Die Europäische Kommission (KOM) hat am 19.10.2021 das Arbeitsprogramm 2022 in Form einer Mitteilung mit fünf Anhängen vorgelegt. Es ist das dritte Arbeitsprogramm unter KOM-Präsidentin Ursula von der Leyen. In der Mitteilung „Europa gemeinsam stärker machen“ hob die KOM den gemeinschaftlichen Erfolg bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie (70 % der erwachsenen Bevölkerung in der EU waren bis Ende des Sommers vollständig geimpft, umfängliche Impfstoffbeschaffung und Unterstützung der COVAX-Fazilität), die inhaltliche Schwerpunktsetzung auf den Klimaschutz („Fit for 55“-Paket) und die digitale Transformation („Digitaler Kompass“) hervor. Mit dem neuen Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 und dem Wiederaufbauinstrument NextGenerationEU sieht die KOM die EU gut gerüstet, um die Folgen der Pandemie dauerhaft zu bewältigen, die EU resilienter zu machen und den ökologischen und digitalen Wandel umzusetzen. Besonderes Augenmerk möchte die KOM auf die junge Generation setzen, weshalb sie vorschlägt, 2022 zum Europäischen Jahr der Jugend zu machen.
Das neue Arbeitsprogramm der KOM enthält 42 neue Initiativen, die sich über die sechs Schwerpunktbereiche erstrecken: 1. Green Deal, 2. Europa für das digitale Zeitalter, 3. Wirtschaft im Dienste des Menschen, 4. Stärkeres Europa in der Welt, 5. Förderung der europäischen Lebensweise sowie 6. Neuer Schwung für Demokratie in Europa. Die KOM nennt des Weiteren 76 vorrangig anhängige Vorschläge. Darunter sind u. a. die Legislativvorschläge im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets, die Gesetzesvorschläge für digitale Dienste und digitale Märkte und zentrale sozialpolitische Dossiers wie der Richtlinienvorschlag über angemessene Mindestlöhne als Bestandteil des Aktionsplans zur Umsetzung der Säule sozialer Rechte. In ihrer Prognose erwartete die KOM für das Jahr 2022 ein reales Wirtschaftswachstum von jeweils 4,3% sowohl in der Euro-Zone als auch in der EU insgesamt. Dieser Wert muss allerdings aufgrund der Ukraine-Krise wohl revidiert werden.
Im Bereich Finanzen liegt der Schwerpunkt des Arbeitsprogramms darauf, entsprechend der interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Rat, dem Europäischen Parlament (EP) und der KOM Vorschläge für neue Eigenmittel für den EU-Haushalt vorzulegen. Mittels dieser neuen Eigenmittel sollen die im Rahmen von NextGenerationEU (NGEU) aufgenommenen EU-Anleihen mit einem Volumen von 806 Mrd. Euro bis 2058 zurückgezahlt werden. Im Rahmen des im Sommer 2021 vorgelegten „Fit for 55“-Pakets wurden von der KOM bereits zwei Vorschläge für mögliche Eigenmittel vorgelegt: die CO2-Grenzabgabe und der Vorschlag, das bestehende Emissionshandelssystem auf weitere Sektoren, Gebäude und Landverkehr, zu erstrecken. Am 22. Dezember 2021 legte die KOM sodann das sog. Eigenmittelpaket vor und beabsichtigt, im 3. Quartal 2022 einen Legislativvorschlag vorzulegen, um die 1. Säule der politischen Einigung von 136 Staaten hinsichtlich der Zuweisung von Besteuerungsrechten bei internationalen Unternehmen in EU-Recht umzusetzen.
Mit Blick auf die im Oktober 2021 von der KOM wiedereröffnete Debatte und Konsultation über die Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes bzw. des Six- und Two-Packs beabsichtigte die KOM zunächst, bis zum Auslaufen der Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts Anfang 2023 Vorschläge zu unterbreiten für eine mögliche Reform des Regelwerks für die wirtschaftspolitische Steuerung. Dies erscheint allerdings auf Grund des Ukraine-Krieges derzeit fraglich. Die KOM will des Weiteren Vorschläge vorlegen, um das seit 2011 bestehende Europäische Semester, das als wirtschaftspolitisches Koordinierungsinstrument erhalten bleiben soll, mit dem durch die Verabschiedung der nationalen Wiederaufbaupläne eingeschlagenen Prozess besser zu verbinden.
Europäisches Semester
Wie in den Vorjahren wird die Senatsverwaltung für Finanzen den Prozess des Europäischen Semesters aktiv begleiten. Das Europäische Semester ist der jährliche Zyklus zur wirtschaftspolitischen Koordinierung in der EU. Es ist ein wichtiges Instrument, um Investitionen und Strukturreformen anzustoßen, die zu einer Stärkung von Wachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in den Mitgliedstaaten der EU beitragen und die nachhaltige Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte in der EU sicherstellen.
Die KOM hat am 24. November 2021 ihr Herbstpaket im Rahmen des Zyklus des Europäischen Semesters vorgelegt. Mit der Vorlage des Pakets, das neben dem Jahreswachstumsbericht für 2022 eine Ratsempfehlung für die Eurozone, den Frühwarnbericht (makroökonomische Ungleichgewichtsverfahren), die Stellungnahme zu den Haushaltsplänen der Mitgliedstaaten sowie den Entwurf für einen Gemeinsamen Beschäftigungsbericht umfasst, knüpft die KOM wieder an den in 2020 suspendierten Koordinierungs- und Überwachungszyklus des Europäischen Semesters an.
Nach Jahreswachstumsbericht für 2022 gilt es, in 2022 nach der „Pandemie- und dem damit verbundenen Krisenbewältigungsmodus“ die Voraussetzungen zu schaffen, um einen nachhaltigen und fairen Aufschwung, der die Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft stärkt, sicherzustellen. Es besteht die Notwendigkeit, den mit der Verabschiedung der Wiederaufbaufazilität in 2020 initiierten Prozess der nationalen Wiederaufbaupläne in den bisherigen Koordinierungs- und Überwachungszyklus des Europäischen Semesters zu integrieren. In der in 2020 geschaffenen Wiederaufbaufazilität mit ihren 806 Mrd. EUR (in laufenden Preisen) sieht die KOM den zentralen Hebel, um die der europäischen Wachstumsstrategie zugrundeliegenden Pfeiler in den nächsten sechs Jahren umzusetzen. Zwischenzeitlich sind von der KOM 22 nationale Wiederaufbaupläne bewilligt worden. So fließen nach der Berechnung der KOM allein in die Bereiche „ökologische Nachhaltigkeit“ 183 Mrd. EUR, ,,Produktivität“ 152 Mrd. EUR, „makroökonomische Stabilität“ 2,5 Mrd. EUR und „soziale Gerechtigkeit“ 111 Mrd. EUR aus der Wiederaufbaufazilität.
Der Jahreswachstumsbericht umfasst darüber hinaus die Anpassungen des Zyklus für das Europäische Semester. Nach der Vorlage des sog. Herbstpakets mit seinen Bestandteilen wird nun aufbauend auf die Vorlage der nationalen Reformpläne (NRP) der Mitgliedstaaten im April 2022, nun erst im Mai -anstatt wie früher im Februar- der Länderbericht für jeden Mitgliedstaat vorgelegt. Dieser Länderbericht umfasst auf der Basis der Auswertung des jeweiligen nationalen Reformprogramms folgende Elemente: 1. Analyse der Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen im jeweiligen Mitgliedstaat, 2. Stand der Umsetzung des nationalen Wiederaufbauplans auf der Basis eines eigenen Scoreboards, 3. Analyse der Umsetzung der in 2021 neu festgelegten Kernziele (Beschäftigungs-, Weiterbildungs- und Armutsquote), 4. Bewertung der Umsetzung der UN- Nachhaltigkeitsziele (erst seit 2019 Teil des Europäischen Semesters) und schließlich 5. mögliche makroökonomische Ungleichgewichte (Six- und Two-Pack). Auf der Basis dieser Länderberichte werden dann die länderspezifischen Empfehlungen an die Mitgliedstaaten gerichtet, wobei hier nun nur noch auf die wesentlichsten Reformbedarfe eingegangen werden soll.
Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 und neue Eigenmittel
Nach dem erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen über das Finanzpaket (Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 und Wiederaufbauinstrument NextGenerationEU, NGEU) und der Verabschiedung der entsprechenden nationalen Wiederaufbaupläne wird der Schwerpunkt der KOM darauf liegen, entsprechend der interinstitutionellen Vereinbarung zwischen Rat, EP und KOM Vorschläge für neue Eigenmittel im Zeitraum des MFR für die Jahre 2021 bis 2027 vorzulegen. Mittels dieser neuen Eigenmittel sollen die im Rahmen von NGEU aufgenommenen EU-Anleihen mit einem Volumen von 806 Mrd. Euro bis 2058 zurückgezahlt werden.
Die KOM legte vor diesem Hintergrund am 22. Dezember 2021 das sog. Eigenmittelpaket vor. Das Paket besteht aus einer Mitteilung „Die nächste Generation von Eigenmitteln für den EU-Haushalt“, einem Vorschlag zur Änderung des Eigenmittelbeschlusses und einem Vorschlag zur Änderung der Verordnung zur Festlegung des MFR für die Jahre 2021 bis 2027. Mit dem Vorschlag zur Änderung des Eigenmittelbeschlusses plant die KOM die Einführung von drei neuen Eigenmittelkategorien. Die Einnahmen aus den neuen geplanten Eigenmitteln beinhalten: 1.) 25 % der Einnahmen der Mitgliedstaaten aus dem bestehenden EU-Emissionshandelssystem (EHS), das auf den Seeverkehr ausgedehnt wird und bei dem Zertifikate für den Luftverkehr verstärkt versteigert werden, sowie aus dem neu einzurichtenden Emissionshandelssystem für Gebäude und den Straßenverkehr, 2.) 75 % der Einnahmen der Mitgliedstaaten aus dem einzurichtenden CO2-Grenzausgleichmechanismus (CBAM) und 3.) 15% des Anteils der durch Umsetzung der Säule 1 des OECD Zwei-Säulen-Projekts auf die Mitgliedstaaten umverteilten Gewinne multinationaler Konzerne. Hierzu beabsichtigt die KOM im Nachgang zur am 08.10.2021 erzielten Einigung von 136 Staaten (hierunter alle EU-Staaten, OECD-Mitglieder und die G20-Staaten) zur globalen Unternehmensbesteuerung im 3. Quartal 2022 einen Legislativvorschlag vorzulegen, um die 1. Säule dieser politischen Einigung hinsichtlich der Zuweisung von Besteuerungsrechten bei internationalen Unternehmen in EU-Recht umzusetzen. Hierbei wird nicht mehr allein auf digitale Unternehmen abgestellt, sondern nun generell auf multinationale Unternehmen in allen Branchen.
Im Rahmen des Finanzausschusses des Bundesrates hat die Senatsverwaltung für Finanzen an den Empfehlungen für den Bundesrat mitgewirkt und einen Antrag erarbeitet, der die Einführung dieser neuen Eigenmittel begrüßt. Die Einnahmen aus den drei neuen Eigenmitteln sollen ab 2023 in den EU-Haushalt fließen. Für den Zeitraum 2023-2030 rechnet die KOM mit Einnahmen von ca. 9 Mrd. EUR/Jahr aus dem EHS I und II, ca. 0,5 Mrd. EUR/Jahr aus dem CO2-Grenzausgleichmechanismus und ca. 2,5-4 Mrd. EUR/Jahr aus dem Eigenmittel auf Basis der Säule 1 des OECD Zwei-Säulen-Projekts.
Zu erwähnen bleibt an dieser Stelle, dass der EuGH am 16.02.2022 die Klagen von Ungarn und Polen gegen den im EU-Haushalt verankerten Konditionalitätsmechanismus abgewiesen hat, da dieser rechtskonform sei. Kürzungen sind allerdings nach dem EuGH-Urteil nur erlaubt, wenn der EU-Haushalt durch das Verhalten des Mitgliedstaates beschädigt und EU-Mittel nicht ordnungsgemäß verwendet werden. Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn die Behörden Gelder der EU in dem Land veruntreuen und dies dort nicht bestraft wird, weil Staatsanwaltschaften und Gerichte nicht unabhängig sind. Kurz nach der Wiederwahl des ungarischen Präsidenten im April 2022 hat die KOM den ersten Schritt des Rechtsstaatsmechanismus wegen möglicher Verstöße gegen Ungarn eingeleitet.
Stabilitäts- und Wachstumspakt
Die allgemeine Ausweichklausel der europäischen Fiskalregeln wird auch im Jahr 2022 weiter angewendet. Die KOM entschied sich zudem dazu, zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Rahmen der finanzpolitischen Überwachung keine Defizitverfahren einzuleiten. Die KOM beabsichtigte ursprünglich, bis zum Auslaufen der Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts Anfang 2023 Vorschläge für eine mögliche Reform des Regelwerks für die wirtschaftspolitische Steuerung zu unterbreiten. Im Rahmen ihrer Frühjahrsprognose wird die KOM allerdings prüfen, ob angesichts der fiskalischen und ökonomischen Auswirkungen des Ukraine-Krieges auch für 2023 die Aktivierung der Ausweichklausel angemessen und geboten ist.
Vollendung der Banken- und Kapitalmarktunion
Die Bankenunion ist ein Schlüsselelement der Wirtschafts- und Währungsunion der EU. Sie wurde als Reaktion auf die Finanzkrise von 2008 und die sich daraus ergebende Staatsschuldenkrise im Euro-Raum geschaffen. Mit der Bankenunion soll sichergestellt werden, dass der Bankensektor im Euro-Währungsgebiet und in der EU integriert sowie insgesamt stabil, sicher und zuverlässig ist und somit zur Finanzstabilität beiträgt. Die Integration der Bankenmärkte dient dabei nicht zuletzt dem Ziel, den sog. Staaten-Banken-Nexus aufzulösen, der sich in der Euro-Finanzkrise Anfang der letzten Dekade als Schwachstelle der Europäischen Währungsunion erwiesen hatte. Alle Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets sind Teil der Bankenunion. Die nicht dem Euro-Raum angehörenden Mitgliedstaaten können der Bankenunion beitreten, indem sie eine enge Zusammenarbeit mit der Europäischen Zentralbank eingehen.
Nach langjährigen Verhandlungen konnte der Durchbruch bei der Reform der Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Ende 2020 erzielt werden. Das Herzstück der ESM-Reform ist der sogenannte Common Backstop, die Letztsicherung für den einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsfonds (SRF). Der Common Backstop ermöglicht es dem ESM, als letzte Sicherungslinie Kredite an den SRF bereitzustellen, um Banken in Schieflage abzuwickeln. Nach dem der Bundesrat dem Gesetz zur Ratifizierung der ESM-Reform am 25.06.2021 zugestimmt hatte, wurde die Ausfertigung des Gesetzes durch den Bundespräsidenten auf Grund von Eilanträgen von mehreren Bundestagsabgeordneten der FDP vor dem Bundesverfassungsgericht vorläufig ausgesetzt. Die Beschwerdeführer sehen ihre Rechte als verletzt an, da die ESM-Reform – ihrer Auffassung nach – eine ,,verfassungsändernde Qualität“ habe und die deshalb für Grundgesetzänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit im Bundestag nicht zustande gekommen sei. Die ESM-Reform konnte daher noch nicht in Kraft treten, da das Urteil des Karlsruher Bundesverfassungsgerichts noch aussteht.
Steuern
Unternehmensbesteuerung
Am 8. Oktober 2021 erzielten 136 Länder und Gebiete auf der ganzen Welt, darunter alle EU-Mitgliedstaaten, G20-Mitglieder und OECD-Mitglieder, eine historische Einigung über eine globale Steuerreform, die eine Neuzuweisung von Besteuerungsrechten (Säule 1) sowie eine weltweite effektive Mindestbesteuerung (Säule 2) vorsieht. Im Februar 2022 legte die KOM eine Richtlinie zur Umsetzung der 2. Säule vor. Darin ist in Anlehnung an die von der OECD entwickelten Mechanismen ein Verfahren vorgesehen, um die Anwendung eines Mindeststeuersatzes von 15 % für den weltweiten Gewinn multinationaler Unternehmen zu sichern. Nach der Vorstellung der KOM sollen die auf Basis der Neuzuweisung von Besteuerungsrechten zusätzlich entstehenden Steuern in der Form von Abschöpfungen als Mittel zum EU-Haushalt zugeführt werden. Die Senatsverwaltung für Finanzen war über den Finanzausschuss des Bundesrates an den Beratungen beteiligt. Die Vorlage eines Legislativvorschlags zur Umsetzung der 1. Säule (Zuweisung von Besteuerungsrechten bei internationalen Unternehmen in EU) soll im 3. Quartal 2022 erfolgen. Hierbei wird nicht mehr allein auf digitale Unternehmen abgestellt, sondern es werden nun generell große multinationale Unternehmen in allen Branchen einbezogen.
Umbau des europäischen Mehrwertsteuersystems
Die Kommission arbeitet weiterhin an ihrem Ziel, ein modernes, einfacheres EU-Mehrwertsteuersystems, das weniger anfällig für Betrug und gleichzeitig unternehmensfreundlicher ist, zu schaffen. In diesem Zusammenhang will die Kommission weitere mehrwertsteuerliche Maßnahmen bis 2024 vorschlagen und umsetzen (u. a.: nur eine Registrierung für Mehrwertsteuerzwecke von EU-Unternehmen, Verbesserungen der Maßnahmen zur Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs sowie neuer Status des Mehrwertsteuerausschusses).
In diesem Zusammenhang hat der Europäische Rat im März 2022 Schlussfolgerungen zur Umsetzung des Mehrwertsteuerpakets für den elektronischen Handel verabschiedet. Dabei stellte er fest, dass die Mehrwertsteuervorschriften der EU klarer zu fassen, zu vereinfachen und zu modernisieren sind. Er weist noch einmal auf die Schlüsselrolle der einzigen Anlaufstelle für Mehrwertsteuer bei der Erfüllung der Mehrwertsteuerpflichten von Unternehmen bei Verkäufen im elektronischen Handel (OSS-EU) und der einzigen Anlaufstelle für die Einfuhr (IOSS) bei der Vereinfachung der Erklärung und Entrichtung der Mehrwertsteuer auf Fernverkäufe eingeführter Gegenstände hin. Im Einzelnen soll u. a. darüber entschieden werden, ob das OSS-EU-Verfahren auf alle B2C-Lieferungen und B2C-Dienstleistungen auszuweiten ist, die Verfahren OSS-EU und IOSS verpflichtend anzuwenden sind und ob die Sachwertgrenze von 150 Euro bei der Einfuhr von Gegenständen aus Drittlandsgebieten wegfallen soll.
Darüber hinaus ist für Oktober 2022 ein Vorschlag der Kommission zur Thematik „VAT in the digital age“ geplant, in dem es u. a. um transaktionsbasierte Meldepflichten gehen soll. In diesem Zusammenhang wird weiterhin erörtert, welches Potential der Einsatz moderner Technologien wie Blockchain im Bereich der Mehrwertsteuer hat.
Verbrauchsteuern
Die im Kontext des „Fit für 55”-Pakets vorgesehene Überarbeitung der Energiesteuerrichtlinie (RL 2003/96/EG) ist noch nicht abgeschlossen. Die Überarbeitung soll de facto Subventionen für fossile Brennstoffe abschaffen sowie zur CO2-Bepreisung und zur Senkung der Emissionen beitragen. Änderungen der Energiesteuerrichtlinie sind zwingend in nationales Recht (Energie- und Stromsteuergesetz) umzusetzen.
Im Jahr 2020 hatte die Generaldirektion TAXUD eine Studie zu den gemeinsamen Bestimmungen für den grenzüberschreitenden Erwerb von Produkten, die Verbrauchsteuern unterliegen, fertiggestellt. Auf der Basis der Ergebnisse sind Änderungen der Bestimmungen über den grenzüberschreitenden Erwerb von verbrauchsteuerpflichtigen Waren durch Privatpersonen vorgesehen. Darüber hinaus soll die Alkoholsteuerrichtlinie (Richtlinie 92/83/EWG) evaluiert werden. Dabei soll untersucht werden, ob die Verbrauchsteuersätze für Alkohol und alkoholische Getränke zum reibungslosen Funktionieren des EU-Binnenmarkts beigetragen haben. Eine öffentliche Konsultation ist für das erste Halbjahr 2022 vorgesehen. Ebenso werden die Regelungen der Richtlinie zur Besteuerung von Tabakwaren (RL 2011/64/EU) im Rahmen des europäischen Plans zur Krebsbekämpfung derzeit überprüft. Dabei sollen neben der Besteuerung auch die öffentliche Gesundheit, der illegale Handel und Umweltbelange berücksichtigt werden.