Wärme- und Fernwärmeregulierung gem. EWG Bln

Mit dem Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) soll der Anteil klimaschonender Wärme in den Berliner Wärmenetzen steigen. Wärmenetzbetreiber werden dazu verpflichtet, Wärmeerzeugungsanlagen Dritter, die klimaschonende Wärme produzieren, an ihr Netz anzuschließen. Das gilt aber nur, wenn sich die Anlagen in räumlicher Nähe befinden und die Einspeisung nicht nur geringfügiger Mengen geplant ist.

Für die Praxis kommt es damit entscheidend darauf an, was unter „klimaschonende Wärme“, „geringfügige Menge“ und „räumliche Nähe“ zu verstehen ist. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe als die für die Umsetzung der fernwärmebezogenen Regelungen nach EWG Bln zuständige Behörde in Berlin gibt nachfolgend eine unverbindliche Empfehlung ab, wie sie die Tatbestandsmarkmale von § 23 Abs. 1 EWG Bln derzeit interpretiert. Diese Empfehlung soll Anschlusspetent:innen und Wärmenetzbetreiber bei ihrer Prüfung unterstützen, wann im Einzelfall die Voraussetzungen für einen Netzanschluss an die Wärmenetze vorliegen.

Diese Empfehlung wurde auf Grundlage der gegenwärtigen (2022) Situation im Wärmemarkt erstellt. Es ist davon auszugehen, dass sich die Verhältnisse im Wärmemarkt (insbesondere die regulatorischen Vorgaben) verändern werden und damit auch die Auslegung der Tatbestandsmerkmale von § 23 Abs. 1 EWG Bln angepasst werden muss. Die Senatsverwaltung behält sich daher Änderungen ihrer nachfolgend dargestellten Empfehlungen vor.

Klimaschonende Wärme

Nur Anlagen, die klimaschonende Wärme bereitstellen, können einen Anschluss an die Wärmenetze verlangen. Bei klimaschonender Wärme kann es sich entweder um “erneuerbare Wärme” oder “unvermeidbare Abwärme” handeln (§ 2 Nr. 18 EWG Bln).

Der Begriff „erneuerbare Wärme“ wird in § 3 Absatz 2 des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) ebenfalls verwendet und kann damit für die Auslegung von § 2 Nr. 18 EWG Bln herangezogen werden. Demnach umfasst „erneuerbare Wärme“ insbesondere:
  • Geothermie
  • Umweltwärme (Wärme aus der Luft und dem Wasser)
  • Solarthermie
  • Nutzung von fester, flüssiger oder gasförmiger Biomasse (Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung, Bioabfälle, Deponiegas, Klärgas, Klärschlamm im Sinne der Klärschlammverordnung sowie Pflanzenölmethylesther). Auch Altholz der Kategorien A I und A II der Altholzverordnung sowie – über das GEG hinaus – der Kategorie A III der Altholzverordnung können zur Erzeugung klimaschonender Wärme eingesetzt werden.

Sofern Strom zur Wärmeerzeugung genutzt wird, muss der Strom aus erneuerbaren Quellen stammen. In diesem Fall ist Wärme aus Wärmepumpen und auch Wärme aus Elektrokesseln (Power-to-Heat) als erneuerbare Wärme und damit auch klimaschonende Wärme einzustufen. Der eingesetzte Strom muss entweder direkt aus Stromerzeugungsanlagen auf Basis von erneuerbaren Energien kommen oder es muss ein anderweitiger Nachweis über die Herkunft des Stromes aus erneuerbaren Energien erfolgen (etwa durch den Einsatz von Herkunftsnachweisen).

Unvermeidbare Abwärme“ umfasst nach § 2 Nr. 20 und Nr. 21 EWG Bln Wärme aus Abluft und Abwasser von technischen Prozessen und baulichen Anlagen. Zudem stellt auch Wärme, die als Nebenprodukt in technischen Prozessen entsteht, Abwärme dar. Ausdrücklich eingeschlossen ist damit Abfallwärme. Unvermeidbar ist Abwärme dann, wenn der technische Prozess oder die Anlage dem Stand der Technik zur Vermeidung von Abwärme entspricht.

Zu beachten ist, dass klimaschonende Wärme nicht gleichbedeutend ist mit klimaneutraler Wärme, die für den Zielzustand einer CO₂-freien Wärmeerzeugung erforderlich ist. Auf dem Weg dorthin wird neben einer CO₂-freien Wärme auch Wärme als klimaschonend angesehen, deren Bereitstellung nicht ohne CO₂-Emissionen auskommt (z. B. unvermeidbare Abwärme aus CO₂-behafteten Prozessen), wenngleich diese Emissionen durch den technischen Prozess und nicht durch die Wärmenutzung verursacht werden.

Geringfügige Mengen

Nur Anlagen, die nicht nur geringfügige Mengen an klimaschonender Wärme erzeugen, können gem. § 23 Abs. 1 EWG Bln beanspruchen, ans Wärmenetz angeschlossen zu werden. Der Netzanschlussanspruch zielt damit auf solche Anlagen, die einen signifikanten Beitrag zur Reduzierung von CO₂-Emissionen leisten und einen entsprechenden Klimanutzen stiften. Umgekehrt können Anlagen mit sehr geringer Wärmeeinspeisung keinen Netzanschluss beanspruchen, da hier dem geringen Klimanutzen vergleichsweise hohe Kosten/Aufwände für die Herstellung eines Netzanschlusses gegenüberstehen.

Um bei der Prüfung der Geringfügigkeit auch den Klimanutzen angemessen zu berücksichtigen, ist nicht allein auf die jährliche Wärmemenge, die von der Anlage voraussichtlich bereitgestellt wird, abzustellen. Vielmehr sind auch CO₂-Emissionen, die durch die eingespeiste Wärme vermieden werden, einzubeziehen. Hierzu sind jährliche CO₂-Emissionen des Wärmenetzes, an das die Anlage angeschlossen werden soll, zu betrachten. Als nicht geringfügig könnten solche Einspeisungen angesehen werden, die zu einer CO₂-Verringerung führen, die eine bestimmte Schwelle der jährlichen CO₂-Emissionen des Wärmenetzes überschreitet. Der netzspezifische Schwellenwert ist abhängig von der Größe des jeweiligen Wärmenetzes zu bestimmen und soll den unterschiedlichen Gegebenheiten und der Größe des jeweiligen Wärmenetzes Rechnung tragen. Der Schwellenwert ist gegebenenfalls beim Wärmenetzbetreiber zu erfragen.

Wie viel CO₂ vermieden werden kann, ist rechnerisch auf Grundlage der spezifischen CO₂-Emissionen des Wärmenetzes und der geplanten Einspeisemenge der anzuschließenden Anlage zu ermitteln. Die spezifischen Emissionen sind die absoluten Emissionen aller Wärmeerzeuger des Netzes (in Tonnen) bezogen auf deren gesamte Wärmeeinspeisemenge (in Megawattstunden). Die vermiedenen CO₂-Emissionen der Anlage ergeben sich als Produkt aus den spezifischen CO₂-Emissionen des Wärmenetzes (t/MWh) und der geplanten Einspeisemenge der Anlage (in MWh). Um den Unterschieden bei den spezifischen Emissionen eines Wärmenetzes im Jahresverlauf Rechnung zu tragen, soll die Ermittlung der vermiedenen Emissionen der Anlage auf Basis von Monatswerten erfolgen und über ein Kalenderjahr aufsummiert werden. Wenn die jährliche Menge an vermiedenem CO₂ den Schwellwert des Wärmenetzes überschreitet, ist davon auszugehen, dass es sich nicht um geringfügige Mengen handelt.

Räumliche Nähe

Als weitere Voraussetzung eines grundsätzlichen Anschlussanspruchs der Anlage an das Wärmenetz fordert § 23 Abs. 1 EWG Bln zudem, dass eine räumliche Nähe zwischen der anzuschließenden Anlage und dem Wärmenetz besteht. Damit sollen von vorneherein solche Netzanschlussbegehren verhindert werden, bei denen eine sehr lange Anschlussleitung bis zum nächsten geeigneten Netzanschlusspunkt zu errichten wäre. In einem solchen Fall stehen die Kosten/Aufwände meist nicht in einer angemessenen Relation zu der geplanten Einspeisemenge und damit zum Klimanutzen in Form von vermiedenen CO₂-Emissionen. Deswegen ist anzunehmen, dass die räumliche Nähe im Zusammenhang mit der Höhe der CO₂-Vermeidung steht. Dabei gilt: Je höher der voraussichtlich erzielbare Klimanutzen, desto eher ist ein höherer Aufwand für eine längere Anschlussleitung gerechtfertigt.

Für die praktische Anwendung dieser Verknüpfung der beiden Kriterien „räumliche Nähe“ und „geringfügige Mengen” folgt daraus, dass der netzspezifische Schwellwert (s.o.) für geringe Entfernungen zwischen Anlage und geeignetem Anschlusspunkt von bis zu 100 m Anwendung findet. Für Abstände von mehr als 100 m ist der Schwellenwert mit steigender Entfernung anzuheben, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass bei größerem Klimanutzen in Form einer höheren CO₂-Vermeidungsmenge auch der höhere Aufwand für eine längere Anschlussleitung gerechtfertigt sein kann. Konkret gilt der netzspezifische Schwellenwert von wenigen Promille für Entfernungen bis maximal 100 m und steigt dann linear an. Liegt der initiale Wert z. B. bei 2,5 Promille, so steigt dieser für eine Entfernung von 200 m auf 5 Promille und für eine Entfernung von 500 m auf 1,25 Prozent an. Anschlusspetenten können damit, wenn sie den netzspezifischen Schwellenwert und die spezifischen CO₂-Emissionen kennen, im Vorfeld einschätzen, ob ein Anspruch auf Anschluss an das Wärmenetz im Vorhinein ausscheidet oder dagegen in Betracht kommt.

Weitere Informationen zum Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) finden Sie auf der Seite Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz: https://www.berlin.de/sen/uvk/klimaschutz/klimaschutzpolitik-in-berlin/energiewendegesetz/