Fachkräfte sichern, Obdachlosigkeit beenden: Die Beschlüsse der 100. Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz in Berlin

Pressemitteilung vom 07.12.2023

Die Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung teilt mit:

Die Arbeits- und Sozialminister*innen und -Senator*innen der Länder haben sich auf ein umfassendes Konzept zur Fachkräftegewinnung, die zielgerichtete Bekämpfung der Obdachlosigkeit, die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Paketzustellern, mehr betriebliche Mitbestimmung in Zeiten der Künstlichen Intelligenz sowie weitere Maßnahmen verständigt.

Am 6. und 7. Dezember fand in Berlin die Jubiläumsveranstaltung der 100. Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz (ASMK) unter Vorsitz des Landes Berlin statt. Die ASMK ist eine der größten und traditionsreichsten Fachministerkonferenzen und so alt wie die Bundesrepublik.

Die ASMK-Vorsitzende Cansel Kiziltepe, Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales, hat am 7. Dezember auf einer Pressekonferenz gemeinsam mit der Hamburger Sozialsenatorin Melanie Schlotzhauer und dem Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen, Karl-Josef Laumann, die Beschlüsse der ASMK vorgestellt. Im Zentrum standen dabei der Leitantrag unter dem Titel Fachkräfte gewinnen und binden: Mit einer inklusiven Arbeitswelt, Guter Arbeit und beruflicher Bildung sowie das Bekenntnis der ASMK zu dem EU-Ziel der Beendigung der Obdachlosigkeit bis 2030.

Cansel Kiziltepe, Berliner Senatorin für Arbeit und Soziales: „Wenn wir über Fachkräfte reden, müssen wir uns klarmachen: Hinter dem Begriff Migration stecken viele Menschen, die zu uns kommen und mit anpacken wollen. Ihnen wollen wir durch eine Willkommenskultur den Weg zu guter Arbeit erleichtern. Berufliche Bildung ist ein Anreiz zur besseren Integration für die Zugewanderten, aber auch ein Weg, Fachkräftepotenziale hierzulande zu heben. Voraussetzung ist jedoch ein Dach über dem Kopf. Jetzt, wo der Winter Einzug gehalten hat, müssen wir Menschen vor der Kälte retten, die ihr schutzlos ausgeliefert sind. Obdachlose Menschen, deren Leben in den bitterkalten Straßen in Gefahr ist. Auf Antrag Berlins hat sich die Arbeits- und Sozialminister*innenkonferenz zu dem Ziel der Europäischen Union bekannt, die Obdachlosigkeit bis zum Jahr 2030 zu beenden. Wir wollen Obdachlosen ohne Vorbedingung eine Wohnung geben. Das bereits international erfolgreiche Konzept Housing First muss dafür dauerhaft ins soziale Regelsystem überführt und die Finanzierung gesichert werden. Hier erwarten wir Unterstützung vom Bund. Der Nationale Aktionsplan zur Bekämpfung von Obdachlosigkeit ist ein guter Anfang. Ausreichender Wohnraum ist der Schlüssel bei der Bekämpfung von Obdachlosigkeit, daher wollen wir eng mit der Bauminister*innenkonferenz ressortübergreifend zusammenarbeiten.“

Fachkräfte gewinnen und binden: Mit einer inklusiven Arbeitswelt, Guter Arbeit und beruflicher Bildung
Fachkräftegewinnung erfordert innovative Strategien in einem fach- und branchenübergreifenden Zusammenwirken. Die ASMK hat dieses Jahr Neues gewagt und in einem umfassenden Abstimmungsprozess die verschiedenen Handlungsfelder der ASMK – Arbeit, Soziales und Pflege – zusammengeführt. Um die vielfältigen wirtschaftlichen, sozialen und gesellschaftlichen Zukunftsaufgaben bewältigen zu können, sind die Hauptanliegen: Zugang zu beruflicher Aus- und Weiterbildung für alle, ungenutzte Fachkräftepotenziale erschließen, Gute Arbeit als Schlüssel für Fachkräftegewinnung sowie ausländische Fachkräfte gewinnen und halten. Nur mit geeigneten Fachkräften lassen sich die Digitalisierung der Arbeitswelt, Klimaneutralität bis 2045 sowie die dauerhafte Bereitstellung hochwertiger Gesundheits-, Pflege- und Inklusionsleistungen bewältigen.

Melanie Schlotzhauer, Sozialsenatorin in Hamburg: „Deutschland hat ein Fachkräfteproblem und Zuwanderung ist ein Teil der Lösung. Gelingende Zuwanderung ist dabei abhängig davon, dass wir es den Menschen, die zu uns kommen um zu arbeiten, so einfach wie möglich machen. Bürokratische Hürden dürfen nicht im Weg stehen. Wir zeigen hier Mittel und Wege auf, um die Verfahren zu vereinfachen. Eine bessere Kommunikation aller beteiligten Institutionen untereinander und die Verschlankung der inhaltlichen Voraussetzungen für die Vergabe eines Aufenthaltstitels sind hier die richtigen Hebel.“

„Jeder Rücken zählt“ – Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Paketzusteller
Wenn der Postbote klingelt und die Weihnachtsgeschenke nicht mehr heben kann – die Suche nach dem besten Weihnachtsgeschenk wird auch dieses Jahr den Onlinehandel ankurbeln und damit auch einen Boom der Paketbranche auslösen. Paketzusteller*innen sind in der umsatzstärksten Jahreszeit großen Arbeitsbelastungen in prekären Arbeitsverhältnissen ausgesetzt. Beschäftigte der Kurier-, Express- und Paket-Branche haben ein überdurchschnittlich hohes Risiko körperliche Erkrankungen und werden besonders häufig in Subunternehmen beschäftigt. Dies wirkt sich nachteilig auf die Arbeits- und Entgeltbedingungen der Paketzusteller*innen aus. Daher setzen sich die Arbeits- und Sozialminister*innen dafür ein, dass die Bundesregierung ihre angekündigte Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Paketzusteller auf den Weg bringt und eine Gewichtsbegrenzung für das Einpersonen-Handling von Paketen auf 20 Kilogramm eingeführt wird. Für weitere Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Paketzusteller*innen fordern die Mitglieder der ASMK auch ein Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal zum Transport und zur Auslieferung sowie eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes zur Verankerung der Arbeitszeitdokumentationspflicht.

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales in Nordrhein-Westfalen: „Die Arbeit der Paketbotinnen und Paketboten ist mehr als nur das Liefern von Paketen. Das wird in der Vorweihnachtszeit besonders deutlich. Sie liefern gewünschte Bestellungen jeglicher Art bei Wind und Wetter an die Haustür der Menschen. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass sie ihre Arbeit unter guten Rahmenbedingungen erledigen können. Arbeits- und sozialrechtswidriges Verhalten dürfen wir nicht dulden. Subunternehmerketten erschweren die Kontrolle und Durchsetzung von Arbeitnehmerrechten und Arbeitsschutzvorschriften. Bei Subunternehmen besteht in aller Regel keine tarifvertragliche Bindung und es gibt keine Arbeitnehmervertretung. Damit halte ich ein Verbot von Werkverträgen in der Kurier-, Express, Paket-Branche für unerlässlich. Die Verschärfungen durch die Einführung der Nachunternehmerhaftung haben bisher keine Wirkung gezeigt. Daher haben wir jetzt einen entsprechenden Antrag als Nordrhein-Westfalen in die ASMK eingebracht und ich freue mich, dass dieser Zuspruch findet und die Länder den Bund nun erneut zum Handeln auffordern.“

Digitalisierung und Künstliche Intelligenz braucht Mitbestimmung und einen zukunftsfähigen Arbeits- und Gesundheitsschutz
Transformationsprozesse werden durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) beschleunigt. Dies hat Auswirkungen auf Arbeitsbedingungen. Daher braucht es mehr berufliche Weiterbildung und eine Stärkung der betrieblichen Mitbestimmung der Beschäftigten. Die ASMK fordert den Bund auf, unter Beteiligung der Länder das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) an die digitalen Rahmenbedingungen anzupassen sowie Vorschläge zur Erweiterung des Anwendungsbereichs, zum Beispiel bei der Einführung der Künstlichen Intelligenz (KI) vorzulegen. Die Länder sind überzeugt, dass digitale Kompetenzen und ein souveräner Umgang mit neuen Technologien Voraussetzung Guter Arbeit ist. Gerade vor dem Hintergrund zunehmend mobilen Arbeitens und algorithmischen Managements, das nicht auf Bereiche wie die Plattformökonomie beschränkt ist, braucht es digitale Gesundheitskompetenz.

Besserer Schutz für Kinder-Influencer
YouTube, Instagram, TikTok – überall in den sozialen Medien sind Kinder und Jugendliche zu finden, die sich selbst oder gemeinsam als Familien-Influencer präsentieren und Produkte präsentieren. Dabei ist ein Klick von Usern ausreichend, um in die private Wohnung von Kinder-Influencern einzutauchen. Damit wird das Privatleben von Kindern und Jugendlichen kommerzialisiert und wirtschaftliche Gewinne durch die sozialen Medien erzielt. Wenn auch nicht ganz trennscharf, so handelt es sich bei Kinder-Influencern dennoch um eine Form der Beschäftigung, Eltern nehmen insofern eine Arbeitgeberposition ein. Deshalb bedarf es für Kinder-Influencer-Marketing einer Konturierung der Schutzgesetze, um den Schutz der Minderjährigen auch im Netz zu gewährleisten. Diese Form der Beschäftigung kann die Persönlichkeitsentwicklung und das seelische Wohl der Kinder-Influencer gefährden. Daher fordern die Arbeits- und Sozialminister*innen den Bund auf, die geltenden Schutzgesetze, wie das Jugendarbeitsschutzgesetz nachzuschärfen und sich auf europäischer Ebene für abgestimmte Regelungen einzusetzen, denn Kinder-Influencer sind im weltweiten digitalen Raum tätig. Vorbild kann hierfür das Regelungsmodell von Frankreich sein, in dem sich seit 2021 ein Schutzgesetz ausdrücklich den Influencern widmet.

ASMK positioniert sich zur Pflegereform
Berlin hat als Gastgeber der 100. ASMK im Juni eine Sonderkonferenz zur Pflege veranstaltet, in der sich die Länder auf gemeinsame Positionen zur dringend erforderlichen Pflegereform geeinigt haben und klare Forderungen zu weiteren Reformschritten an den Bund gerichtet haben. Auch in der Hauptkonferenz sind wichtige Beschlüsse zur Sicherung der Pflege getroffen worden. Im Vordergrund der Beschlüsse in den Pflegeberufen steht die Attraktivitätssteigerung der Pflegeausbildungen sowie der Beschäftigung in der Pflegebranche sowie die Sicherstellung der Finanzierung der Ausbildungssysteme ohne weitere Belastung der Pflegebedürftigen. Im Vordergrund der Beschlüsse in den Pflegeberufen steht die Attraktivitätssteigerung der Pflegeausbildungen sowie der Beschäftigung in der Pflegebranche sowie die Sicherstellung der Finanzierung der Ausbildungssysteme ohne weitere Belastung der Pflegebedürftigen.

Hierzu fordern die für Pflege zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren den Bund auf:
  • die Ausbildungskosten für die Pflegehilfs- und -assistenzausbildungen aus dem Umlagesystem herauszunehmen und damit die Eigenanteile der Pflegebedürftigen zu senken. Die derzeit notwendigen hohen Aufwuchs- und Ausbildungsbedarfe aufgrund der Reformen in der Personalbemessung belasten einseitig die Pflegebedürftigen und benachteiligen Pflegeeinrichtungen, die sich in der Ausbildung engagieren.
  • den Qualifikationsmix in den Pflegeeinrichtungen, einschließlich der Einbindung akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen, im Leistungsrecht attraktiver zu gestalten, z.B. durch die Definition von Aufgabenbeschreibungen für akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen, durch die Verordnungs- und Abrechnungsfähigkeit im Rahmen der Delegation und Substitution übernommenen heilkundlichen Tätigkeiten sowie der Anpassung und Verstärkung von Fördermaßnahmen zur Weiterentwicklung der Arbeitsorganisation.
  • der Verbesserung von Arbeits- und Rahmenbedingungen in der Pflege z.B. durch die Etablierung eines Pflegeforschungsprogramms sowie der Unterstützung kleiner und mittlerer Pflegebetriebe bei der Anbindung an die Telematik-Infrastruktur um die Digitalisierung und fachliche Weiterentwicklung in der Pflege voran zu treiben.“

Dr. Ina Czyborra, Berliner Senatorin für Pflege: „Die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung ist jetzt und in der Zukunft eine Herausforderung für die wir nachhaltige Lösungen brauchen. Neben den Pflegediensten und Pflegeeinrichtungen sind hier auch Bund und Länder in der Pflicht und müssen dafür Hand in Hand gehen. Pflegefachkräfte zu halten und zu gewinnen ist eine der dringlichsten Aufgaben. Dies muss möglich sein, auch ohne Pflegebedürftige und ihre An- und Zugehörigen weiter zu belasten. Von den Ländern ging heute ein deutliches Signal zur Fachkräftesicherung, Verbesserung der tarifgerechten Entlohnung und Entlastung von Pflegebedürftigen an den Bund aus. Ich appelliere mit Nachdruck an die Bundesregierung, die Forderungen der Länder aufzugreifen und zügig umzusetzen, damit gute Pflege eine Zukunft hat.“

Ein Foto der Übergabe vom aktuellen Vorsitzland Berlin an das neue Vorsitzland Hamburg können wir Ihnen auf Anfrage gerne zuschicken. Anfragen an: pressestelle@senasgiva.berlin.de (pressestelle@senasgiva.berlin.de)