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Pressemitteilung zum Jahresbericht 2012

Pressemitteilung vom 31.05.2012

Der Rechnungshof legt heute entsprechend seinem Verfassungsauftrag den Jahresbericht 2012 dem Abgeordnetenhaus vor und unterrichtet den Senat. Der Bericht fasst bedeutsame Ergebnisse der Prüfungen des vergangenen Jahres zusammen. Er dient dem Abgeordnetenhaus als Grundlage für seine Entscheidung über die Entlastung des Senats für das Haushaltsjahr 2010, ggf. einzuleitende Maßnahmen und die Missbilligung von Verwaltungshandeln.

Ausgangspunkt der Ausführungen des Rechnungshofs ist die finanzwirtschaftliche Entwicklung des Landes Berlin. Die aus der neuen Schuldenregel im Grundgesetz resultierenden Vorgaben erfordern weitere Konsolidierungsanstrengungen zur dauerhaften Entlastung des Haushalts.

Im folgenden Teil des Jahresberichts stellt der Rechnungshof seine Prüfungsergebnisse zu der vom Senat im September 2011 dem Abgeordnetenhaus vorgelegten Haushalts- und Vermögensrechnung 2010 dar. Vorbehalte hat der Rechnungshof hier vor allem gegen die fehlerhafte und unvollständige Aufstellung des Vermögens Berlins. Zudem weist er auf das erneute Überschreiten der verfassungsrechtlichen Kreditobergrenze hin.

Schließlich enthält der Jahresbericht ausgewählte Prüfungserkenntnisse zur Haushalts- und Wirtschaftsführung Berlins von erheblicher finanzieller oder exemplarischer Bedeutung. Der Rechnungshof moniert unnütze Geldausgaben sowie ineffektives oder nicht korrektes Verwaltungshandeln. Zugleich wirkt er mit seinen Hinweisen und Empfehlungen aktiv auf Verbesserungen hin. Die Beanstandungen im Jahresbericht 2012 summieren sich, soweit konkret bezifferbar, auf insgesamt über 90 Mio. €. Darunter sind auch Einsparpotenziale in Millionenhöhe. Der Rechnungshof erwartet, dass nicht nur die jeweils geprüften Stellen, sondern alle Behörden und Einrichtungen des Landes Berlin den Jahresbericht auswerten und entsprechende Schlussfolgerungen für ihre Bereiche ziehen.

Nachfolgend wird ein Überblick über die im Jahresbericht 2012 enthaltenen Einzelfälle gegeben. Der Jahresbericht wird auch als Drucksache des Abgeordnetenhauses erscheinen.

Berlins Finanzen ins Lot bringen
Die Finanzlage Berlins ist – trotz der konjunkturellen Erholung und der positiven aktuellen Steuerschätzung – weiterhin dramatisch.

Das Finanzierungsdefizit für das Jahr 2011 beträgt 1,1 Mrd. €. Die Finanzplanung sieht für die Jahre 2012 bis 2015 neue Schulden von 2,6 Mrd. € vor. Selbst wenn sich diese Summe nach dem Haushaltsplanentwurf für 2012 und 2013 noch etwas verringern könnte, wird der Schuldenberg Berlins bis Ende 2015 auf ca. 65 Mrd. € anwachsen. Das wären für jeden Einwohner bzw. jede Einwohnerin rd. 18 600 €. Die jährlichen Zinsausgaben werden sich bis zum Jahr 2015 auf rd. 2,4 Mrd. € erhöhen. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass das Zinsniveau nicht so niedrig bleibt wie das momentan der Fall ist. Die Verschuldungssituation verschlechtert sich also weiter. Ein Schuldenabbau ist nicht in Sicht.

Im Jahr 2009 wurde im Grundgesetz die sog. Schuldenbremse verankert. Die Bundesländer müssen ihre Haushalte ab 2020 grundsätzlich ohne neue Kredite ausgleichen. Die Rechnungshöfe warnen davor, die Schuldenbremse zu umgehen oder auszuhöhlen, z. B. durch die Verlagerung öffentlicher Kreditaufnahmen auf landeseigene Unternehmen oder durch überhöhte Kreditaufnahmen im Übergangszeitraum. Der Senat sieht – im Gegensatz zu den meisten anderen Bundesländern – bislang keine Veranlassung für eine rasche Umsetzung der neuen Schuldenregel in das Landesrecht. Der Rechnungshof erwartet demgegenüber, dass auch Berlin seine Verfassung bzw. Landeshaushaltsordnung im Sinne der neuen Schuldenregel ändert, damit das Bewusstsein für die engen Grenzen der Finanzierungsmöglichkeiten geschärft wird.

Damit Berlin das grundsätzliche Kreditaufnahmeverbot ab 2020 einhalten kann, werden dem Land bis 2019 Konsolidierungshilfen von jährlich 80 Mio. € gewährt. Voraussetzung ist, dass das für das Jahr 2010 festgestellte strukturelle Defizit von rd. 2 Mrd. € jährlich um 10 %, also um 200 Mio. €, abgebaut wird.

Der im Jahr 2010 eingerichtete Stabilitätsrat überwacht sowohl das Konsolidierungshilfenverfahren als auch die Haushalte des Bundes und der Länder. Er hat am 23. Mai 2011 festgestellt, dass dem Land Berlin eine Haushaltsnotlage droht. Daher musste mit dem Stabilitätsrat ein Sanierungsprogramm vereinbart werden. Das Sanierungsprogramm des Senats bezieht sich auf die Jahre 2012 bis 2016 und enthält den Sanierungspfad, die Sanierungsplanung (auf der Basis der Finanzplanung 2011 bis 2015) und die Sanierungsmaßnahmen (auf der Basis des Haushaltsplanentwurfs 2012/2013). Dem Stabilitätsrat ist halbjährlich über die Umsetzung des Programms zu berichten.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass zwischen 2001 und 2010 vor allem die Ausgabenblöcke der Personal- und der Investitionsausgaben zur Konsolidierung des Haushalts beigetragen haben. In der aktuellen Finanzplanung werden nur die Investitionsausgaben sichtbar abgesenkt. Der Rechnungshof hält einen Anteil der Investitionsausgaben an den Gesamtausgaben von deutlich weniger als 10 %, der im Finanzplanungszeitraum sogar noch weiter sinkt, allerdings für bedenklich. Mittel- und längerfristig droht ein erheblicher Investitionsstau. Der Rechnungshof erwartet, dass auch bei den übrigen Ausgabeblöcken weitere Konsolidierungspotenziale erschlossen werden.

Festzuhalten bleibt auch in diesem Jahr, dass Berlin trotz konjunktureller Erholung und steigender Steuereinnahmen einen strikten Konsolidierungskurs einhalten muss, bei dem es bis 2020 keine Spielräume für neue oder höhere Ausgaben ohne Einsparungen an anderer Stelle geben kann (T 11 bis 43).

Personal- und Sachausgaben gezielt senken
Für eine dauerhafte Konsolidierung der Landesfinanzen bedarf es schlanker, effektiver Verwaltungsstrukturen. Zudem gilt es, vermeidbare Sachausgaben zu identifizieren. Der Jahresbericht zeigt beispielhaft auf, wo noch Handlungsmöglichkeiten bestehen.

Erhebliche Ausstattungsunterschiede in Querschnittsbereichen und Standesämtern der Bezirke
Die Senatsverwaltung für Finanzen veröffentlicht regelmäßig in der Publikation „Was kostet wo wie viel?“ die Kosten ausgewählter Verwaltungsleistungen im Vergleich aller Bezirke. So werden beispielsweise für die Standesämter die Produkte „Eheschließung/Begründung einer Lebenspartnerschaft“ und „Standesamtliche Beurkundungen“ mit sehr unterschiedlichen Kosten aufgeführt. Vergleichbare Feststellungen gibt es für interne Verwaltungsaufgaben nicht, obwohl es für die für Personal und Finanzen zuständigen Serviceeinheiten sowie die Steuerungsdienste der Bezirke ebenfalls möglich und auch erforderlich wäre. Der Rechnungshof hat daher die Stellen- und Personalausstattung der bezirklichen Serviceeinheiten und Steuerungsdienste sowie der Standesämter aller Bezirke anhand von Kennzahlenvergleichen geprüft. Für ein Benchmarking wurden Kennzahlen genutzt, die der Rechnungshof hier durch die Buchungen in der Kosten- und Leistungsrechnung der Bezirke (Produktmengen und Stellenanteile) errechnet hat. Er zeigt auf, dass die Bezirksämter – zumindest rein rechnerisch – Einsparpotenziale in Millionenhöhe in der Organisation der bezirklichen Serviceeinheiten, Steuerungsdienste und Standesämter bisher nur wenig genutzt haben. Die Prüfung macht darüber hinaus deutlich, dass Vergleiche in allen Bereichen der Verwaltung notwendig sind, um umfassende Transparenz über den Ressourcenverbrauch zu erhalten (T 72 bis 97).

Vermeidbare Ausgaben für Niederschlagswasserbeseitigung
Das in Berlin auf Grundstücken anfallende Niederschlagswasser leiten die Berliner Wasserbetriebe (BWB), sofern es nicht versickert werden kann, über öffentliche Entwässerungsanlagen entgeltpflichtig ab. Für Niederschlagswasserentgelte haben allein die Bezirksämter in den Jahren 2008 bis 2010 insgesamt 19,5 Mio. € (im Durchschnitt 6,5 Mio. € jährlich) ausgegeben.

Bei der Einführung des Niederschlagswasserentgelts durch die BWB im Jahr 2000 haben mehrere Bezirksämter sowie zwei Universitäten die für die Bemessung des Entgelts maßgeblichen Grundstücksangaben nicht stichtagsnah und sorgfältig überprüft und notwendige Korrekturen den BWB für die Entgeltberechnung nicht umgehend mitgeteilt. Dadurch haben sie unnötige Ausgaben von mindestens 1,8 Mio. € verursacht. Aus Anlass der Prüfung durch den Rechnungshof haben vier Bezirksämter und zwei Universitäten die für die Entgeltbemessung bedeutsamen Grundstücksverhältnisse zum Teil vertieft überprüft und Korrekturen bei der Entgeltberechnung veranlasst. Allein hierdurch können künftig jährlich mehr als 140 000 € an Niederschlagswasserentgelten eingespart werden. Der Rechnungshof erwartet, dass sowohl die geprüften als auch die anderen flächenverwaltenden Stellen Berlins alle Anstrengungen unternehmen, um bei der Niederschlagswasserbeseitigung unnötige Ausgaben zu vermeiden (T 98 bis 113).

Nachteilige Pflegesatzvereinbarungen und Nichtbeachtung des Nachranggrundsatzes der Sozialhilfe
In Berlin gibt es ca. 300 stationäre Pflegeeinrichtungen mit über 32 500 Plätzen. Nach Angaben der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales sind ca. 40 % der Pflegeheimbewohner Berlins auf Leistungen der Sozialhilfe angewiesen, weil die Leistungen der Pflegeversicherung, eigenes Einkommen oder Vermögen sowie finanzielle Unterstützungen durch Angehörige nicht ausreichen, um die Kosten für den Heimaufenthalt zu decken. Das Land Berlin hat im Haushaltsjahr 2010 ca. 136,6 Mio. € für stationäre Hilfen zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII geleistet.

Die Senatsverwaltung hat Pflegesätze zu vereinbaren und dabei verschiedene Pflegeklassen zu berücksichtigen. Für Bewohner mit außergewöhnlich hohem Pflegebedarf (z. B. bei Wachkoma und schwerer Demenz) können seit Juli 2008 in anerkannten Härtefällen Zuschläge zum höchsten Pflegesatz vereinbart werden. Demgegenüber hat die Senatsverwaltung nicht nur in anerkannten Härtefällen, sondern generell Zuschläge für besondere Personengruppen vereinbart. Die Pflegesätze aller Pflegeklassen erhöhen sich dadurch in Form eines einheitlichen Preisaufschlags. Der Rechnungshof beanstandet dies, weil es den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Pflegesatzverfahrens widerspricht. Außerdem hat die Senatsverwaltung hingenommen, dass vorrangige gesetzliche Ansprüche krankenversicherter Pflegeheimbewohner nicht durch Verträge der Einrichtungs- träger mit den Krankenkassen gesichert wurden. Infolgedessen musste das Land Berlin als Träger der Sozialhilfe in den Jahren 2007 bis 2011 einspringen (T 169 bis 179).

Bei Investitionen an die Zukunft denken
Der Senat beabsichtigt – als Ausdruck seiner Konsolidierungspolitik – das ohnehin niedrige Investitionsniveau in den kommenden Jahren weiter abzusenken. Der Rechnungshof hält diese Entwicklung für bedenklich. Ungeachtet dessen gilt es, bei der Planung von Investitionen die entstehenden Folgekosten stärker als bisher in den Blick zu nehmen. Angesichts knapper Mittel ist es insbesondere bei Bauvorhaben geboten, Planungen mit dem Ziel eines wirtschaftlichen Gebäudebetriebes zu optimieren. Zudem ist rechtzeitig für eine hinreichende Finanzierung der in der Nutzungsphase anfallenden Kosten zu sorgen. Die Prüfungsergebnisse des Rechnungshofs weisen hier auf Versäumnisse hin.

Fehlender frühzeitiger Überblick über die Nutzungskosten von öffentlichen Gebäuden
Nutzungskosten entstehen fortlaufend über die gesamte Nutzungsphase eines Gebäudes und können zusammengenommen die Investitionskosten übersteigen. Gerade vor dem Hintergrund steigender Energiekosten sind die Baudienststellen Berlins gehalten, bereits bei der Planung von Baumaßnahmen die Nutzungskosten als wichtigen Kostenfaktor zu berücksichtigen. Dennoch haben Baudienststellen die Nutzungskosten bei der Planung von Hochbaumaßnahmen vielfach nicht oder nicht vollständig ermittelt und dargestellt. Die für Bauen zuständige Senatsverwaltung hat die fehlenden und unzureichenden Angaben im Zuge ihrer Prüfung der Bauplanungsunterlagen nicht beanstandet. Diese Versäumnisse haben allein in elf geprüften Fällen dazu geführt, dass die geplanten Nutzungskosten im Verhältnis zu den tatsächlichen Nutzungskosten der fertiggestellten und genutzten Gebäude um insgesamt 1,2 Mio. € pro Jahr zu niedrig eingeschätzt wurden (T 180 bis 209).

Fehlendes Finanzierungskonzept für die kulturelle Nutzung der Zitadelle Spandau
Die Zitadelle Spandau wird als Baudenkmal seit Jahrzehnten mit Mitteln des Landes Berlin, des Europäischen Strukturfonds und mit Lotto-Mitteln umfangreich saniert. Der Rechnungshof hatte in seinem Jahresbericht 2002 eine über den bloßen Erhalt hinausgehende Nutzungs- und Entwicklungsplanung gefordert. Nach dem im Jahr 2006 vorgelegten Entwicklungskonzept des Senats werden die für die Öffentlichkeit zugänglichen Frei- und Gebäudeflächen der Zitadelle Spandau erheblich erweitert, sodass eine verstärkte kulturelle Nutzung der Festungsanlage für Ausstellungen und Veranstaltungen möglich wird. Die Umsetzung der mit dem Entwicklungskonzept verfolgten Ziele, insbesondere die Finanzierung des laufenden Unterhalts der Zitadelle und der dort vorgesehenen Ausstellungen, ist jedoch nicht gesichert. Die dem Bezirksamt Spandau im Rahmen der Vermietung und Nutzung der Zitadelle zufließenden Einnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um die Kosten der Bewirtschaftung des Objekts zu decken. Dennoch hat das Bezirksamt Spandau bisher kein schlüssiges und tragfähiges Finanzierungskonzept entwickelt (T 264 bis 278).

IT-Projekte sorgfältig planen und steuern
Einer sachgerechten Unterstützung der Verwaltungsaufgaben durch IT kommt immer größere Bedeutung zu. IT-Projekte stellen jedoch eine große Herausforderung dar, die in ihrer Komplexität von der Verwaltung häufig unterschätzt wird. Der Jahresbericht enthält zwei Beispiele, wie durch Mängel bei der Planung und Durchführung von IT-Projekten dem Land Berlin erhebliche finanzielle Nachteile entstanden sind.

Gescheitertes IT-Projekt zur Modernisierung der Staatsanwaltschaften (MODESTA)
Ein für die Modernisierung des IT-Einsatzes in den Strafverfolgungsbehörden geplantes Projekt ist gescheitert. Die für Justiz zuständige Senatsverwaltung und die Generalstaatsanwaltschaft hatten zu lange an dem von ihnen als „alternativlos“ angesehenen Projekt festgehalten, obwohl ein früherer Abbruch des Projekts nahegelegen hätte. So ist es in einem Zeitraum von sieben Jahren immer wieder zu Verzögerungen gekommen, und das beauftragte Unternehmen hat wiederholt nur sehr mangelhafte Leistungen erbracht. Aber auch den beteiligten Behörden sind grundlegende Fehler unterlaufen. So fehlten insbesondere eine fundierte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung und ein sachgerechtes Vertragscontrolling. Ungeachtet der bestehenden Probleme wurden Anschlussaufträge mit funktionalen Erweiterungen erteilt und verfrüht Lizenzen erworben. Bis zum Abbruch sind Kosten von insgesamt 8,5 Mio. € entstanden. Wäre das Projekt rechtzeitig abgebrochen worden, hätten sie zumindest in Höhe von 3,5 Mio. € vermieden werden können (T 140 bis 149).

Verzögerungen beim Aufbau des IT-Begleitsystems für EU-Mittel
In der Förderperiode 2007 bis 2013 stehen zur anteiligen Finanzierung der mit der EU abgestimmten Wirtschaftsfördermaßnahmen insgesamt 875,6 Mio. € aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Haushalt der EU für Berlin bereit. Die entsprechenden Ausgaben Berlins werden von der Europäischen Kommission grundsätzlich nicht vorfinanziert, sondern erst auf Antrag erstattet. Ausgenommen hiervon ist ein einmalig für die Förderperiode bereitgestellter Vorschuss in Höhe von 65,7 Mio. €.

Voraussetzung für die Erstattungszahlungen ist u. a. das Vorhandensein eines wirksamen Verwaltungs- und Kontrollsystems für den EFRE. Die für Wirtschaft zuständige Senatsverwaltung hat die von der Europäischen Kommission hierfür festgelegten Anforderungen jedoch nicht rechtzeitig erfüllt. Die Verzögerungen waren vor allem auf konzeptionelle Mängel bei der Entwicklung des nach den Vorgaben der EU erforderlichen IT-Begleitsystems und dessen verspätete Fertigstellung zurückzuführen. So wurden u. a. der Betrieb des IT-Verfahrens verspätet ausgeschrieben, das IT-Projekt nicht nach dem Projektmanagementhandbuch der Berliner Verwaltung durchgeführt und die Migration der Altdaten unzureichend geplant und umgesetzt. Infolgedessen hat Berlin für die Förderperiode 2007 bis 2013 bis zum November 2010 keine Erstattung aus dem Fonds erhalten. Der o. g. Vorschuss der EU reichte bereits vom 4. Quartal 2008 an nicht mehr aus, um die geleisteten Auszahlungen zu decken. Ab diesem Zeitpunkt war das Land Berlin gezwungen, in die Vorfinanzierung zu gehen. Hieraus resultiert ein Zinsnachteil in Höhe von mindestens 6,3 Mio. € (T 229 bis 242).

Steuerforderungen zeitnah und gründlich nachgehen
Die Steuereinnahmen in Berlin nehmen aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Lage eine positive Entwicklung. Die Bearbeitung der einzelnen Steuerfälle durch die Berliner Finanzämter muss jedoch weiter verbessert werden, um Steuerausfälle zu vermeiden und die Steuergerechtigkeit zu gewährleisten. Der Rechnungshof hat erhebliche Bearbeitungs- und Verfahrensmängel insbesondere bei Fällen hinterzogener Steuern oder strittiger Steuerforderungen festgestellt.

Hinterziehungszinsen nicht oder zu gering festgesetzt
Einige deutsche Behörden haben in den letzten Jahren elektronische Datenträger mit Informationen zu möglicherweise bisher nicht versteuerten Kapitalerträgen aus der Schweiz, aus Luxemburg und aus Liechtenstein erworben. Die hieraus resultierende Gefahr der Aufdeckung einer Steuerhinterziehung hat zu einem deutlichen Anstieg von Selbstanzeigen geführt. Im Falle einer wirksamen Selbstanzeige geht der Steuerpflichtige straffrei aus, auch wenn sein Handeln als Steuerstraftat zu qualifizieren ist. Hinterzogene Steuern sind jedoch zur Abschöpfung des erlangten finanziellen Vorteils zu verzinsen.

Dennoch hat ein Berliner Finanzamt nahezu bei allen diesen Steuerfällen Hinterziehungszinsen nicht oder in unzutreffender Höhe festgesetzt. Erste Feststellungen bei den übrigen Finanzämtern ließen ebenfalls erhebliche Unzulänglichkeiten vermuten. Nach Hinweisen des Rechnungshofs haben die Berliner Finanzämter inzwischen Zinsbeträge von über 283 000 € festgesetzt (T 243 bis 249).

Zinsfestsetzungen nach Abschluss von Rechtsbehelfsverfahren versäumt
Die Steuerpflichtigen machen von der Möglichkeit, die Aussetzung der Vollziehung eines von ihnen angefochtenen Steuerbescheides zu beantragen, häufig Gebrauch. Die Finanzämter können die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn nach summarischer Prüfung ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen oder die Vollziehung für den Steuerpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Soweit der Einspruch des Steuerpflichtigen gegen den Steuerbescheid letztlich erfolglos bleibt, sind die ausgesetzten Beträge zu verzinsen.

Der Rechnungshof hat bei drei Finanzämtern erhebliche Mängel im Zusammenhang mit der Gewährung und Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden festgestellt. Die Finanzämter haben insbesondere versäumt, bei der Erledigung eines Rechtsbehelfs und der damit verbundenen Aufhebung der Aussetzung der Vollziehung zu prüfen, ob und ggf. in welcher Höhe Aussetzungszinsen festzusetzen sind. Allein die vom Rechnungshof aufgegriffenen Fälle haben noch zu Zinsfestsetzungen von mehr als 107 000 € geführt (T 250 bis 257).

Entscheidungen auf sachgerechter Grundlage treffen
Besondere Sorgfalt ist geboten, wenn öffentliche Mittel in erheblicher Größenordnung gewährt werden oder auf bestehende Ansprüche verzichtet wird. Die folgenden Entscheidungen kritisiert der Rechnungshof vor allem, weil hier von bestehenden Vorgaben abgewichen worden ist bzw. die Entscheidung nicht ausreichend begründet wurde.

Unangemessen hohe übertarifliche Zahlung an Lehrkräfte
Seit dem 1. August 2009 erhalten grundsätzlich alle angestellten Lehrkräfte übertariflich eine Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen ihrer persönlichen Stufe und der Entwicklungsstufe 5 (Endstufe). Diese vom Senat beschlossene Regelung gilt bis zum 31. Juli 2013 und hat allein im Jahr 2010 zu zusätzlichen Ausgaben von über 24 Mio. € geführt. Mit den übertariflichen Zahlungen erhöht sich das Bruttoeinkommen der Lehrer um monatlich bis zu 1 200 €. Begründet wird die Regelung mit Schwierigkeiten, den Bedarf an Lehrkräften für den Berliner Schuldienst zu decken und die Abwanderung ausgebildeter Lehrkräften in andere Bundesländer wegen dort vorhandener besserer Konditionen zu verhindern. Hintergrund war ein Beschluss des Senats im Jahr 2004, neu eingestellte Lehrkräfte nicht mehr zu verbeamten.

Ein Vergleich mit Einkommen von angestellten Lehrkräften in anderen Bundesländern zeigt hingegen, dass Einkommensunterschiede mit den übertariflichen Zahlungen nicht nur ausgeglichen, sondern weit überkompensiert werden. Je nach Alter und Familienstand kann das Nettogehalt angestellter Berliner Lehrkräfte sogar die Besoldung der verbeamteten Lehrkräfte übertreffen. Der Rechnungshof beanstandet, dass der Senat diese tarifwidrige Regelung mit außergewöhnlich hohem Finanzvolumen beschlossen hat, ohne deren Notwendigkeit und Angemessenheit ausreichend geprüft und schlüssig nachgewiesen zu haben. Er hat es insbesondere versäumt, gezielte Anreize für einen begrenzten Personenkreis und mit erheblich niedrigerem Aufwand zu untersuchen (T 150 bis 156).

Mängel bei der Gewährung von Zuwendungen durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (Lottomittel)
Die Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB-Stiftung) fördert gemeinnützige Zwecke, indem sie Zuwendungen gewährt. Bevor der Stiftungsrat über die Bewilligung von Zuwendungsanträgen entscheidet, prüft die fachlich zuständige Senatsverwaltung die Förderungswürdigkeit und Angemessenheit der geplanten Maßnahmen. An das Ergebnis dieser Prüfung ist der Stiftungsrat bei seinen Entscheidungen jedoch nicht gebunden. Der Rechnungshof hat ausgewählte Zuwendungsfälle geprüft.

In einem Fall hatte der Stiftungsrat Mittel zur Deckung eines finanziellen Fehlbedarfs für den Ankauf einer Kunstsammlung (in US-Dollar) gewährt. Im Verlauf des mehrjährigen Projekts hatte sich der Fehlbedarf aufgrund günstiger Wechselkursentwicklung jedoch auf Null reduziert. Obwohl der Weg der Fehlbedarfsfinanzierung seinerzeit ausdrücklich gewählt wurde, um ggf. an Wechselkursänderungen zu partizipieren, verzichtete die DKLB-Stiftung auf eine gebotene Rückforderung in Höhe von 17,4 Mio. €.

In einem anderen Fall bewilligte die Stiftung eine Zuwendung in Höhe von 2 Mio. € für den Ankauf eines Bildes, obwohl die zuständige Senatsverwaltung den Antrag nicht befürwortete. Der Stiftungsrat dokumentierte die Gründe für seine Entscheidung nicht. Der Rechnungshof empfiehlt, dass für solche Fälle eine Begründungspflicht in einer Geschäftsordnung oder in der Satzung der Stiftung verankert wird (T 114 bis 139).

Rückzahlung von Wohnungsbaudarlehen nicht vollständig durchgesetzt
Die für Wohnen zuständige Senatsverwaltung hat die Errichtung preisgünstiger Mietwohnungen im Sozialen Wohnungsbau u. a. mit zinsvergünstigten Aufwendungsdarlehen gefördert. Neben privaten Bauherren kamen auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften in den Genuss der Förderung. Die Aufwendungsdarlehen sind grundsätzlich zu ihrem Nennwert zurückzuzahlen. Der Senat hatte im Jahr 2002 für die Förderjahrgänge 1972 bis 1976 eine Regelung geschaffen, welche die vorzeitige Rückzahlung der Darlehen zum Barwert ermöglicht. Die Regelung schloss eine barwertmindernde Berücksichtigung außergewöhnlichen Instandhaltungsaufwands bei der Ermittlung des Rückzahlungsbetrages aus.

Die für Wohnen zuständige Senatsverwaltung hat im Jahr 2007 durch den Abschluss von Verträgen mit einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft bewirkt, dass in den Jahren 1972 bis 1977 gewährte Aufwendungsdarlehen zu einem geminderten Barwert an Berlin zurückgezahlt wurden, ohne dass die förderrechtlichen Voraussetzungen hierfür gegeben waren. Allein die nach den Förderregelungen nicht zulässige Berücksichtigung außergewöhnlicher Instandsetzungskosten bei der Barwertberechnung hat zu einer Minderung des Berlin zustehenden Rückzahlungsbetrages um insgesamt 27 Mio. € geführt. Zudem hat die Senatsverwaltung die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen ihres Vorgehens nicht nachvollziehbar dargelegt, die Entscheidungsbefugnis des für Fördermittel des Sozialen Wohnungsbaus zuständigen Bewilligungsausschusses missachtet und das Budget- und Informationsrecht des Abgeordnetenhauses verletzt (T 210 bis 228).

  • Jahresbericht 2012

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