Der Rechnungshof legt heute entsprechend seinem Verfassungsauftrag den Jahresbericht 2016 dem Abgeordnetenhaus vor und unterrichtet den Senat.
Der Jahresbericht 2016 enthält eine allgemeine Darstellung zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung Berlins sowie Prüfungsfeststellungen zu der vom Senat im September 2015 dem Abgeordnetenhaus vorgelegten Haushalts- und Vermögensrechnung 2014. Zudem werden in insgesamt 14 Beiträgen bedeutsame Ergebnisse der Prüfungen des vergangenen Jahres vorgestellt. Darüber hinaus berichtet der Rechnungshof in einem gesondert vorgelegten vertraulichen Teil des Jahresberichts über drei weitere Prüfungsergebnisse im Zusammenhang mit Vermögensgeschäften und zu Beteiligungsunternehmen des Landes Berlin.
Der Jahresbericht 2016 dient dem Abgeordnetenhaus als Grundlage für seine Entscheidung über die Entlastung des Senats für das Haushaltsjahr 2014, ggf. einzuleitende Maßnahmen und die Missbilligung von erheblichen Verstößen gegen Rechtsvorschriften oder haushaltsrechtliche Grundsätze.
Der Rechnungshof beanstandet anhand von Einzelfällen unnütze Geldausgaben, entgangene Einnahmen sowie ineffektives oder nicht korrektes Verwaltungshandeln. Sein besonderes Augenmerk gilt strukturellen Verfahrensmängeln sowie Defiziten bei der Wahrnehmung gesamtstädtischer Leitungsaufgaben (Planung, Steuerung, Aufsicht).
Der Rechnungshof erwartet, dass nicht nur die geprüften Stellen, sondern alle Behörden und Einrichtungen Berlins den Jahresbericht auswerten und entsprechende Schlussfolgerungen für ihre Bereiche ziehen.
Nachfolgend werden einige Beiträge aus dem Jahresbericht vorgestellt.
Finanzlage Berlins bleibt angespannt:
Die Altschulden müssen weiter abgebaut und gleichzeitig muss dringend in die „wachsende Stadt“ investiert werden
Die Einnahmesituation des Landes Berlin hat sich im Jahr 2015 weiter verbessert. Es wurde ein deutlicher Finanzierungsüberschuss erzielt, der nach Angaben der Senatsverwaltung für Finanzen bei 386 Mio. € liegt. Hiervon sind 50 % für die Schuldentilgung und 50 % für das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt zu verwenden. Auch der aktuelle Haushaltsplan (2016/2017) sieht keine neue Schuldenaufnahme vor. Für den Finanzplanungszeitraum bis 2019 geht der Senat von Finanzierungsüberschüssen im Umfang von bis zu 80 Mio. € pro Jahr aus.
Auch wenn nach dem vorläufigen Jahresabschluss für 2015 Schulden im Umfang von 907 Mio. € getilgt werden konnten, bleibt die Finanzlage Berlins wegen des noch immer sehr hohen Schuldenstandes von knapp 60 Mrd. € äußerst angespannt: Die Pro-Kopf-Verschuldung Berlins war Ende 2014 mit rd. 17.300 € (im Kernhaushalt) ebenso wie die Schuldenstandsquote von rd. 51 % des Bruttoinlandsprodukts weiterhin am zweithöchsten nach der in Bremen und mehr als doppelt so hoch wie bei dem Durchschnitt der Bundesländer. Eine insgesamt hohe Schuldenlast auch der landeseigenen Unternehmen lässt sich aus dem Beteiligungsbericht 2015 ablesen: Die Kreditverbindlichkeiten aller Unternehmen sind demnach gestiegen und summierten sich im Jahr 2014 auf rd. 15 Mrd. € bzw. rd. 4.400 € je Einwohner.
Für die Schulden Berlins sind im laufenden Doppelhaushalt – trotz der anhaltenden Niedrigzinsphase – Zinsausgaben von rd. 1,7 Mrd. € jährlich ausgewiesen. Der Rechnungshof hält es daher für geboten, den Schuldenabbau konsequent fortzusetzen und die Schuldentragfähigkeit weiter zu verbessern. Auch der Stabilitätsrat hat im Dezember 2015 u. a. ausgeführt, dass Berlin einem strikten Konsolidierungskurs folgen solle, um vom Jahr 2020 an die Schuldenbremse einhalten zu können. Dies gelte nicht zuletzt in Anbetracht der noch nicht abschätzbaren fiskalischen Auswirklungen der hohen Zahl von Asylbewerbern.
Aus dem Haushaltsüberschuss des Jahres 2014 wurden dem Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt 496 Mio. € („SIWA I“) und aus dem Überschuss des Jahres 2015 werden 193 Mio. € („SIWA II“) zugeführt. Für die erste Tranche des Sondervermögens wurden Investitionen in die soziale Infrastruktur, die Verkehrsinfrastruktur, in Schulen, Kitas, Sportanlagen und zwei Multifunktionsbäder geplant. Allerdings wurden von den verfügbaren 496 Mio. € bis Ende 2015 nur 48 Mio. € verausgabt. Die Mittel der zweiten Tranche sollen schwerpunktmäßig für Flüchtlingsunterkünfte, Schulen und Kitas eingesetzt werden.
Der Rechnungshof sieht eine verstärkte Investitionstätigkeit Berlins nach wie vor als dringend notwendig an, um die Infrastruktur der wachsenden Stadt für die Zukunft zu sichern. Insoweit geht die Bereitstellung zusätzlicher Investitionsmittel in die richtige Richtung. Allerdings hätten die entsprechenden Mittel auch regulär im Landeshaushalt veranschlagt werden können. Denn für die Planung und Umsetzung von Investitionsmaßnahmen stehen bereits geeignete Verfahren zur Verfügung. Durch das SIWA-Errichtungsgesetz allein ist noch keine dauerhafte Erhöhung der Investitionsquote Berlins sichergestellt. Der Rechnungshof hält es außerdem für notwendig, dass die Bewirtschaftung der SIWA-Mittel und die Durchführung der daraus finanzierten Maßnahmen auch dann noch nachvollzogen werden können, wenn über viele Jahre aus den Finanzierungsüberschüssen Zuführungen an das Sondervermögen vorgenommen werden und eine Vielzahl von Tranchen, Bestückungslisten und Maßnahmen zu verwalten sind (vgl. T 8 bis 36).
Brückeninfrastruktur:
Fast drei Viertel der Berliner Brücken sind instandsetzungsbedürftig
Bereits im Vorjahresbericht hatte der Rechnungshof auf den besorgniserregenden Zustand der öffentlichen Straßen Berlins hingewiesen und insbesondere ein systematisches Erhaltungsmanagement sowie bedarfsgerechte Erhaltungs- und Finanzierungsstrategien angemahnt. Er setzt nunmehr seine Berichterstattung zum Thema Erhaltung der Infrastruktur Berlins mit dem Bereich der Brücken fort.
Der Zustand der 821 Brücken in der Baulast Berlins (Stand: 2014) hat sich in den Jahren 2005 bis 2014 dramatisch verschlechtert. Im Jahr 2014 befanden sich nahezu drei Viertel aller Brücken (73,4 %) in einem Zustand, der umgehende, kurz- oder mittelfristige Instandsetzungsmaßnahmen erfordert. Dies hat in zunehmendem Maße Verkehrsbeeinträchtigungen zur Folge.
Die für die Brückenerhaltung bereitgestellten Haushaltsmittel bleiben seit Jahren hinter dem Finanzbedarf weit zurück. Aber selbst die in den Haushaltsplänen für die Brückenunterhaltung veranschlagten Ausgabemittel hat die für Ingenieurbauwerke zum Erhalt der Brücken in der Baulast Berlins zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt in den Jahren 2005 bis 2014 nicht vollständig ausgeschöpft. Die überschlägig geschätzten Kosten für den Abbau des Erhaltungsrückstands betragen mehr als 1 Mrd. €. Diese besorgniserregende Entwicklung zwingt dazu, den Erhalt der öffentlichen Brückeninfrastruktur Berlins im Rahmen eines zustandsbezogenen Erhaltungsmanagements systematisch zu betreiben und die begrenzten Finanzmittel auf dieser Grundlage bedarfsgerecht und nach Prioritäten einzusetzen.
Die Senatsverwaltung hat bisher nicht für ein ordnungsgemäßes und wirtschaftliches Brückenerhaltungsmanagement gesorgt. Ihr bisheriges Verwaltungshandeln reicht nicht aus, zudem mangelt es an einer adäquaten IT-Unterstützung für die Managementprozesse. Der Rechnungshof zeigt anhand von drei ausgewählten Bauvorhaben zur Brückenerhaltung (Salvador-Allende-Brücke, Rhinstraßenbrücke und Bösebrücke) beispielhaft auf, dass die Planung der für notwendig erachteten Brückenerhaltungsmaßnahmen von erheblichen Zeitverzögerungen und fehlender nachvollziehbarer Prioritätensetzung gekennzeichnet ist. Zudem ist die erhebliche Dauer der Bauvorbereitung – neben anderen Einflüssen – eine wesentliche Ursache für Kostensteigerungen (weiterer Verschlechterung des Brückenzustands, Baupreissteigerungen).
Die Einführung eines systematischen Erhaltungsmanagements für die Brücken Berlins ist überfällig. Wenn die Senatsverwaltung nicht handelt, wird sich die Brückeninfrastruktur weiter verschlechtern. Es besteht die Gefahr, dass die Verkehrsbeeinträchtigungen weiter zunehmen und die wirtschaftliche Entwicklung Berlins nachteilig beeinflussen. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung den lang-, mittel- und kurzfristigen Brückenerhaltungsbedarf systematisch ermittelt und auf dieser Grundlage eine netzbezogene Erhaltungsstrategie sowie eine belastbare Finanzierungsstrategie, insbesondere zum Abbau des Erhaltungsrückstands, aufstellt (vgl. T 66 bis 149).
Staatsoper:
Planungsdefizite und zu früher Baubeginn führten zu erheblichen Kostensteigerungen
Seit dem Jahr 2007 befindet sich die große Hochbaumaßnahme zur Sanierung und Grundinstandsetzung der Staatsoper Unter den Linden in der Planung und Durchführung. Der für das Jahr 2013 vorgesehene Fertigstellungstermin wurde schrittweise um vier Jahre – bisher auf das Jahr 2017 – verschoben. Die geplanten Gesamtkosten sind von ursprünglich 239 Mio. € auf nunmehr prognostizierte 400 Mio. € angestiegen.
Der Rechnungshof hat die Planung und haushaltsmäßige Vorbereitung der Baumaßnahme durch die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt als projektleiten-de Baudienststelle und zuständige Prüfbehörde geprüft. Die letzte Ergänzungsunterlage aus dem Jahr 2015 war ebenso wie das Handeln anderer an der Baumaßnahme beteiligter öffentlicher Stellen nicht Gegenstand der Prüfung. Er hat festgestellt, dass die Senatsverwaltung für die erheblichen Bauzeitverlängerungen und Kostensteigerungen wesentliche Ursachen gesetzt hat. Sie hat bei der Vorbereitung der Baumaßnahme grundlegende haushaltsrechtliche Bestimmungen missachtet und eklatant unwirtschaftlich gehandelt. Um von ihr als unrealistisch erkannte Terminziele zu erreichen, ist die Senatsverwaltung von dem vorgeschriebenen Verfahren zur Vorbereitung von Hochbaumaßnahmen unzulässig abgewichen. Anstelle der vorgeschriebenen vollständigen Planung hat sie zeitversetzt isolierte Teil-Bauplanungsunterlagen aufgestellt und genehmigt. Zudem hat sie mit der Bauausführung begonnen, ohne die Bauplanung zuvor ordnungsgemäß abgeschlossen zu haben. Hierdurch hat sie die weitere Planung, Durchführung, Steuerung und Kontrolle der Baumaßnahme in gravierendem Maße erschwert.
Das vorschriftswidrige und unwirtschaftliche Verwaltungshandeln hat kostenintensive Umplanungen, Mehrfachplanungen, Nachsteuerungsmaßnahmen und Vertragsanpassungen verursacht, die wesentlich zu den erheblichen Bauzeitverlängerungen und Kostensteigerungen beigetragen haben. Der Rechnungshof beziffert die von der Senatsverwaltung durch ihr unzureichendes Planungsverfahren verursachten vermeidbaren Kosten auf mehr als 21 Mio. €. Die mit der unzureichenden Planung der Baumaßnahme verbundenen Risiken wirken fort. Der Rechnungshof erwartet, dass gerade bei der Vorbereitung großer und komplexer Hochbaumaßnahmen aufgrund der ihnen innewohnenden erheblichen Kostenrisiken die haushaltsrechtlichen Bestimmungen und vorgeschriebenen Planungsverfahren strikt eingehalten werden. Er fordert insbesondere, dass die Senatsverwaltung vor Beginn der Bauausführung für die Aufstellung ordnungsgemäßer, wirtschaftlicher, vollständiger und schlüssiger Bauplanungsunterlagen mit Kostenberechnungen für die gesamte Baumaßnahme sowie eine belastbare Terminplanung sorgt und Teil-Bauplanungsunterlagen nicht mehr zulässt (vgl. T 245 bis 315).
Zusätzliche Büroflächen für das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf:
Notwendigkeit des Neubaus nicht nachgewiesen und zulasten der Tiefbauunterhaltung finanziert
Das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf hat im Jahr 2013 trotz erheblichen Büroflächen-überschusses ein Bürogebäude aus vorgefertigten Modulen am Schkopauer Ring durch das hierfür nicht zuständige Tiefbauamt planen und errichten lassen. Das Bezirksamt hat die Notwendigkeit für einen Neubau nicht ordnungsgemäß untersucht und alternative Unterbringungsmöglichkeiten nicht systematisch geprüft. Es hat insbesondere die angesichts des Büroflächenüberschusses naheliegende Bedarfsdeckung durch Optimierungsmaßnahmen im Gebäudebestand nicht in Betracht gezogen. Die aufgestellten Bauplanungsunterlagen waren unvollständig. Außerdem hat das Bezirksamt die Hochbaumaßnahme nicht zur Investitionsplanung angemeldet, im Haushaltsplan nicht investiv veranschlagt und aus Mitteln finanziert, die für den Tiefbauunterhalt bestimmt waren. Der Neubau hat Ausgaben von 777.500 € verursacht. Der Rechnungshof erwartet, dass Investitionsmaßnahmen ordnungsgemäß angemeldet und geplant werden und dabei alle relevanten Bedarfsdeckungsmöglichkeiten systematisch untersucht werden (vgl. T 316 bis 348).
Uneinheitlicher und unwirtschaftlicher IT-Einsatz:
Die landesweite, zentrale IT-Steuerung muss ausgebaut werden
Der Senat hatte im Jahr 2004 mit den Verwaltungsvorschriften für die Steuerung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung ein sogenanntes neues IT-Regelwerk geschaffen. Die für Inneres zuständige Senatsverwaltung hat es aber versäumt, wesentliche Vorgaben zur Steuerung des IT-Einsatzes umzusetzen. Es fehlen insbesondere IT-Infrastrukturgrundsätze als Grundlage für eine einheitliche, fachliche und technologische Ausrichtung des IT-Einsatzes sowie IT-Beschaffungsgrundsätze mit einheitlichen Verfahren und Standards für die Beschaffung von IT-Produkten und IT-Dienstleistungen. Auch wurden bislang erst in drei Fällen Landesvereinbarungen geschlossen, aufgrund derer alle Bereiche der Berliner Verwaltung gleiche IT-Leistungen beim IT-Dienstleistungszentrum Berlin beschaffen können. Die Durchführung landesweiter Projekte und Vorhaben, die die verfahrensunabhängige IT-Infrastruktur betreffen, wird durch die Mängel in der IT-Steuerung sowie die dezentrale Veranschlagung und Bewirtschaftung der IT-Mittel erheblich erschwert. Dadurch ist der IT-Einsatz der Berliner Verwaltung weiterhin uneinheitlich und im Ergebnis unwirtschaftlich. Insbesondere werden Einsparpotenziale einer Serverkonsolidierung und Standardisierung der IT-Arbeitsplätze in zweistelliger Millionenhöhe nicht realisiert. Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung aufgefordert, endlich die ausstehenden Grundlagen zu schaffen und das Einsparpotenzial beim Serverbetrieb und den IT-Arbeitsplätzen zügig zu erschließen.
Die verfahrensunabhängige IT-Infrastruktur ist eine Aufgabe von gesamtstädtischer Bedeutung und fällt damit in den Zuständigkeitsbereich der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung. Eine IT-Steuerung darf sich jedoch nicht nur auf die Erarbeitung, Festsetzung und Fortschreibung von Grundsätzen für IT-Maßnahmen beschränken. Vielmehr muss nach Einschätzung des Rechnungshofs darüber hinaus die Möglichkeit geschaffen werden, dass die Senatsverwaltung IT-Projekte zentral steuert und finanziert (vgl. T 164 bis 178).
Bürgertelefon 115:
Pauschale Bezahlung ohne Überprüfung und viele Vermittlungsleistungen ohne Erfolg
Die für Inneres zuständige Senatsverwaltung hat ihre gesamtstädtischen Leitungsaufgaben der Verwaltungsorganisation bei der Weiterentwicklung und Steuerung der Bürgerdienste nur unzureichend wahrgenommen. So finanziert sie den Betrieb und Ausbau des Bürgertelefons 115 zentral aufgrund von Verträgen mit dem IT-Dienstleistungszentrum Berlin. Sie hat ihre Zahlungen von 7,5 Mio. € jährlich auf der Basis von prognostizierten Zahlen pauschal ohne Überprüfung geleistet. Der Rechnungshof hat die Erwartung geäußert, dass die Senatsverwaltung vom IT-Dienstleistungs-zentrum Berlin verlangt, dass sachgerechte und nachvollziehbare Unterlagen sowohl zur tatsächlichen Inanspruchnahme der 115 als auch zur personellen Ausstattung des Servicecenters vorgelegt werden.
Im Jahr 2014 lag bei den Auskunfts- und Vermittlungsleistungen des IT-Dienstleistungszentrums Berlin die Annahmequote in den Verwaltungen bei nur ca. 40 %. Somit ergaben sich annähernd 1,4 Mio. €, die das Land Berlin für eine erfolglose Vermittlungsleistung aufwenden musste (vgl. T 179 bis 199).
Förderung von Familienzentren:
EU-Vergabevorschriften wurden nicht eingehalten
Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat für den Auf- und Ausbau von Familienzentren für die Jahre 2012 bis 2015 Ausgaben von insgesamt 5,9 Mio. € geplant. Für die Koordinierung und Begleitung der Familienzentren hat sie die Einrichtung einer zentralen Servicestelle vorgesehen. Mit dieser Aufgabe hat die Senatsverwaltung eine rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts beauftragt, ohne zuvor die Wirtschaftlichkeit untersucht zu haben.
Öffentliche Aufträge des Landes Berlin werden von den EU-weiten Vergabevorschriften erfasst, wenn die Auftragswerte den jeweils festgelegten Schwellenwert erreicht haben oder überschreiten. Der Schwellenwert für EU-weite Vergaben lag für Dienstleistungen bei 200.000 € bzw. bei 207.000 € (ab 2014), jeweils ohne Umsatzsteuer. Der Rechnungshof hat festgestellt, dass der Wert eines bis zum 31. Dezember 2013 zunächst befristet geplanten Auftrages über dem Schwellenwert gelegen hat. Die Senatsverwaltung hat hierfür nur ein nationales Vergabeverfahren (beschränkte Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb) durchgeführt. Zur Weiterführung der Servicestelle hat die Senatsverwaltung den befristeten Vertrag um einen Zeitraum von zwei Jahren (bis Ende 2015) verlängert. Der Wert des zeitlich erweiterten Auftrages lag ebenfalls über dem geltenden Schwellenwert. Die Senatsverwaltung hat dafür eine freihändige Vergabe vorgenommen. Sie ist dabei davon ausgegangen, dass der „Preis für den Betrieb der Servicestelle … unter der Grenze für eine europaweite Ausschreibung“ liege, obwohl dies nachweislich nicht der Fall war. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung künftig die EU-Vergabevorschriften einhält und für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchführt (vgl. T 211 bis 219).
Prüfung von Verwendungsnachweisen:
Fehlende Entscheidungen zu möglichen Rückforderungen
Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft hat in den Jahren 2012 und 2013 zum Abbau bestehender Prüfungsrückstände zusätzlich zu der eigenen Prüfstelle einen externen Dienstleister mit einzelnen Verwendungsnachweisprüfungen beauftragt.
Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Senatsverwaltung aus einer Vielzahl der vom Dienstleister vorgelegten Prüfungsergebnisse nicht die notwendigen Konsequenzen gezogen hat. Erforderliche Entscheidungen zur Höhe möglicher Rückforderungen hat sie über einen langen Zeitraum nicht getroffen. Allein in Bezug auf zwei Zuwendungsempfänger umfassten die Prüfungsfeststellungen aus 35 Prüfungsvermerken des Dienstleisters bezogen auf die Zuwendungen des Zeitraumes von 2005 bis 2009 über 541.000 € als mögliche Rückforderungen. Im Fall eines weiteren Zuwendungsempfängers führte die Senatsverwaltung zwar eine Anhörung durch, bearbeitete dann aber die Erwiderung nicht weiter. Ergebnisse der Verwendungsnachweisprüfung im Umfang von 231.000 € waren damit nicht abschließend bearbeitet. Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung in Fällen der Rückforderung von Zuwendungsmitteln aus verspäteten Prüfungen der Verwendungsnachweise nicht begründet, warum sie von der Erhebung von Zinsen teilweise bzw. vollständig absah. Die Senatsverwaltung hat mit dieser Vorgehensweise in Kauf genommen, dass Einnahmen für das Land Berlin verloren gehen. Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung aufgefordert, ihre Pflichten als Bewilligungsbehörde künftig ordnungsgemäß wahrzunehmen (vgl. T 220 bis 225).
Flüchtlingsunterbringung:
Unzureichende IT-Unterstützung und Mängel beim Vertragsmanagement
Der Rechnungshof hat die Unterbringung von Asylbegehrenden und Flüchtlingen im Land Berlin geprüft. Der Schwerpunkt lag dabei auf dem Unterbringungs- und Vertragsmanagement der für Soziales zuständigen Senatsverwaltung.
Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Belegung der Unterkünfte nicht gesteuert wird. Freie und besetzte Plätze in den Unterkünften lassen sich nicht tagesaktuell abrufen. Hierfür eignet sich die vom zuständigen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) verwendete Software nicht. Ebenso wenig können Daten über die Verweildauer der Menschen in der jeweiligen Unterkunft automatisch abgerufen werden.
Der Rechnungshof beanstandet, dass die für Soziales zuständige Senatsverwaltung ihre ministerielle Verantwortung nicht ausreichend wahrnimmt. Es fehlt eine gesamt-städtische Planung und Steuerung bei der Unterbringung verschiedener hilfebedürftiger Personengruppen (Asylbegehrende und Flüchtlinge, wohnungslose Deutsche sowie Ausländerinnen und Ausländer inklusive der anerkannten Asylberechtigten). Es wurde weder ein zentraler Datenpool geschaffen noch ein Controllingkonzept entwickelt. Des Weiteren endete im Jahr 2013 eine Vereinbarung zwischen der Senatsverwaltung und dem LAGeSo, in der verbindliche Ziele für die Bewältigung des Unterbringungsproblems vereinbart worden waren. Seit dem Jahr 2014 hat die Senatsverwaltung dem Landesamt keine neuen, verbindlichen Ziele für die Flüchtlingsunterbringung mehr vorgegeben.
Der Rechnungshof beanstandet die Verwaltungspraxis des LAGeSo beim Abschluss von Betreiberverträgen. Flüchtlingsunterkünfte gehen in Betrieb, obwohl die wesentlichen Vertragspflichten noch nicht verbindlich mit den privaten Betreibern vereinbart worden sind. Die Senatsverwaltung sichert keinen einheitlichen Mindeststandard bei der Unterbringung der Menschen in Notunterkünften.
Bei der Vermittlung von Wohnungen an Flüchtlinge bedient sich das Land eines privaten Dienstleisters. Der Rechnungshof beanstandet, dass der Beauftragung des privaten Dienstleisters keine Ausschreibung vorausgegangen ist. Der vom LAGeSo verhandelte Preis für die Dienstleistung ist wesentlich überteuert.
Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung ihre ministeriellen Aufgaben bei der Unterbringung der Flüchtlinge wahrnimmt und den Aufbau eines funktionierenden Vertragsmanagements sicherstellt. Die besonderen Herausforderungen und Belastungen, die mit der Unterbringung der Asylbegehrenden und Flüchtlinge verbunden sind, dürfen nicht zu einer weitgehenden Abkehr von gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren und grundlegenden Standards führen (vgl. T 226 bis 244).
Steuerliche Vergünstigungen für geplante Investitionen:
Mangelhafte Überwachung durch die Finanzämter
Nach dem Einkommensteuergesetz können Steuerpflichtige für die geplante Anschaffung oder Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, wie z. B. Kraftfahrzeugen, einen Investitionsabzugsbetrag von bis zu 40% der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorab gewinnmindernd abziehen. Der weitere Verlauf – insbesondere die tatsächliche Realisierung der Investition und der Umfang der betrieblichen Nutzung des Wirtschaftsguts – ist über einen Zeitraum von bis zu vier Jahren durch das Finanzamt zu überwachen. Die vom Rechnungshof geprüften Finanzämter haben versäumt, Abzugsbeträge von fast 2 Mio. € gewinnerhöhend zu berücksichtigen, weil die Steuerpflichtigen meistens innerhalb des Investitionszeitraums keine Investitionen getätigt hatten oder die Anschaffungskosten geringer waren als ursprünglich angenommen. Allein bei den von der Senatsverwaltung für Finanzen nachkontrollierten Fällen konnten Steuern und steuerliche Nebenleistungen von mehr als 575.000 € festgesetzt werden. Bei den übrigen Finanzämtern sind vergleichbare Bearbeitungsdefizite nicht auszuschließen. Der Rechnungshof hat entsprechende Nacharbeiten gefordert. Überträgt man das von der Senatsverwaltung angeführte finanzielle Mehrergebnis auf die übrigen Finanzämter, ergäben sich Nachforderungen in Millionenhöhe (vgl. T 349 bis 364).
Besserstellung von Teilen des BVG-Personals:
Ausgleichszahlungen für nicht mehr vorhandene Gehaltseinbußen
Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wenden seit dem 1. September 2005 einheitlich für alle Beschäftigten den Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen bei den Nahverkehrsbetrieben im Land Berlin an. Die zum Zeitpunkt des Wechsels in das neue Tarifrecht vorhandenen Beschäftigten sollten durch die Überleitung nicht schlechter gestellt werden und insbesondere keine Gehaltseinbußen erfahren. Sie erhalten tarifliche Sicherungsbeträge, die in der Regel unverändert bestehen bleiben und sich auch nicht bei einer späteren Entgelterhöhung, einem Stufenaufstieg sowie einer Höhergruppierung verringern. Die stichprobenweise Prüfung des Rechnungshofs ergab, dass die Sicherungsbeträge in 40 % der geprüften Fälle ihre ursprüngliche Funktion verloren haben, weil die Beschäftigten seit der Überleitung in höhere Entgeltgruppen aufgestiegen sind. Dadurch entstehen allein im Bereich der Verwaltung der BVG hochgerechnet zusätzliche Ausgaben im Umfang von etwa 3,5 Mio. € jährlich. Der Rechnungshof hat die BVG aufgefordert darauf hinzuwirken, dass die Sicherungseinkommen der Beschäftigten in den Fällen zurückgeführt werden, in denen keine Gehaltseinbußen mehr vorhanden sind (vgl. T 376 bis 383).