Pressemitteilung zum Jahresbericht 2011

Pressemitteilung vom 19.05.2011

Der Rechnungshof hat heute entsprechend seinem Verfassungsauftrag den Jahresbericht 2011 dem Abgeordnetenhaus vorgelegt und den Senat unterrichtet. Der Bericht fasst bedeutsame Ergebnisse der Prüfungen des vergangenen Jahres zusammen. Er dient dem Abgeordnetenhaus als Grundlage für seine Entscheidung über die Entlastung des Senats für das Haushaltsjahr 2009, ggf. einzuleitende Maßnahmen und die Missbilligung von Verwaltungshandeln.

Der Rechnungshof befasst sich – wie in jedem Jahr – mit der Finanzlage des Landes Berlin. Dabei geht er auch auf die neuen Regelungen zur Begrenzung der Schuldenaufnahme sowie die daraus resultierenden Entwicklungen ein. Berlin steht vor der großen Herausforderung, sein milliardenschweres Defizit kontinuierlich abzubauen. Dies macht es mehr denn je erforderlich, die Grenzen der Finanzierbarkeit von Vorhaben deutlich abzustecken.

Der unabdingbare, strikte Konsolidierungskurs muss unterstützt werden durch wirtschaftliches und zielgerichtetes Verwaltungshandeln. Hierzu geben die Prüfungsfeststellungen des Rechnungshofs zur Haushalts- und Wirtschaftsführung Berlins auch in diesem Jahr Hinweise und Empfehlungen. Der Jahresbericht 2011 legt einen besonderen Schwerpunkt auf die Notwendigkeit von angemessenen Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Vorfeld finanzwirksamer Entscheidungen, insbesondere bei öffentlichen Baumaßnahmen. Zudem stehen Organisations- und Steuerungsdefizite im Fokus der Kritik des Rechnungshofs. Der Rechnungshof setzt auch seine Berichterstattung zur Personalwirtschaft von Landesbetrieben und -unternehmen fort. Die im Jahresbericht 2011 beanstandeten, monetär bezifferbaren Ausgaben und Einnahmeausfälle sowie die nicht erschlossenen Einsparpotenziale belaufen sich auf insgesamt ca. 95 Mio. €.

Nachfolgend wird ein Überblick über die im Jahresbericht 2011 enthaltenen Einzelfälle gegeben.

Strukturell unausgeglichen

Die Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise hat auch im Berliner Landeshaushalt deutliche Spuren hinterlassen. Das Finanzierungsdefizit war im Jahr 2010 mit 1,4 Mrd. € annähernd so groß wie im Vorjahr. Die aktuelle Finanzplanung sieht für die Jahre 2011 bis 2014 neue Schulden von insgesamt 8,2 Mrd. € vor. Selbst wenn – entsprechend der Eckwerte, die der Senat im März beschlossen hat – deutlich weniger neue Kredite aufgenommen werden müssen, wird der Schuldenberg Berlins bis Ende 2015 auf 67 Mrd. € anwachsen. Das wären für jede(n) Einwohner(in) immerhin rd. 19.500 €. Die Zinsausgaben würden sich – trotz der nun günstigeren Prognose – bis zum Jahr 2015 auf 2,7 Mrd. € erhöhen. Die Haushaltslage wird auch dadurch belastet, dass die sog. Solidarpaktmittel, die im Jahr 2011 noch ein Volumen von 1,5 Mrd. € haben, bis 2020 wegfallen werden.

Neue Schuldenregel umsetzen
Da die wachsende Schuldenlast nicht nur für den Berliner Landeshaushalt bedrohlich ist, wurde im Jahr 2009 eine neue Begrenzungsregelung für die Schuldenaufnahme in das Grundgesetz aufgenommen. Die Länder müssen ihre Haushalte ab 2020 grundsätzlich ohne neue Kredite ausgleichen. Die Rechnungshöfe warnen davor, die sog. Schuldenbremse zu umgehen oder auszuhöhlen, z. B. durch Verlagerung öffentlicher Kreditaufnahmen auf landeseigene Unternehmen, durch eine Flucht in Sonderfinanzierungen oder durch überhöhte Kreditaufnahmen im Übergangszeitraum. Maßnahmen zur dauerhaften Entlastung der öffentlichen Haushalte sollten frühzeitig umgesetzt und Handlungskonzepte bereits mit der Aufstellung des nächsten Haushalts verabschiedet werden.

Der Senat sieht bislang keine Veranlassung für eine rasche Umsetzung der neuen Schuldenregel in das Landesrecht. Der Rechnungshof empfiehlt dennoch, durch ihre zügige Aufnahme in die Landesverfassung und die Landeshaushaltsordnung das Bewusstsein für die engen Grenzen der Finanzierungsmöglichkeiten aus dem Landeshaushalt zu schärfen. So führen z. B. unverhofft höhere Einnahmen gegenüber dem Haushaltsplan regelmäßig zu Diskussionen darüber, wie diese verwendet werden können. Es darf aber nicht aus dem Blickfeld geraten, dass in solchen Fällen lediglich weniger Schulden aufgenommen werden müssen. Auch vor diesem Hintergrund sieht der Rechnungshof mit Sorge die aktuellen Diskussionen über die mögliche „Rekommunalisierung“ von vormals landeseigenen Unternehmen, wie z. B. des anteiligen Rückkaufs der Berliner Wasserbetriebe. Der Rechnungshof kann nicht erkennen, wie derartige Vorhaben mit einem finanziellen Volumen von mehreren hundert Millionen € finanziert werden können, ohne dass in erheblichen Umfang finanzielle Risiken eingegangen werden müssen.

Notwendigen Konsolidierungskurs unterlegen
Damit Berlin das grundsätzliche Kreditaufnahmeverbot ab 2020 einhalten kann, können dem Land bis zum Jahr 2019 Konsolidierungshilfen von jährlich 80 Mio. € unter der Bedingung gewährt werden, dass das für das Jahr 2010 festgestellte strukturelle Defizit jährlich um 10 v. H. abgebaut wird. Einzelheiten der Berechnung und des Verfahrens sind in einer Verwaltungsvereinbarung geregelt, die der Bund mit dem Land Berlin abgeschlossen hat. Darin wird für das Jahr 2010 von einem strukturellen Defizit von 2 Mrd. € ausgegangen, das jährlich um 200 Mio. € verringert werden muss.

Der im Jahr 2010 eingerichtete Stabilitätsrat überwacht sowohl das Konsolidierungshilfenverfahren als auch die Haushalte des Bundes und der Länder und fordert bei einer drohenden Haushaltsnotlage ein Sanierungsprogramm ein. Nach Auswertung ausgewählter Haushaltskennziffern und weiterer Analysen könnte der Stabilitätsrat dem Land Berlin am 23. Mai 2011 eine drohende Haushaltsnotlage attestieren. Berlin hätte dann ein Sanierungsprogramm aufzustellen und dem Stabilitätsrat halbjährlich über dessen Umsetzung zu berichten. Trotz konjunktureller Erholung wird sich Berlin einem harten Konsolidierungskurs unterwerfen müssen, bei dem es bis 2020 keine Spielräume für neue oder höhere Ausgaben geben kann. Das bedeutet aber auch, dass es bei den steuerbaren Ausgaben überproportionale Einschnitte geben muss, wenn es unvermeidbare Mehrausgaben bei den nicht steuerbaren Ausgaben gibt bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit geben wird, insbesondere aufgrund gesetzlicher Verpflichtungen. Der Rechnungshof erwartet, dass in einem Sanierungsprogramm – anders als in der aktuellen Finanzplanung – die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen im Einzelnen konkret unterlegt werden (T 15 bis 31).

Erneut angemahnt

Dem Rechnungshof wird gelegentlich entgegen gehalten, er bewirke wenig. Diese Einschätzung trifft regelmäßig nicht zu, denn seine Feststellungen und Empfehlungen stoßen sowohl im Parlament als auch bei den geprüften Einrichtungen einen Diskussionsprozess an, der zu Veränderungen führt. Denn jede Verwaltung muss daran interessiert sein, ordnungsgemäß und wirtschaftlich zu handeln. Wenn jedoch, wie in den folgenden Fällen, auch nach Jahren keine ausreichenden Konsequenzen aus Prüfungsergebnissen gezogen worden sind, mahnt der Rechnungshof dies durch erneute Berichterstattung an.

Berlin bei Übernahme von Unterkunftskosten weiterhin auf Abwegen
Der Rechnungshof hatte bereits in seinem Jahresbericht 2007 ungerechtfertigte Mehrbelastungen des Landeshaushalts bei den Leistungen an Arbeitsuchende für Unterkunft und Heizung infolge rechtswidriger Ausführungsvorschriften der Sozialverwaltung beanstandet. Nachdem auch der Bund die Berliner Regelungen kritisiert und Berlin auf Schadenersatz verklagt hatte (was Berlin letztlich 14 Mio. € kostete), hat die Senatsverwaltung mit Wirkung vom 1. März 2009 geänderte Ausführungsvorschriften zur Ermittlung der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung erlassen. Jedoch enthalten auch diese nach wie vor Richtwerte, die dem geltenden Recht und der Rechtsprechung widersprechen. Die Richtwerte wirken als Höchstwerte, bis zu deren Höhe die Kostenübernahme unabhängig von Wohnungsgröße und Wohnungsstandard erfolgt. Somit kam es für die meisten Leistungsfälle zu keiner Prüfung der Angemessenheit durch die Jobcenter und damit ggf. auch zur Anerkennung unangemessen hoher Unterkunftskosten. Weil die Jobcenter das Erfordernis einer zeitnahen Überprüfung selbst in den Fällen missachteten, in denen die Richtwerte überschritten wurden, ist es zu weiteren ungerechtfertigten Mehrausgaben in Millionenhöhe gekommen. Der Rechnungshof fordert die Sozialverwaltung auf, endlich für eine rechtskonforme Ausführung der bundesrechtlichen Vorgaben in Berlin zu sorgen (T 113 bis 122).

Anhaltende Vergabemängel bei Reinigungsleistungen
Der Rechnungshof hat bereits wiederholt festgestellt, dass Bezirksämter ihrer Verpflichtung zur regelmäßigen Ausschreibung von Reinigungsleistungen im Schulbereich nicht nachkommen. Eine aktuelle Auswertung förderte zutage, dass nur für jeden zweiten bezirklichen Schulstandort die Reinigung vorschriftsgemäß in den letzten drei Jahren ausgeschrieben wurde. Die Bezirksämter Mitte, Reinickendorf, Spandau und Marzahn Hellersdorf haben sogar für 96 v. H. ihrer Schulstandorte die Reinigungsleistungen mit einem jährlichen Ausgabevolumen von 14,8 Mio. € bereits sieben Jahre und länger nicht mehr öffentlich ausgeschrieben. Der Rechnungshof hat auf die positiven Beispiele anderer Bezirke verwiesen und erwartet – auch im Interesse der Korruptionsprävention -, dass die Leistungen nun regelmäßig im Wettbewerb vergeben werden (T 131 bis 143).

Zugesagter Abbau von Vergünstigungen seit 2004 nicht umgesetzt
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gewähren ihren Beschäftigten und Pensionären Freifahrten sowie deren Ehegatten Fahrpreisermäßigungen. Der Rechnungshof hatte hierüber bereits in seinem Jahresbericht 2004 berichtet. Obwohl die BVG seinerzeit eine stufenweise Abschaffung dieser Vergünstigungen zugesagt hatten, erhielten im Jahr 2010 noch immer rd. 20 000 Personen Freifahrten und über 7 000 Personen Fahrpreisermäßigungen. Die daraus resultierenden Einnahmeausfälle betragen – nach Berechnungen der BVG – jedes Jahr mehr als 3 Mio. €. Als einzig konkreten Schritt zum Abbau der Vergünstigungen schließen die BVG seit dem 1. Mai 2010 mit neu eingestellten Mitarbeitern eine Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag ab. Hiernach wird dem Beschäftigten auf Antrag unentgeltlich ein Fahrausweis als freiwillige Leistung des Arbeitgebers ohne Anerkennung einer Rechtspflicht gewährt. Ansprüche nach Renteneintritt sind ausgeschlossen. Die BVG haben auf Nachfragen des Rechnungshofs zwar wiederholt weitergehende Änderungen in Aussicht gestellt, diese aber nicht umgesetzt. Der Rechnungshof hält dies für nicht vertretbar und erwartet, dass die BVG die Vergünstigungen endlich abschaffen (T 238 bis 254).

Großzügig entlohnt

Auch andere Landesbetriebe gewähren ihren Beschäftigten teils großzügige oder sachlich nicht nachvollziehbare Vergütungen und Zusatzleistungen.

Tariffreie Zone
Die landeseigene BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH wendet weder Tarifverträge an noch besteht ein differenziertes betriebliches Vergütungssystem. Der Rechnungshof hat für vergleichbare Tätigkeiten große Unterschiede bei den Vergütungen der Beschäftigten der BIM festgestellt. Das Zielvereinbarungssystem weist erhebliche Mängel auf, sodass es wiederholt zu ungerechtfertigt hohen Bonuszahlungen gekommen ist. Ferner werden einigen Beschäftigten sachlich nicht gerechtfertigte Nebenleistungen gewährt, z. B. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten (statt üblicherweise sechs Wochen). Der Rechnungshof erwartet von der Senatsverwaltung für Finanzen als Beteiligungsverwaltung, dass sie auf eine zügige Behebung der Mängel hinwirkt, insbesondere für ein sachgerechtes Tarif- bzw. Vergütungssystem sorgt (T 214 bis 222).

Fehlerhafte Eingruppierungen
Aus Anlass der Überleitung der Angestellten in den Tarifvertrag für die Charité – Universitätsmedizin Berlin (TV-Charité) hat der Rechnungshof die Personalausgaben für Angestellte im Verwaltungsbereich geprüft und dabei Verstöße gegen das Tarifrecht festgestellt. So wurden Arbeitsgebiete im Vorstandsbereich, in der Klinikumsdirektion, in den Kaufmännischen Leitungsbereichen der 17 Centren und der zentralen Verwaltung teils mehrfach höher bewertet – in einigen Fällen noch kurz vor der Überleitung. Sachliche Gründe hierfür waren ebenso wenig erkennbar wie für die vorgefundenen unterschiedlichen Bewertungen von Aufgabengebieten mit weitgehend identischen Tätigkeiten. Außerdem wurden vielfach Zulagen ohne oder mit nur unzureichender Begründung gewährt. Diese Mängel wirken sich zugunsten der einzelnen Beschäftigten aus und verursachen jährliche Mehrausgaben von insgesamt etwa 550 000 €. Der Rechnungshof erwartet erneut, dass die Charité als juristische Person des öffentlichen Rechts mit erheblichem Zuschussbedarf aus dem Landeshaushalt die einschlägigen tariflichen Regelungen strikt anwendet (T 223 bis 237).

Pauschale Zusatzvergütungen
Auch bei der Staatsoper Unter den Linden hat der Rechnungshof sachlich nicht gerechtfertigte Leistungen zugunsten der Beschäftigten vorgefunden. Beispielsweise werden den Musikern auf der Grundlage einer getroffenen Vereinbarung seit dem Jahr 2008 außertarifliche Zulagen von insgesamt 400 000 € jährlich gewährt, um eine Vergütungsdifferenz zur Sächsischen Staatskapelle auszugleichen. Tatsächlich findet jedoch keine differenzierte Ermittlung des Zulagenbetrages unter Berücksichtigung der persönlichen Voraussetzungen statt, sondern eine pauschale Verteilung der hierfür bereitgestellten Mittel. Der Rechnungshof hat anhand von Vergleichsberechnungen festgestellt, dass Beschäftigten zum Teil deutlich höhere Vergütungen gezahlt wurden als ihren Kollegen der Sächsischen
Staatskapelle. Auch den Chormitgliedern stehen unter bestimmten Voraussetzungen zusätzliche Sondervergütungen zu. Seit dem Jahr 2008 gewährt die Staatsoper diese Leistungen in pauschalierter Form einheitlich an alle Chormitglieder. Diese Verfahrensweise hat zu einer Verdoppelung der jährlichen Aufwendungen für Sondervergütungen auf über 429 000 € (2009) geführt. Nach Feststellungen des Rechnungshofs standen den besonderen Vergütungen nur in Einzelfällen entsprechende Gegenleistungen der Chormitglieder gegenüber. Die Pauschalierung für alle Chormitglieder ist daher nicht angebracht. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatskanzlei im Rahmen ihrer Staatsaufsicht eine ordnungsgemäße Personalwirtschaft bei der Staatsoper gewährleistet (T 64 bis 76).

Schlecht organisiert

Ein Ziel der Prüfungstätigkeit des Rechnungshofs ist es, auf eine kostengünstigere und wirksamere Aufgabenerfüllung der Verwaltung hinzuwirken. Der Jahresbericht gibt hierzu wesentliche Hinweise.

Steuerungsdefizite beim IT-Einsatz
Im Jahr 2004 hatte der Senat Verwaltungsvorschriften für die Steuerung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung erlassen. Damit sollte der IT-Einsatz wirtschaftlich, sicher und anforderungsgerecht organisiert werden. Zudem sollten sich Planung, Entwicklung, Beschaffung, Betrieb und Nutzung der IT nach einheitlichen Grundsätzen richten. Die hierfür notwendigen Regelungen stehen jedoch noch überwiegend aus. Ebenso sind wichtige Fragen der IT-Strategie ungeklärt. Der Rechnungshof wirft der für die zentrale Steuerung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung zuständigen Senatsverwaltung für Inneres und Sport insoweit grundlegende Versäumnisse vor. Das Ziel, den IT-Einsatz zu vereinheitlichen und dadurch wirtschaftlicher zu gestalten, wird so nicht erreicht. Dass erhebliche Effizienzpotenziale bestehen, zeigt der Rechnungshof am Beispiel einer Untersuchung der Wirtschaftlichkeit des Serverbetriebs in der Berliner Verwaltung auf. Derzeit werden etwa 2 000 Server in unterschiedlichen Konfigurationen an einer Vielzahl von Standorten eigenständig in den jeweiligen Behörden betrieben. Dies verursachte im Jahr 2009 insgesamt Kosten von 15,8 Mio. €. Der Rechnungshof hat mit Unterstützung eines Beratungsunternehmens verschiedene Varianten erarbeitet, auf deren Basis bei besserer Flexibilität und Sicherheit die Kosten für den Serverbetrieb erheblich reduziert werden können. So ließen sich durch technische und räumliche Zusammenführung der bestehenden heterogenen Serverinfrastrukturen und Anwendung moderner Technologien bis zu 25 Mio. € innerhalb von acht Jahren einsparen. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung ihrer Steuerungsverantwortung gerecht wird und für einen wirtschaftlichen IT-Einsatz in der Berliner Verwaltung sorgt (T 77 bis 100).

Betriebsprüfung im Rückstand
Die Betriebsprüfung stellt für die Steuerverwaltung ein wichtiges Instrument dar, um den Besteuerungsanspruch des Staates durchzusetzen und die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten. Hierbei ist neben einer sachgerechten Fallauswahl auch der Zeitablauf von erheblicher Bedeutung. Je später Prüfungen durchgeführt und daraus resultierende Nachforderungen festgesetzt werden, desto geringer ist erfahrungsgemäß die Chance, diese zu realisieren. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass es die Betriebsprüfungsstellen von drei Finanzämtern nicht vermocht haben, eine zeitnahe Überprüfung aller für eine Betriebsprüfung vorgesehenen Fälle zu gewährleisten. Sie schoben im Zeitpunkt der Erhebungen des Rechnungshofs ein Arbeitsvolumen von mehr als zwei Jahren vor sich her. Dabei war ein großer Teil der unerledigten Fälle bereits seit Jahren für eine Prüfung vorgesehen. Der Rechnungshof befürchtet Steuerausfälle von bis zu 7 Mio. €, weil prüfungsbedürftige Sachverhalte wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung nicht mehr aufgegriffen werden können. Ursächlich für die vorgefundenen Bearbeitungsmängel waren neben der personellen Unterbesetzung auch Führungs- und Steuerungsdefizite. Der Rechnungshof hält insbesondere eine vollständige Besetzung der vorhandenen Stellen für Betriebsprüfer sowie eine Verbesserung der IT-Unterstützung für geboten. Soweit Änderungen der Steuerfestsetzung noch zulässig waren, hat die Bearbeitung der vom Rechnungshof beanstandeten Altfälle inzwischen bereits zu Steuernachforderungen von mehr als 2,6 Mio. € geführt (T 192 bis 197).

Notfallrettung zu oft im Einsatz
Die Arbeit der Berliner Feuerwehr wird durch personalwirtschaftliche und organisatorische Mängel beeinträchtigt. Der Rechnungshof hat u. a. kritisiert, dass für den Personalbedarf relevante Daten, z. B. Alarmierungs- und Einsatzzahlen, fehlerhaft erhoben und ohne Kontrolle verwendet worden sind. Die Zahl der Rettungsdiensteinsätze ist nach den aktuellen Angaben der Feuerwehr für das Jahr 2010 auf fast 280 000 angestiegen. Dabei wurde das Ziel eines Eintreffens am Einsatzort binnen acht Minuten vielfach verfehlt. Nach dem Rettungsdienstgesetz werden Notfallrettung und Krankentransport organisatorisch getrennt wahrgenommen – die Notfallrettung von der Feuerwehr und Krankentransporte von privaten Krankentransportunternehmen. Nur in Ausnahmefällen dürfen Krankentransporte auch von der Feuerwehr durchgeführt werden. Zwischen Notfallrettung und Krankentransport kann aber bei Eingang der einzelnen Meldungen nicht immer eindeutig unterschieden werden. Deswegen wird häufig von einem Notfall ausgegangen, obwohl nur ein Bagatellfall vorliegt oder eine Versorgung vor Ort durch einen Bereitschaftsarzt der Kassenärztlichen Vereinigung ausreichend oder ein Krankentransport angemessen wäre. Solch vermeintliche Rettungseinsätze der Feuerwehr beeinträchtigen jedoch die effektive Wahrnehmung ihrer originären Aufgaben und verursachen mit 281 € deutlich höhere Kosten als Krankentransporte (knapp 60 €). Um den Berliner Rettungsdienst insgesamt bedarfsgerecht, leistungsfähig und wirtschaftlich zu gestalten, liegt der Senatsverwaltung für Inneres und Sport seit über zehn Jahren die Empfehlung eines Beratungsunternehmens vor, eine gemeinsame Leitstelle von Feuerwehr und privaten Krankentransportunternehmen zu errichten. Dies ist jedoch – ohne ersichtlichen Grund – bisher nicht geschehen. Der Rechnungshof beanstandet dieses langjährige Versäumnis und erwartet, dass die Senatsverwaltung umgehend auf die Einrichtung einer integrierten Leitstelle hinwirkt (T 101 bis 112).

Unwirtschaftlich gebaut

Öffentliche Bauvorhaben sind stets an Wirtschaftlichkeitsmaßstäben auszurichten, denn sie binden langfristig erhebliche öffentliche Mittel. Angesichts der Finanzlage Berlins ist es im besonderen Maße geboten, die Erforderlichkeit und die Wirtschaftlichkeit unter Anlegung strenger Maßstäbe zu beurteilen, um einen sparsamen, wirtschaftlichen und zielgenauen Mitteleinsatz zu gewährleisten. Gleichwohl werden die für Bauvorhaben adäquaten Instrumente und Verfahren der Planung und Steuerung vielfach nicht ordnungsgemäß angewandt.

19 Jahre Bauzeit für die Sanierung eines Gerichtsgebäudes
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat in den Jahren 1991 bis 2010 im Justizgebäude Littenstraße eine Sanierung und Grundinstandsetzung für über 55 Mio. € durchgeführt. Sie hat das Bauvorhaben unter Verletzung des parlamentarischen Budgetrechts und haushaltsrechtlicher Vorschriften nicht als große Baumaßnahme, sondern als Bauunterhaltungsmaßnahme behandelt. So hat sie den Bedarf für das Bauvorhaben nicht vorab ordnungsgemäß ermittelt und auch keine vollständigen, maßnahmeangemessenen Bauplanungsunterlagen aufgestellt. Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass sie große Teile des Dachgeschosses zu Büroräumen ausbauen ließ, obwohl hierfür keine Notwendigkeit bestand. Außerdem hat die Senatsverwaltung die jährlichen Haushaltsansätze überwiegend zu gering bemessen und die Finanzierung der Baumaßnahme nicht durchgehend sichergestellt. Deswegen musste sie während eines elfmonatigen Baustillstands eine Innenhofrüstung abbauen und später wieder aufstellen lassen. Außerdem hat die Senatsverwaltung den Wettbewerb im Rahmen der Auftragsvergaben nicht umfassend gewährleistet, ein sachgerechtes Vertragsmanagement nicht durchgeführt und ihre Leitungs- und Steuerungsfunktion nur unzureichend wahrgenommen. Die Mängel und Versäumnisse haben zu einer unwirtschaftlichen Bauzeit von 19 Jahren geführt und vermeidbare Ausgaben von mindestens 2 Mio. € ausgelöst. Der Rechnungshof hat das Verhalten der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung beanstandet und erwartet, dass sie bei künftigen Hochbaumaßnahmen im Bestand das vorgesehene Regelverfahren anwendet und ihre Leitungs- und Steuerungsfunktion ordnungsgemäß wahrnimmt (T 144 bis 160).

Hoher Fördermitteleinsatz für einen Betonzylinder und eine Lichtinstallation
Im Rahmen des Programms Stadtumbau West hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung dem Bezirk Tempelhof-Schöneberg für das Projekt „Schwerbelastungskörper“ – es handelt sich hierbei um einen im Jahr 1941 errichteten Betonzylinder, mit dem die Belastung des Untergrundes für den vom NS-Regime geplanten „Triumphbogen“ simuliert werden sollte – Fördermittel in der Absicht bewilligt, den Standort aufzuwerten und so zu dessen Imagebildung beizutragen. Bei den ursprünglich vorgesehenen Maßnahmen zur Sicherung des Bauwerks und zur Öffnung des Geländes blieb es aber nicht. Neben einer umfangreichen Betonsanierung wurden auch ein Aussichtsturm in aufwendiger Stahlbauweise sowie ein massiver Pavillon errichtet und mit zusätzlichen Metallgitterfassaden verkleidet. Im Ergebnis hat die Senatsverwaltung anstelle der ursprünglich geschätzten Baukosten von 160 000 € Fördermittel von insgesamt 900 000 € bereitgestellt. Entgegen der Planung ist das Gelände nun nicht frei zugänglich, es wird zeitweise für Besichtigungen und Führungen genutzt.

Im Rahmen eines anderen Projekts aus dem Programm „Stadtumbau West“ hat die Senatsverwaltung dem Bezirk Neukölln Fördermittel für eine Lichtinstallation in der Unterführung am S-Bahnhof Neukölln bereitgestellt, um die Eingangssituation der Karl-Marx-Straße nach Neukölln aufzuwerten. Obwohl der in Anlehnung an ein ähnliches Projekt ursprünglich ermittelte Kostenrahmen bei 50 000 bis 100 000 € lag, hat die Senatsverwaltung dem Bezirk für das Projekt „Neuköllner Tor“ im Ergebnis Fördermittel von 411 000 € gewährt. Die Lichtinstallation war zuletzt nicht mehr in Betrieb.

Der Rechnungshof beanstandet, dass die Senatsverwaltung in erheblichem Umfang Fördermittel für Stadtumbauprojekte bewilligt hat, ohne zuvor die Wirtschaftlichkeit auf der Grundlage haushaltsrechtlich vorgeschriebener Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen geprüft zu haben. Sie hat insbesondere nicht untersucht, ob der Mitteleinsatz angesichts der erheblichen Kostensteigerungen noch in einem angemessenen Verhältnis zu den Maßnahmezielen steht und ob das jeweilige Projekt weiterhin vorrangig ist. Sie hat außerdem kostengünstigere Realisierungsmöglichkeiten außer Betracht gelassen. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vor der Gewährung von Fördermitteln für Baumaßnahmen wie auch bei erheblichen Maßnahmeänderungen und signifikanten Kostensteigerungen dafür sorgt, dass die Wirtschaftlichkeit nachvollziehbar geprüft wird (T 161 bis 181).

Vermeidbare Ausgaben für eine nicht benötigte Biogasanlage
Die Berliner Stadtreinigungsbetriebe (BSR) haben für den Neubau zweier Biogasanlagen im Rahmen einer ersten Ausbaustufe umfassende Planungsleistungen beauftragt und in Marzahn und Spandau Grundstücke für 1,7 Mio. € erworben, ohne zuvor eine angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt zu haben. Erst nachträglich angestellte Betrachtungen haben ergeben, dass die Errichtung nur einer Biogasanlage wirtschaftlich vorteilhaft ist. Daraufhin haben die BSR ihre Konzeption geändert und beschlossen, zunächst nur eine Biogasanlage am Standort Spandau zu errichten. Die unwirtschaftlichen Unternehmensentscheidungen bei der Vorbereitung der Bauaufgabe haben vermeidbare Ausgaben von 825 000 € für Umplanungen, gegenstandslos gewordene Planungsteile und den Erwerb des Grundstücks am Standort Marzahn ausgelöst. Die BSR haben zudem die ökologische Vorteilhaftigkeit der jetzt gewählten Realisierungsvariante nicht nachgewiesen und die Auswirkungen der Investitionen auf die Kundenentgelte nicht untersucht. Der Rechnungshof erwartet, dass die BSR für die geplante Biogasanlage in Spandau eine umfassende Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vorlegen und die Planungen am Standort Marzahn erst dann weiterführen, wenn tatsächlich ein entsprechender Bedarf prognostiziert und festgestellt ist (T 255 bis 268).

Neubau eines Medieninnovationszentrums trotz ungeklärten Bedarfs
Die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB) hat zur Förderung von Projekten im Bereich der Medienkompetenz einen Gebäudekomplex für ein Medieninnovationszentrum mit einer Nutzfläche von 1 654 m² und geschätzten Gesamtkosten von 8,1 Mio. € in zwei Bauabschnitten geplant, obwohl dem Vorhaben kein entsprechender, im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ermittelter langfristiger Bedarf zugrunde liegt. Außerdem hat sie vor der Entscheidung für einen Neubau naheliegende Alternativen, z. B. Mietlösungen, nicht weiter verfolgt. Im Jahr 2009 hat die MABB zur Umsetzung des Vorhabens ein Baugrundstück in Potsdam-Babelsberg für 664 000 € erworben. Das Gebäude des 1. Bauabschnitts mit Nutzflächen von 970 m² sowie die Tiefgaragenplätze für beide Bauabschnitte sind inzwischen errichtet worden. Das nicht bedarfsgerechte Neubauvorhaben hat bisher Ausgaben von 6,2 Mio € (Grunderwerbskosten, Bau- und Planungskosten) ausgelöst. Die den Haushalt der MABB belastenden jährlichen Bewirtschaftungskosten für das errichtete Gebäude werden auf 110 000 € geschätzt. Die MABB sucht seit dem Jahr 2010 nach geeigneten Nutzungen für Flächen im Umfang von 700 m². Der Rechnungshof beanstandet das unwirtschaftliche Handeln der MABB und erwartet, dass auch sie künftig angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen anstellt. Dabei sind insbesondere der konkrete Bedarf festzustellen, die zur Bedarfsdeckung geeigneten Lösungsmöglichkeiten zu ermitteln und die wirtschaftlichste Realisierungsvariante auszuwählen. Vor dem Hintergrund des fehlenden Bedarfs erwartet der Rechnungshof, dass die MABB den geplanten 2. Bauabschnitt – wie angekündigt – nicht mehr realisiert (T 269 bis 282).

Aus Fehlern gilt es zu lernen. Dennoch finden die nach Abschluss von Baumaßnahmen gebotenen Erfolgskontrollen praktisch nicht statt – so das Ergebnis einer Auswertung von 127 großen Hochbaumaßnahmen mit Gesamtkosten von 660 Mio. €. Dies ist nicht hinnehmbar, zumal die Erkenntnisse aus abschließenden Erfolgskontrollen eine wesentliche Grundlage für die wirtschaftliche Vorbereitung und Durchführung künftiger Baumaßnahmen darstellen (T 182 bis 191).

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