Dennis Buchner war von November 2021 bis März 2023 Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses. Im Interview mit dem Rechnungshof sprach er anlässlich des 70. Geburtstags im September 2022 über die Zusammenarbeit zwischen Parlament und Behörde
Herr Präsident Buchner, was fällt Ihnen als erstes ein, wenn Sie an den Rechnungshof von Berlin denken?
Ich denke an die jährliche Übergabe des Jahresberichts des Rechnungshofes an das Parlament. Und ich denke natürlich an seine Präsidentin, Frau Klingen, die einen Platz in unserem Plenum hat, wo sie regelmäßig die Debatten im Parlament verfolgt.
Können Sie sich an eine besondere Prüfung erinnern?
Als Präsident des Abgeordnetenhauses erinnere ich mich besonders an die Prüfung der Fraktionen. Der Rechnungshof hat dort keine Skandale aufgedeckt. Aber er hat einige nützliche Tipps gegeben und einige kleinere Mängelanzeigen gefertigt, die ich mit den Fraktionen besprechen musste.
Was geschieht mit dem Jahresbericht, wenn er ins Abgeordnetenhaus kommt?
Es gibt ein festes Verfahren: Der Bericht geht in den zuständigen Ausschuss, der sich damit befasst, und ins Plenum des Abgeordnetenhauses, in dem die Präsidentin des Rechnungshofes Rederecht hat und anschließend eine Debatte über den Bericht stattfindet.
Ändert sich durch die Berichte des Rechnungshofes etwas?
Ich gehe davon aus, dass es auf fruchtbaren Boden fällt, wenn der Rechnungshof an eine sparsame Haushaltswirtschaft erinnert. Das aktuelle Beispiel, die Prüfung der Gesundheitsverwaltung in der Pandemie-Zeit …
… der Rechnungshof hat in einem Beratungsbericht an die Gesundheitsverwaltung eine bessere Vorbereitung auf Krisen gefordert ….
… betraf eine sicher besonders herausfordernde Situation für das Land Berlin mit dem großen Druck, schnell politische Entscheidungen treffen zu müssen. Dabei sind Fehler passiert. Der Bericht des Rechnungshofes ist eine gute Grundlage dafür, dass wir beim nächsten Mal – und ich hoffe, die nächste Pandemie kommt nicht so schnell – einige Dinge besser machen.
Der Berliner Rechnungshof wird gelegentlich auch als „Ritter ohne Schwert“ bezeichnet, weil er keine Sanktionen verhängen kann. Er kann Veränderungen nur anmahnen. Wären Sanktionsmöglichkeiten für den Rechnungshof aus Ihrer Sicht ein Zuviel an Kompetenzen?
Entscheidend ist, dass die Legitimität des Parlaments als Haushaltsgesetzgeber nicht in Frage steht. Die gewählten Abgeordneten sind dafür verantwortlich, den Haushalt aufzustellen und den Vollzug des Haushaltes zu beurteilen. Im Rahmen der Gewaltenteilung gibt die Exekutive – also der Senat und seine Verwaltung – das Geld aus, das die Parlamentarier zur Verfügung stellen. Am Ende muss die Sanktionsmöglichkeit daher bei den Parlamentariern liegen. Der Rechnungshof ist dabei ein wichtiger Ratgeber, um Hinweise auf fehlerhaftes Handeln zu bekommen. Denn Abgeordnete haben als Einzelpersonen ja nicht die Möglichkeit, selbst zu prüfen. Wenn man aber dem Rechnungshof selbst die Sanktionsmöglichkeiten geben würde, würden die Rechte des Parlaments ein Stück weit beschnitten.
Sie sind in Lübeck geboren, haben in Bonn studiert. Wie erleben Sie die Berliner Verwaltung? Manche Medien schreiben ja gerne über einen „Failed State Berlin“.
Die Berliner Verwaltung ist deutlich besser als ihr Ruf. Als ich 2002 aus Nordrhein-Westfalen nach Berlin gekommen bin, war das Ziel noch, die Verwaltung zu verkleinern. Weil es Bevölkerungsprognosen gab, die davon ausgingen, dass wir uns eher in Richtung drei als vier Millionen Einwohner entwickeln werden. Wir haben zu diesem Zeitpunkt auch Schulen geschlossen und in Plattenbauten obere Etagen abgerissen, weil wir geglaubt haben, wir vermieten das nie wieder. Das hat sich in den Jahren danach gedreht. Berlin ist populärer, sexier geworden, hat Wirtschaft, Kultur, Touristen angezogen.
Die Bevölkerung ist nicht geschrumpft, sondern gewachsen …
… irgendwann musste man den Schalter wieder umlegen und Menschen für die Verwaltung gewinnen. In den besten Jahren hatten wir ein jährliches Bevölkerungswachstum von 50.000 Menschen. Was ja heißt, weil es gleichzeitig immer Leute gibt, die wegziehen, dass man in einem Jahr 70.000, vielleicht sogar 100.000 Menschen „verwalten“ musste. Bezogen auf die neu Zugezogenen bedeutet das, neue Ausweise auszustellen, Kfz-Anmeldungen durchzuführen, Kita- und Schulplätze sowie Wohnungen anzubieten. Die Verwaltung hat mitten in diesem Umbruch viel geleistet. Das ändert aber nichts daran, dass wir in den nächsten Jahren weiterhin gute Leute für die Verwaltung gewinnen müssen – und das in einer Stadt mit der Konkurrenz durch die Bundesverwaltung. Die Berliner Verwaltung muss schon deshalb ein familienfreundlicher und leistungsfähiger Arbeitgeber sein.
Was wünschen Sie dem Rechnungshof für die nächsten 70 Jahre?
Dass er weiter die notwendigen Ressourcen bekommt, seine Tätigkeit auszuüben, und dass es weiter eine partnerschaftliche Zusammenarbeit besonders mit dem Landesparlament gibt. Der Rechnungshof ist für uns vielleicht der wichtigste Partner, wenn es darum geht, die Finanzen des Landes Berlin und die Ausgaben der Exekutive zu kontrollieren.