging der Aalbestand in Berlin in den vergangenen 20 Jahren um rund die Hälfte zurück. Mit dem Ausbringen der Jungaale kann der Bestand in den Berliner Gewässern gesichert werden.
Verbraucherschutz
Verbraucherschutz in der Corona-Krise
Ein Schwerpunkt des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes lag in der Verteidigung europäischer Verbraucherschutz-Standards bei der Bewältigung der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise. Wir haben uns auf Ebene der Verbraucherschutzministerkonferenz für einen besseren Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher nach Unternehmensinsolvenzen eingesetzt, beispielsweise hinsichtlich der Rückerstattungsansprüche von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Durchsetzung Verbraucherrechte
Bei der rechtlichen Durchsetzung der Verbraucherrechte stellt das EU-Recht den europäischen Verbraucherinnen und Verbrauchern wirksame Instrumente des Rechtsschutzes zur Verfügung. Hervorzuheben ist die Einführung eines europäischen Verbandsklagerechts, das über die in Deutschland bestehende Musterfeststellungsklage deutlich hinausgeht.
Im Bereich der außergerichtlichen Verbraucherschlichtung ermöglicht die Richtlinie über alternative Streitbeilegung die außergerichtliche Klärung von Rechtsstreitigkeiten. Die Verbraucherschlichtung bietet Verbraucherinnen und Verbrauchern und Unternehmen die Chance einer schnellen gütlichen Einigung. Eine neue Gebührenregelung für Unternehmen soll zu einer stärkeren Akzeptanz des Instruments der Verbraucherschlichtung auf Unternehmerseite beitragen.
Mit dem In-Kraft-Treten der neuen europäischen CPC-Verordnung (Consumer Protection Cooperation) und der Anpassung des EG-Verbraucherschutzdurchsetzungsgesetzes wurde die EU-weite behördliche Zusammenarbeit zur Bekämpfung der Verletzungen verbraucherschützender Gesetze mit grenzüberschreitendem Charakter deutlich gestärkt.
Verbraucherinformation
Effektiver Verbraucherschutz setzt eine gute Verbraucherinformation voraus. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen über aktuelle Änderungen unionsrechtlicher Vorschriften und verbraucherrechtlicher Grundsatzurteile des Europäischen Gerichtshofs informiert werden. Deshalb unterstützen wir die Arbeit der Verbraucherzentrale Berlin mit ihren vielfältigen Informationsangeboten in Form von Vorträgen, Broschüren, Webseiten-Inhalten, Webinaren und weiteren Maßnahmen.
Gesundheitlicher Verbraucherschutz
Die Überprüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes (Veterinär-, Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung) erfolgt auf Grundlage umfangreicher amtlicher Kontrollen. Diese wurden gemäß der Kontrollverordnung (EU) 2017/625 auf der Grundlage des mehrjährigen nationalen Kontrollplans (MNKP) mit der Geltungsperiode 2017-2021 durchgeführt. Ergebnisse dieser Kontrolltätigkeiten sind in den Jahresberichten zum mehrjährigen nationalen Kontrollplan gemäß Art. 113 der Verordnung (EU) 2017/625 dargestellt.
Verkehrspolitik
Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität
Mit dem Grünen Deal als der neuen, “grünen” Wachstumsstrategie der Europäischen Kommission soll sich die EU zu einer wohlhabenden Gesellschaft mit einer ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft entwickeln, in der ab 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden. Im Verkehrssektor wurde darauf aufbauend im Dezember 2020 eine Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität vorgelegt. Diese sieht insbesondere die Verlagerung des Güterbinnenverkehrs von der Straße auf Schiene und Wasser, Abschaffung der Subventionen für fossile Brennstoffe und der derzeitigen Steuerbefreiungen, die Ausweitung des europäischen Emissionshandels auf den Seeverkehr und die Reduzierung der kostenlosen Zertifikate für Luftfahrtunternehmen sowie strengere Grenzwerte für Luftschadstoffe von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sowie die Überarbeitung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge vor. Wir begrüßen den strategischen Ansatz zur notwendigen Dekarbonisierung des Verkehrs und haben uns mit unseren verkehrs-, umwelt- und klimapolitischen Forderungen aktiv in den vorgelagerten Konsultationsprozess der Europäischen Kommission eingebracht.
Fit für 55 Paket
Von verkehrspolitischer Bedeutung war und ist das 2021 von der Europäischen Kommission vorgelegte Fit für 55 Paket, mit dem die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % erreicht werden soll und dazu die Überarbeitung von klima-, energie- und verkehrsbezogenen Rechtsvorschriften vorgeschlagen wird. Wir haben das Paket im Grundsatz begrüßt und halten es für dringend geboten, die konzipierten Maßnahmen zu unterstützen. Von verkehrspolitischer Bedeutung sind darin insbesondere:- die Überarbeitung des europäischen Emissionshandelssystems mit der Einrichtung eines gesonderten Systems für den Straßenverkehr und für Gebäude,
- der Verordnungsvorschlag zur Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, der beim erforderlichen Hochlauf von Elektro- und Wasserstofffahrzeugen für eine angemessene Lade- und Betankungsinfrastruktur sorgen soll,
- die Änderungsverordnung zu den CO2-Emissionsnormen für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, die ein Zulassungsende für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor ab 2035 (sog. „Verbrennerverbot“) beinhaltet, ab dem in der EU nur noch emissionsfreie Fahrzeuge zugelassen werden dürfen,
- die Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie zur Anpassung an die Klima- und Umweltziele der EU durch den Abbau bestehender Fehlanreize für die Nutzung fossiler Kraftstoffe.
Viertes Eisenbahnpaket
Von verkehrspolitischem Interesse war und ist die Umsetzung des auf europäischer Ebene Ende 2016 beschlossenen Vierten Eisenbahnpakets, das neben der Liberalisierung des Schienenpersonenverkehrs darauf zielt, die Zulassungsverfahren von Zügen und die Ausstellung von Sicherheitszertifikaten zu vereinfachen. Dadurch könnten, beispielsweise im grenzüberschreitenden Bahnverkehr nach Polen, eine Reihe rechtlicher und administrativer Hemmnisse abgebaut und die Wettbewerbsposition des Schienenverkehrs gestärkt werden. Das Jahr 2021 markiert dabei den Zeitpunkt der vollständigen Anwendbarkeit der Regeln des Vierten Eisenbahnpakets.
Europäisches Jahr der Schiene
Auf Vorschlag der Europäischen Kommission hatten der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament das Jahr 2021 zum „Europäischen Jahr der Schiene“ ernannt. Damit sollte europaweit Umstieg auf die Bahn als sicheres und nachhaltiges Verkehrsmittel gefördert werden. In der gesamten EU wurden zahlreiche Maßnahmen und Aktivitäten umgesetzt, um den Schienenverkehr zu fördern und Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen dazu anzuregen, auf die Bahn umzusteigen.
So kam zum Beispiel ein von der EU organisierter Sonderzug, der Connecting Europe Express, zum Einsatz. Der Zug sollte die Relevanz der Eisenbahn bei der Verbindung der europäischen Staaten und die Rolle der EU-Infrastrukturpolitik für die Erreichung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums aufzeigen. Am 30.09.2021 machte der Connecting Europe Express am Berliner Ostbahnhof Station.
Europäische Verkehrsprojekte und Einwerbung europäischer Fördermittel
-
Fernverkehrsverbindung nach Breslau und Südostpolen
Sechs Jahre nach seiner Einstellung startete der Reisezug EuroCity (EC) „Wawel“ am 13.12.2020 erstmals wieder von Berlin Hauptbahnhof direkt nach Krakau. Die Verbindung wurde auch über 2021 hinaus aufrechterhalten und im Dezember 2021 bis nach Przemysl nahe der ukrainischen Grenze verlängert.
Der ursprünglich von Hamburg aus verkehrende EuroCity wurde zuvor Ende 2014 eingestellt. Berlin und Breslau hatten bereits im EU-Interreg-Projekt „Via Regia Plus“ die Konzeption einer schrittweisen Verbesserung zwischen beiden benachbarten Metropolen entwickelt. Als erste Verbesserung wurde von Berlin und Brandenburg ein Kulturzug finanziert. Die Konzeption des Zuges einschließlich des Kulturprogramms wird regelmäßig in einer AG Kulturzug mit den polnischen Partnern beraten. Nach einer pandemiebedingten Unterbrechung hat der Kulturzug im Juni 2021 seinen Betrieb wiederaufgenommen. Der Kulturzug soll dauerhaft gesichert werden.
-
Next ITS 3 / Next ITS DC
Seit 2018 beteiligt sich Berlin am Skandinavisch-Mediterranen Korridor in der Projektphase Next ITS 3 (2018-2021). In Anlehnung an vorherige Projektphasen (CONNECT I-III; EasyWay I-II sowie CROCODILE I-II) wurde am 31. Dezember 2021 das Projekt Next ITS 3 beendet. Die Laufzeit von ursprünglich 2018-2020 wurde um ein Jahr verlängert. Next ITS 3 wird ebenfalls im Rahmen der „Connecting Europe Facility“ (CEF) gefördert und dient der europaweiten Harmonisierung von Verkehrstelematik auf dem Transeuropäischen Verkehrsnetz (TEN-V) sowie für Straßen, die den Verkehr auf dem TEN-V beeinflussen. Durch die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Harmonisierung von intelligenten Verkehrssystemen (IVS) zwischen den skandinavischen Ländern (Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden) und Deutschland soll unter anderem ein bedeutender Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit und die Verbesserung des Verkehrsflusses ermöglicht werden. Das Projektkonsortium hat im Januar 2022 den Antrag für das Folgeprojekt Next ITS Digital Corridor (DC) eingereicht.
-
CEF (Connecting Europe Facility)
Die Connecting Europe Facility (CEF) ist ein zentrales Instrument der EU, um den Ausbau von hochleistungsfähiger Infrastruktur in Europa zu fördern. Da Berlin sich im Schnittpunkt dreier Transeuropäischer Korridore mit Status eines urbanen Knoten befindet, bietet das CEF-Programm der Hauptstadtregion umfangreiche Fördermöglichkeiten.
Auf der Bahnstrecke Berlin – Stettin haben 2021 die Ausbaumaßnahmen für den zweigleisigen Ausbau und die Elektrifizierung im Abschnitt Angermünde – Grenze D/PL (–Stettin) begonnen. Die polnische Hafenstadt Stettin ist mit ca. 400.000 Einwohnern in der Stadt und nochmal ca. 400.000 Einwohnern im Verflechtungsbereich die der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg nächstgelegene Metropolregion und Kernbestandteil des deutsch-polnischen Verflechtungsraums. Die Maßnahme dient der Vernetzung der beiden nur 120 km entfernten Metropolen Berlin und Stettin und der Entwicklung eines gemeinsamen Wirtschaftraumes und Arbeitsmarktes, die nur durch einen zweigleisigen Betrieb des Schienenverkehrs realisierbar ist. Ziel des Ausbaus ist die Verkürzung der Reisezeit im Personenverkehr auf ca. 90 Minuten, die Schaffung von zusätzlichen Kapazitäten im Personen- und Güterverkehr und die Elektrifizierung der Gesamtstrecke.
Berlin und Brandenburg gehen für den Ausbau der Strecke nach Stettin mit 100 Mio. € in Vorleistung. Die Landesmittel können durch eine erfolgreiche Beantragung von CEF-Mitteln abgelöst werden. Eine entsprechende Förderung ist möglich, da die Strecke von der Europäischen Kommission ins transeuropäische Vorrangnetz aufgenommen wurde. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hat einen ersten Förderantrag für die Ausbaustrecke im Rahmen des aktuellen CEF-Förderaufrufs Mitte Januar 2022 eingereicht.
Im Rahmen des länderübergreifenden Infrastrukturprojekts „i2030“ treiben wir zudem gemeinsam mit Brandenburg, der Deutschen Bahn und dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) den massiven Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur in der Hauptstadtregion voran. Für den Korridor Berlin-Spandau – Nauen konnten bereits Ende 2020 CEF-Fördermittel von insgesamt 7,3 Mio. Euro eingeworben werden. Die Fördermittel werden neben Landesmitteln nun zur Finanzierung von Vorplanungsleistungen eingesetzt.
-
MEISTER
Im Horizon-2020-geförderten EU-Projekt MEISTER wurden von August 2020 bis November 2021 Angebote und Infrastruktur pilotiert, um die angestrebten Business-Modelle (E-Carsharing as a housing service und Smart Park & Charge) im Bereich Elektromobilität zu erforschen. In zwei Quartieren in den Ortsteilen Kreuzberg und Mariendorf wurden dabei den Anwohnerinnen und Anwohnern sowie anderen Nutzenden E-Carsharing-Fahrzeuge und reservierbare Ladepunkte bereitgestellt. Das Projekt endet – nach einer 6-monatigen Verlängerung – im März 2022.
-
Studie: Berlin als Drehkreuz für ein europäisches Nachtzugnetz
Wir haben mit einer Studie die Potenziale Berlins als künftiges Drehkreuz für ein europäisches Nachtzugnetz bis zum Jahr 2040 untersuchen lassen. Die Studie liefert erstmals eine Datengrundlage für den Fernverkehr, um Bündelungen von Urlauberinnen und Urlaubern und Geschäftsreisenden für Nachtzüge herauszuarbeiten. Wesentlich war hier die Analyse von Daten der Fluggesellschaften vor der Pandemie, um eine Übersicht zu erhalten, wo die Berliner und Brandenburger Urlauberinnen, Urlauber und Geschäftsleute in Europa bisher hingeflogen sind und woher die Besucherverkehre kommen. Bündelungen sind ein wichtiger Anhaltspunkt für eine höhere Wirtschaftlichkeit von Nachtzügen. Für verschiedene Zeithorizonte (2025+, 2030+, 2040) wurde in der Studie der Aktionsradius (abends einsteigen, vormittags am Ziel) auch anhand der in der EU geplanten Ausbauvorhaben und Schnellfahrstrecken berücksichtigt. Die Studie bietet somit einen guten Ausgangspunkt für notwendige weitergehende Schritte und ist ein erster Baustein für eine weiterführende Machbarkeits- und Potenzialanalyse für ein Nachtzugnetz von und nach Berlin.