Vorstellung des 3. Monitoring-Berichts Queerfeindliche Gewalt in Berlin

Pressemitteilung vom 18.12.2024

Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung teilt mit:

Berlin legt den 3. Monitoringbericht Queerfeindliche Gewalt in Berlin vor und verfügt damit als einziges Bundesland über ein solches Instrument zur Bekämpfung von Hassgewalt gegen Lesben, Schwule, Bi+, trans* und intergeschlechtliche sowie queere Menschen (LSBTIQ+). Staatliche Stellen und Opferberatungseinrichtungen gehen bei den Gewaltfällen gegen LSBTIQ+ nach wie vor von einer hohen Dunkelziffer aus.

Neben dem Monitoring von Gewalt gegen LSBTIQ+ insgesamt, liegt der Schwerpunkt des Berichts 2024 auf dem Thema „Bi+Feindlichkeit und Gewalt“. In den Richtlinien der Regierungspolitik 2023-2026 hat sich der Berliner Senat dazu verpflichtet, die besonderen Bedarfe von bi+sexuellen Menschen stärker zu berücksichtigen. Neben der wissenschaftlichen Auswertung der polizeilichen Meldestatistik wurde eine multimethodische Studie zur Betroffenheit von Bi+Personen durch Diskriminierung und Gewalt für den Monitoring-Bericht durchgeführt.

Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, Cansel Kızıltepe: „Berlin ist Regenbogenhauptstadt und der Anstieg queerfeindlicher Hassgewalt muss uns alle alarmieren! Der Monitoringbericht zeigt, wie wichtig es ist, offizielle Statistiken mit den Perspektiven der Zivilgesellschaft zu verknüpfen. Durch die engagierte Arbeit der vielen zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen wird queerfeindliche Gewalt in Berlin sichtbarer – und Betroffene erhalten wichtige Unterstützung. Aber natürlich haben wir auch noch einiges zu tun. So ist es für bi+sexuelle Menschen ein großes Problem, dass ihre Identität oft nicht anerkannt wird. Das macht sie unsichtbar in unserer Gesellschaft – auch beim Thema queerfeindliche Gewalt. Darum hat der Senat in diesem Sommer die Fachstelle B+ beim Träger BiBerlin e.V. eingerichtet. Und wieder ist Berlin Vorreiter, denn die Fachstelle ist bundesweit bislang eine einmalige Einrichtung. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Sichtbarkeit und die Lebensumstände bi+sexueller Berliner*innen zu verbessern.“

Der Bericht erscheint im Rahmen der Umsetzung des Berliner LSBTIQ+ Aktionsplans 2023 zur Initiative „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt” (IGSV) im zweijährigen Rhythmus und wird von der Camino gGmbH erstellt.

Der Bericht ist zu finden unter: www.lsbti-monitoring.berlin/de/monitoring/

Ausgewählte Daten

Zu LSBTIQ+ insgesamt

  • Die Zahl queerfeindlicher Straftaten in Berlin erreichte mit 588 Vorfällen im Jahr 2023 einen neuen Höchststand. Auch die Zahl der Gewaltdelikte ist zuletzt angestiegen und lag 2022 mit 148 Gewalttaten höher als je zuvor, 2023 mit 127 Fällen weiterhin auf einem deutlich erhöhten Niveau.
  • Beleidigungen (45,4 %), (gefährliche) Körperverletzungen (21,0 %) sowie Volksverhetzung (7,1 %) gehören auch 2023 zu den am häufigsten begangenen queerfeindlichen Straftaten.
  • Die Hälfte der erfassten queerfeindlichen Straftaten spielten sich 2023 im öffentlichen Raum (44,6 %) und ÖPNV (11,2 %) ab. Allerdings fungieren auch stärker geschlossene Örtlichkeiten wie Wohngebäude (20,7 %), Freizeiteinrichtungen/Geschäfte/Gastronomie (9,9 %) oder Bildungseinrichtungen (3,9 %) oftmals als Tatorte. Knapp ein Fünftel der polizeilich erfassten Fälle (17,9 %) stellt sich als Online-Delikt unter Verwendung des sog. „Tatmittels Internet“ dar.
  • Die polizeilich ermittelten Tatverdächtigen sind fast ausnahmslos männlich, insbesondere bei Gewaltdelikten. Queerfeindliche Straftaten sind dabei keineswegs ein Phänomen der Jugenddelinquenz. Das Alter der Tatverdächtigen verteilt sich auf die gesamte Altersspanne von Minderjährigen unter 18 Jahren (12,7 %) bis zu über 60-Jährigen (12,1 %), die Altersgruppe zwischen 30 und 39 Jahren wird am stärksten auffällig (21,7 %).
  • Viele der ermittelten Tatverdächtigten sind nicht das erste Mal polizeilich auffällig geworden – zur großen Mehrheit (78,0 %) verfügt die Polizei vielmehr über Vorerkenntnisse zu den ermittelten Personen. Oftmals handelt es sich dabei um Vorerkenntnisse aus dem Bereich der Allgemeinkriminalität (47,1 %), bei fast einem Drittel aller Tatverdächtigen (30,9 %) aber auch oder ausschließlich um Vorerkenntnisse aus dem Bereich der Staatsschutzkriminalität, zu dem politisch motivierte Straftaten gehören.
  • Männliche Personen sind auch unter den durch die Polizei erfassten Geschädigten von queerfeindlichen Straftaten überproportional häufig vertreten. Ihr Anteil lag in den letzten Jahren zum Teil deutlich über siebzig Prozent, im Jahr 2023 bei 71,3 %.

Zum Schwerpunkt Bi+ Feindlichkeit

  • Das subjektive Sicherheitsgefühl vieler Bi+-Personen ist in Berlin insgesamt vergleichsweise positiv. Ungefähr die Hälfte der Befragten fühlt sich in Berlin sehr sicher (8,0 %) oder sicher (40,0 %) vor queerfeindlichen Übergriffen. Deutlich weniger Personen fühlen sich demgegenüber eher nicht sicher (15,2 %) oder gar nicht sicher (6,4 %).
  • Die Auseinandersetzung mit der Gefahr von queerfeindlichen Übergriffen ist unter den Befragten jedoch erheblich: Sehr viele Befragte beschäftigt die Möglichkeit von queerfeindlichen Übergriffen sehr stark (14,4 %) oder stark (36,8 %) – zusammengenommen also über die Hälfte der Befragten (51,2 %).
  • Die Hälfte der befragten Bi+ Personen (51,2 %) war in den letzten fünf Jahren von queerfeindlichen Übergriffen betroffen, deutlich mehr als ein Drittel (39,2 %) sogar in den zurückliegenden zwölf Monaten.
  • Von den Befragten, die Übergriffe erfahren haben, werden fast ausnahmslos – zumindest als seltene Erfahrungen – abfällige Bemerkungen, Anstarren und üble Nachrede (95,4 %) sowie Beleidigungen, verbale Bedrohungen oder körperliche Bedrohungen (81,3 %) genannt.
  • Die hohe Verbreitung von sexualisierter Anmache unter den von Übergriffen betroffenen Bi+-Personen ist für LSBTIQ+ Feindlichkeit allgemein typisch. Der erhöhte Anteil von Bi+-Personen, die nicht nur selten (28,1 %), sondern (sehr) oft (31,3 %) oder gelegentlich (15,6 %) Erfahrungen sexualisierter Übergriffigkeiten machen, spricht zugleich für ein besonders ausgeprägtes Risiko von Bi+ Personen.
  • Den Weg einer polizeilichen Anzeige von LSBTIQ+ oder bi+feindlichen Vorfällen geht ungefähr eine von zehn betroffenen Personen (9,4 %), ein noch kleiner Teil der Betroffenen (6,3 %) zeigt bei der Polizei an und teilt dabei zugleich die LSBTIQ+-feindlichen Hintergründe der Tat mit.