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Pressemitteilung zum Jahresbericht 2017

Pressemitteilung vom 21.06.2017

Der Rechnungshof legt dem Abgeordnetenhaus heute entsprechend seinem Verfassungsauftrag den Jahresbericht 2017 vor und unterrichtet gleichzeitig den Senat.

Berlin ist eine wachsende Stadt mit steigenden Einnahmen aber auch vermehrten Ausgaben, einer nach wie vor sehr hohen Verschuldung und erheblichen Defiziten im Bereich der städtischen Infrastrukturen. Die finanzpolitischen Herausforderungen zur Erfüllung der vielfältigen städtischen Aufgaben, zur Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung Berlins, zur Rückführung der finanziellen Belastungen und zur Eindämmung der finanziellen Risiken sind enorm. Die Bewältigung dieser Herausforderungen verlangt von allen staatlichen Akteuren große Anstrengungen. Der Rechnungshof als unabhängige Finanzkontrolle Berlins leistet im Rahmen seines Verfassungsauftrags hierzu mit Prüfungen und Beratungen seinen Beitrag.

Mit dem Jahresbericht 2017 informiert der Rechnungshof heute die Öffentlichkeit, die Politik und die Verwaltung über die finanzpolitische Entwicklung Berlins und über wesentliche Ergebnisse seiner Prüfungstätigkeit im vergangenen Jahr. Der Jahresbericht vermittelt einen objektiven Einblick in die Haushalts- und Wirtschaftsführung der geprüften Bereiche und zeigt hierfür wichtige Entwicklungen auf. Er weist insbesondere auf bestehende Haushaltsrisiken und finanzielle Fehlentwicklungen hin. Der Rechnungshof belässt es aber nicht bei der Kritik, sondern gibt Empfehlungen zum wirtschaftlichen Einsatz der Finanzmittel, zur Verbesserung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit der Verwaltung sowie zur Haushaltskonsolidierung und Stärkung der Finanzkraft Berlins.

Nach den Darstellungen zur Finanzlage Berlins und zur Haushalts- und Vermögensrechnung 2015 befasst sich der Jahresbericht in insgesamt 13 Beiträgen mit Schlüsselfragen der Haushalts- und Wirtschaftsführung. Hierzu gehören die gezielte systematische Investitionstätigkeit zur Stärkung der städtischen Infrastrukturen, die Schaffung nachhaltiger Managementsysteme für den wirksamen Finanzmittel- und Personaleinsatz sowie die effiziente gesamtstädtische Steuerung finanziell bedeutsamer Prozesse.

In einem gesonderten vertraulichen Teil des Jahresberichts berichtet der Rechnungshof dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses, dem Regierenden Bürgermeister und der Senatsverwaltung für Finanzen über Prüfungsergebnisse, die aufgrund bestehender Schutzvorschriften einer Veröffentlichung nicht zugänglich sind.

Der Jahresbericht 2017 dient dem Abgeordnetenhaus als Grundlage für seine Entscheidung über die Entlastung des Senats für das Haushaltsjahr 2015, über einzuleitende Maßnahmen und die Missbilligung von erheblichen Verstößen gegen Rechtsvorschriften oder haushaltsrechtliche Grundsätze.

Der Rechnungshof erwartet, dass nicht nur die geprüften Stellen, sondern alle Behörden und Einrichtungen Berlins den Jahresbericht auswerten und entsprechende Schlussfolgerungen für ihre Bereiche ziehen.

Beiträge aus dem Jahresbericht 2017:

Berliner Finanzen auf dem Weg der Besserung – aber noch längst nicht gesund

Die Finanzlage Berlins hat sich seit dem Jahr 2012 – dank guter Konjunktur und historisch niedriger Kreditzinsen – deutlich verbessert: Die Steuereinnahmen stiegen, es wurden hohe Finanzierungsüberschüsse erzielt und bis 2015 wurden Schulden von mehr als 3 Mrd. € getilgt. Der Senat legt in seinem aktuellen und letzten Sanierungsbericht vom April 2017 gegenüber dem Stabilitätsrat dar, dass Berlin zurzeit keine Haushaltsnotlage mehr droht und das vereinbarte Sanierungsprogramm abgeschlossen werden kann.

Die gute Einnahmesituation und die ansonsten günstigen Rahmenbedingungen sollten jedoch nicht dazu verleiten, den eingeschlagenen Konsolidierungspfad zu vernachlässigen. Der Schuldenstand Berlins ist mit fast 60 Mrd. € noch immer deutlich zu hoch – auch im Ländervergleich: Die Schuldenstandsquote der Länder und Gemeinden lag im Jahr 2015 im Durchschnitt bei 22 % des Bruttoinlandsprodukts, die Quote Berlins war mit 47 % mehr als doppelt so hoch. Mit dem hohen Schuldenberg ist für Berlin – trotz der anhaltenden extremen Niedrigzinsphase – eine jährliche Zinslast von fast 1,4 Mrd. € verbunden.

Die vorangegangene Legislaturperiode war geprägt von dem Doppelprinzip „Investieren und Konsolidieren“. Das entsprach den Empfehlungen des Rechnungshofs, der wiederholt die geringe Investitionsquote im Land Berlin und den seit Jahren existierenden Sanierungsstau beanstandet sowie eine kontinuierliche Schuldentilgung und angemessene finanzielle Vorsorge gefordert hat. Mit dem SIWA Errichtungsgesetz vom Dezember 2014 wurde im Wesentlichen festgelegt, dass von den jährlichen Finanzierungsüberschüssen jeweils 50 % in Investitionen und Schuldentilgung fließen. Seit der Gesetzesänderung vom Februar 2017 ist aus dem erzielten Finanzierungsüberschuss nur noch eine Mindesttilgung von 80 Mio. € zu leisten. Der nach der Schuldentilgung verbleibende Überschuss wird dem Sondervermögen – jetzt SIWANA – zugeführt und für Investitionen sowie zum Aufbau eines Nachhaltigkeitsfonds genutzt.

Aufgrund dieser Änderung wird der Finanzierungsüberschuss 2016 von ca. 1,26 Mrd. € nur im Umfang von 101 Mio. € und damit nur zu etwa 8 % für die Schuldentilgung verwendet. In der Finanzplanung 2016 bis 2020 hatte der Senat noch avisiert, den Schuldenstand bis 2020 auf rd. 59,3 Mrd. € zu verringern. Mit einer Mindesttilgung in den nächsten Jahren von nur jeweils 80 Mio. € kann dieses Ziel nicht erreicht werden: Der Schuldenstand wäre am Ende des Planungszeitraums um 126 Mio. € höher.

In dem Eckwertebeschluss vom 1. März 2017 für den nächsten Doppelhaushalt geht der Senat für die Jahre 2017 bis 2019 von einem niedrigen Finanzierungsüberschuss von jeweils 80 Mio. € aus. Demgegenüber lässt die Steuerschätzung vom Mai 2017 nach Einschätzung der Senatsverwaltung für Finanzen gegenüber den Eckwerten für die Jahre 2018 und 2019 höhere Einnahmen von rd. 400 Mio. € erwarten.

In der Finanzplanung 2016 bis 2020 beschrieb der Senat das Erfordernis von finanziellen Puffern im Haushalt, um auf Konjunkturschwankungen oder andere Risiken reagieren zu können, die den Haushalt nennenswert belasten. Er sprach sich dafür aus, eine Ausgleichsrücklage mit einer Zielausstattung von rd. einer halben Milliarde € zu bilden. Das Gesetz zur Änderung des SIWA Errichtungsgesetzes trägt dem Ziel Rechnung und sieht den Aufbau eines Nachhaltigkeitsfonds in dem Sondervermögen im Umfang von bis zu 1 % des Haushaltsvolumens vor. Dieser Nachhaltigkeitsfonds wird bereits aus dem Haushaltsüberschuss 2016 mit 290 Mio. € ausgestattet. Der Rechnungshof bewertet dies als einen Schritt in die richtige Richtung. Für einen auf längere Sicht „gesunden“ Haushalt sieht der Rechnungshof die Notwendigkeit eines Dreiklangs von

- verstärkter gezielter Investitionstätigkeit,
- kontinuierlicher spürbarer Schuldentilgung und
- Bildung einer Nachhaltigkeitsreserve zur Vorsorge für Zeiten des konjunkturellen Abschwungs und zur Bewältigung unvorhergesehener finanzieller Herausforderungen.

Der Rechnungshof empfiehlt dabei insbesondere ein ausgewogenes Verhältnis von Investitionen in die Infrastruktur und Schuldentilgung sicherzustellen.

In den aktuell konjunkturell guten Zeiten mit hohen Steuereinnahmen und Finanzierungsüberschüssen sollten Schuldentilgungen in größerem Umfang als bisher vorgesehen vorgenommen werden. Denn: Auf lange Sicht reduziert nur ein erheblicher Abbau der Gesamtverschuldung die negativen Auswirkungen steigender Refinanzierungssätze.

Eine höhere Schuldentilgung minimiert das Zinsänderungsrisiko, sorgt für einen robusteren Haushalt in Phasen des konjunkturellen Abschwungs und sichert dadurch die Umsetzung langfristiger Planungen (vgl. T 8 ff. und T 36).

Schuldenregel im Landesrecht verankern

Der Rechnungshof fordert darüber hinaus seit mehreren Jahren, die Schuldenregel des Grundgesetzes im Landesrecht zu verankern. Inzwischen haben nahezu alle Bundesländer diese in ihre Landesverfassung und/oder in die Landeshaushaltsordnung überführt und teilweise ergänzende Gesetze und Vorschriften erlassen. Der Senat und auch das Abgeordnetenhaus haben bisher keine Veranlassung für eine Umsetzung in das Landesrecht gesehen. Der Rechnungshof spricht sich erneut für eine Implementierung in die Verfassung von Berlin aus: Dies würde das Bewusstsein der politisch Verantwortlichen und auch der Bürgerinnen und Bürger schärfen, dass auch in konjunkturell guten Zeiten die Finanzierungsmöglichkeiten für Neues begrenzt sind, um nachfolgende Generationen nicht unverhältnismäßig zu belasten. Eine verfassungsrechtliche Regelung schafft eine starke Verbindlichkeit, vor allem auch für Zeiten engerer finanzieller Spielräume. Sie ist darüber hinaus die Voraussetzung dafür, dass die Einhaltung der Schuldenregel bzw. auch das Vorliegen von Umgehungstatbeständen durch das Verfassungsgericht des Landes Berlin geklärt werden kann (vgl. T 22 und 37).

Augenmaß bei der Verlagerung staatlicher Aufgaben

Kritisch sieht der Rechnungshof die verstärkten Bestrebungen des Senats zur Übertragung staatlicher Aufgaben und deren Finanzierung auf landeseigene Unternehmen mit eigener Kreditermächtigung (z. B. für die Bereiche Schulsanierung, Krankenhäuser, Messe und Schienenfahrzeugbeschaffung). Die finanziellen Verflechtungen zwischen dem Land Berlin und seinen Beteiligungsunternehmen haben in den vergangenen Jahren zugenommen. Die Zuführungen an diese Unternehmen, z. B. für Investitionen und Einnahmeausfälle, betrugen im Jahr 2015 insgesamt weit mehr als 700 Mio. €. Soweit das Land Berlin den Unternehmen erlaubt, zur Aufgabenwahrnehmung eigenständig Kredite aufzunehmen, erhöht es auch seine eigenen finanziellen Risiken. Die Aufgabenverlagerung aus dem Landeshaushalt hat zur Folge, dass der Haushalt die tatsächliche finanzielle Belastung des Landes nicht ausreichend widerspiegelt und die parlamentarische Kontrolle wegen fehlender Transparenz erschwert wird.

Die Präsidentinnen und Präsidenten der Rechnungshöfe haben wiederholt davor gewarnt, die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenregel zu umgehen. Diese Warnung bezieht sich ausdrücklich auch auf die Verlagerung von öffentlichen Kreditaufnahmen auf landeseigene Gesellschaften.

Der Rechnungshof empfiehlt daher einen zurückhaltenden Gebrauch derartiger Organisationsformen und hält es für erforderlich, dass der Senat genau darlegt, inwieweit eine Aufgabenerledigung außerhalb des Landeshaushalts zweckmäßiger und wirtschaftlicher ist (vgl. T 14).

Ermittlung und Deckung des Personalbedarfs

Der Rechnungshof empfiehlt außerdem, dass die beabsichtigte Ausweitung des Stellenbestands und die Einstellung zusätzlichen Personals zur Erfüllung der Aufgaben, die sich aufgrund neuer gesetzlicher Regelungen und aus den Anforderungen der wachsenden Stadt ergeben, von sorgfältigen Bedarfsanalysen begleitet wird.

Aufgrund des demographischen Wandels und des erheblichen Aufgabenzuwachses wird es nicht leicht sein, neue und auch frei werdende Stellen zukünftig zeitnah besetzen zu können. Um Qualitätsverluste und Einbußen bei der Leistungsfähigkeit der Berliner Verwaltung aufzufangen, sollte insbesondere auf Basis von Organisationsuntersuchungen verstärkt nach Möglichkeiten gesucht werden, die Arbeitsprozesse in den Dienststellen effektiver zu gestalten, z. B. durch Verbesserung der Verfahrensabläufe, Vereinfachung und Standardisierung der Prozesse sowie Erweiterung der Unterstützungsleistungen im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik (vgl. T 32 und 38).

Systematisches Management und gesamtstädtische Steuerung

Um den Anforderungen der wachsenden Stadt gerecht zu werden und die bereitgestellten finanziellen Mittel für Investitionen und Personal zeitnah, zielgerichtet, systematisch und wirtschaftlich einsetzen zu können, sieht es der Rechnungshof als dringend erforderlich an, entsprechende Managementsysteme zu etablieren und die gesamtstädtische Steuerung zu optimieren.

Dramatischer Sanierungsbedarf bei den Schulen erfordert dringend ein gesamtstädtisch gesteuertes systematisches lnstandhaltungsmanagement

Der bauliche Zustand der Schulen in bezirklicher Verwaltung hat sich seit Mitte der 2000er-Jahre dramatisch verschlechtert. Schon im Jahr 2004 wurde der Finanzbedarf für eine Sanierung der bezirklichen Schulinfrastruktur auf 846 Mio. € beziffert. Der Rechnungshof hatte deshalb bereits in seinem Jahresbericht 2007 gefordert, dass der Senat und die Bezirksämter den Sanierungsbedarf der Schulen nicht weiter ansteigen lassen, sondern das entstandene Sanierungsdefizit abbauen. Dies ist nicht gelungen: Der Sanierungsbedarf wird nunmehr mit mehr als 4 Mrd. € angegeben und allein der akute Bedarf mit 1,25 Mrd. €.

Zurückzuführen ist dieser Befund insbesondere darauf, dass in den vergangenen 20 Jahren die empfohlenen Vorgaben zur Bemessung der Bauunterhaltungsmittel erheblich unterschritten wurden. Allerdings wurden in den Jahren 2009 bis 2014 für die Instandhaltung der Schulgebäude aus dem Schulanlagensanierungsprogramm und aus weiteren Programmen mehr als 850 Mio. € zusätzlich zu den in den Bezirken verausgabten Haushaltsmitteln von 378 Mio. € bereitgestellt. Das Anwachsen des Sanierungsbedarfs wurde damit jedoch nicht verhindert. Denn bei der Zustands- und Bedarfsermittlung sowie bei der Planung und Finanzierung der Schulgebäudeunterhaltung fehlt es an einem gesamtstädtisch gesteuerten systematischen Vorgehen. In hohem Maße erschwert auch die gesplittete Finanzierung der Instandhaltungsaufgaben aus den Bezirkshaushalten und zahlreichen Sonderprogrammen des Senats eine ganzheitliche Betrachtung der Gebäude und ein umfassendes Gebäudemanagement.

Diese äußerst besorgniserregende Entwicklung zwingt dazu, für die Schulgebäude ein systematisches Instandhaltungsmanagement einzuführen. Angesichts der Dimension der fachlichen und finanziellen Herausforderungen bedarf es hierzu der gesamtstädtischen Leitung und Steuerung durch die für Bauen und für Finanzen zuständigen Senatsverwaltungen. Diese haben bisher nicht ausreichend auf ein systematisches Gebäudeinstandhaltungsmanagement hingewirkt. Es fehlt hier an Vorgaben für die Zustandserfassung, Zustandsbewertung und Bedarfsermittlung, an mittel- und langfristigen Instandhaltungs- und Finanzierungsstrategien sowie an der Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel auf deren Grundlage.

Dem zunehmenden Verfall der Schulinfrastruktur in Berlin muss umgehend wirksam begegnet werden. Die Erhöhung der Mittel für die bauliche Unterhaltung in den Bezirken und die Bereitstellung von weiteren Mitteln im Umfang von ca. 830 Mio. € bereits in diesem Jahr sowie die Bereitstellung von insgesamt 5,5 Mrd. € für den Bau und die Sanierung von Schulen in den nächsten 10 Jahren bewertet der Rechnungshof als wichtige Schritte zur Ertüchtigung der Schulinfrastruktur. Um die bereitgestellten Finanzmittel auf einer belastbaren Datenbasis zielgerichtet und nach Prioritäten einsetzen zu können, hält der Rechnungshof die umgehende Einführung eines systematischen Instandhaltungsmanagements für dringend erforderlich (vgl. T 68 ff.).

Bauinvestitionen besser vorbereiten – Erst planen, dann finanzieren

Der Rechnungshof hatte bereits in seinem Jahresbericht 2015 dargestellt, dass seit vielen Jahren neue Baumaßnahmen der Hauptverwaltung vielfach ohne fertiggestellteBauplanungsunterlagen in den Haushaltsplänen veranschlagt wurden, obwohl die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Er hatte gefordert, dass Baumaßnahmen – wie gesetzlich vorgesehen – auf Basis fertiggestellter Bauplanungsunterlagen etatisiert werden.

Der Rechnungshof hat anschließend die Haushaltsveranschlagung von Bauausgaben in vier Bezirken geprüft. Die Bezirksämter Lichtenberg, Pankow, Reinickendorf und Treptow-Köpenick haben in den Bezirkshaushaltsplänen 2008/2009 bis 2014/2015 insgesamt 80 % der neu beginnenden Baumaßnahmen im Hoch-, Tief- sowie Garten- und Landschaftsbau ohne fertiggestellte Bauplanungsunterlagen veranschlagt. Den Bezirksverordnetenversammlungen fehlten damit wesentliche Informationen für die Etatentscheidung zu den Bauausgaben. Erhebliche Risiken für die Kostensicherheit sind die Folge.

Bei den ohne ausreichende Planungsgrundlage etatisierten Baumaßnahmen haben die Bezirksämter die Bauplanungsunterlagen nach der Veranschlagung vielfach nicht zügig fertiggestellt. Damit fehlte die entscheidende Voraussetzung für den Einsatz der Finanzmittel für die geplanten investiven Zwecke. Die Veranschlagung ohne Bauplanungsunterlagen hat deshalb Haushaltsmittel in Millionenhöhe gebunden, die im betreffenden Haushaltsjahr für andere Investitionsvorhaben nicht zur Verfügung standen.

Die mit der fehlenden Planungsreife bei der Etatisierung begründeten Kostenveränderungsrisiken haben sich auch vielfach realisiert: Bei den nachträglich erstellten Bauplanungsunterlagen war eine Kostensteigerung um insgesamt 49,5 % gegenüber den in den Bezirkshaushaltsplänen angegebenen Gesamtkosten zu verzeichnen.

Der Rechnungshof fordert daher erneut, dass Baumaßnahmen grundsätzlich auf Basis fertiggestellter Bauplanungsunterlagen veranschlagt werden. Dies ist ein Gebot des Haushaltsrechts und ein Erfordernis des wirtschaftlichen Umgangs mit den Steuermitteln (vgl. T 194 ff.).

Umsetzung des Sondervermögens SIWA muss verbessert werden

Im Dezember 2014 wurde durch Gesetz das Sondervermögen SIWA errichtet. Daraus sollten und sollen dringende Investitionen in die Infrastruktur des Landes Berlin im Zusammenhang mit der wachsenden Stadt finanziert werden. Das Gesetz wurde im Februar 2017 geändert. Das Sondervermögen wurde um einen Nachhaltigkeitsfonds ergänzt und in SIWANA umbenannt.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Senatsverwaltung für Finanzen bei der Verwaltung des SIWA ihre Verantwortung noch nicht ausreichend wahrgenommen hat: Die Auswahl der Maßnahmen entsprach vielfach nicht den gesetzlichen Zwecken. So wiesen von den im SIWA-Haushaltsplan 2015 veranschlagten 127 Maßnahmen nahezu drei Viertel (94 Maßnahmen) keinen Zusammenhang mit der wachsenden Stadt auf. Bei knapp einem Drittel (40) der Maßnahmen war der investive Charakter nicht nachgewiesen. Außerdem wurden Ausgaben für 61 Baumaßnahmen mit Gesamtkosten von rd. 300 Mio. € ohne Bauplanungsunterlagen im SIWA-Haushaltsplan veranschlagt, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht dargelegt waren. Daraus resultieren umfangreiche Verzögerungen beim Mittelabfluss und erhebliche Kostensteigerungsrisiken.

Die beiden ersten Zuführungen an das SIWA hatten ein Volumen von zusammen rd. 700 Mio. €, von denen bis Ende 2016 allerdings erst 155 Mio. €, also rd. 22 %, verausgabt wurden. Die dritte Zuführung an das SIWANA beträgt rd. 1,1 Mrd. €, sodass das Sondervermögen – einschließlich des Nachhaltigkeitsfonds – rd. 1,8 Mrd. € umfasst. Das entspricht der Größenordnung von 1,8 Mrd. €, die nach den Eckwerten des Senats in den Haushaltjahren 2018 und 2019 jeweils an Investitionen im Landeshaushalt vorgesehen werden sollen.

Daran wird deutlich, dass ein erheblicher Teil der Investitionen Berlins außerhalb des Haushalts getätigt werden wird. Der Rechnungshof macht in seinem Jahresbericht darauf aufmerksam, dass sich die Ausgliederung erheblicher Finanzmittel aus dem Haushalt nachteilig auf die Koordination der staatlichen Aufgabenerfüllung auswirken und zu Transparenzverlusten führen kann. Es werden im Verhältnis zum regulären Verfahren der Vorbereitung und Durchführung von Bauinvestitionen zusätzliche Steuerungskapazitäten benötigt. Der SIWANA-Haushalt umfasst aktuell bereits mehr als 300 maßnahmebezogene Titel.

Um die Zielerreichung, die Auswirkungen und die Wirtschaftlichkeit des Sondervermögens beurteilen zu können, ist es erforderlich, dass die Senatsverwaltung für Finanzen ein ganzheitliches Konzept für begleitende Erfolgskontrollen erarbeitet und umsetzt.

Der Rechnungshof weist erneut auf die Notwendigkeit hin, die Bewirtschaftung der Mittel und die Durchführung der Vielzahl von Maßnahmen des SIWANA im Verlauf der kommenden Jahre für alle Entscheidungsträger nachvollziehbar und transparent darzustellen und damit auch eine ausreichende Grundlage für die parlamentarische Kontrolle zu schaffen (vgl. T 131 ff.).

Heimaufsicht muss Kontrollen verbessern

Die Heimaufsicht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales ist zuständig für die Kontrolle in Pflegeeinrichtungen und Wohnheimen für behinderte Menschen. Die gesetzliche Grundlage der Kontrolle durch die Heimaufsicht ist das Wohnteilhabegesetz. Es ist in erster Linie ein Schutzgesetz und dient dem speziellen Zweck, ältere, pflegebedürftige oder behinderte volljährige Menschen in betreuten gemeinschaftlichen Wohnformen vor Beeinträchtigungen und Gefahren zu schützen. Der Rechnungshof hat schwerpunktmäßig geprüft, wie die Heimaufsicht ihre in diesem Gesetz geregelten Kontrollbefugnisse ausübt und insbesondere, wie sie die Personalausstattung in stationären Einrichtungen überprüft.

Der Rechnungshof hat festgestellt, dass die Heimaufsicht gegen die gesetzlichen Schutzvorschriften verstoßen hat. Sie führt kaum noch unangemeldete Prüfungen in stationären Einrichtungen durch, obwohl die gesetzgeberischen Vorgaben dies vorsehen; im Jahr 2015 wurden rd. 90 % der Aufsichtsprüfungen zuvor angemeldet. Verbindliche, vertragliche Vorgaben zur Personalausstattung in Einrichtungen für Menschen mit Behinderung bleiben weitgehend ungeprüft, weil es an geeigneten Maßstäben für die aufsichtsrechtliche Prüfung fehlt. Die Heimaufsicht beschränkt sich daher auf die Prüfung der Mindeststandards für die Personalausstattung in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Allerdings wird dabei nur schematisch kontrolliert, ob ausreichend Personal vorhanden ist, individuelle Betreuungsbedarfe bleiben unberücksichtigt.

Nach dem Wohnteilhabegesetz hat die Heimaufsicht im Übrigen jährlich einen Tätigkeitsbericht zu veröffentlichen. Dies hat sie seit dem Berichtsjahr 2010 versäumt (vgl. T 270 ff.).

Rechtsverstöße und Steuerungsmängel bei der Unterbringung unbegleitet eingereister, minderjähriger Flüchtlinge müssen dringend beseitigt werden

Die für Jugend und Familie zuständige Senatsverwaltung hat bei der Unterbringung unbegleitet eingereister, minderjähriger Flüchtlinge zwingende bundes- und landesgesetzliche Vorschriften zum Schutz der Kinder und Jugendlichen missachtet. Die jungen Menschen wurden in Unterkünften, wie Hostels, Hotels oder Jugendgästehäusern, ohne die erforderlichen Betriebserlaubnisse im Sinne des Jugendhilferechts untergebracht. Die ambulante sozialpädagogische Betreuung in diesen Unterkünften liegt weit unter den üblichen Standards für Inobhutnahmen nach dem Jugendhilferecht. Dies gefährdet die Integration und birgt die Gefahr der Entstehung erheblicher Folgekosten in der Zukunft. Es fehlt an vertraglichen Vereinbarungen, sowohl zu den Betreuungsstandards als auch zu den Mindeststandards für die Beherbergung. Mit einem „administrativen Notstand“ kann dies nicht – jedenfalls nicht über Jahre hinweg – gerechtfertigt werden.

Die Senatsverwaltung hat einen freien Träger der Jugendhilfe als externen Dienstleister mit der Akquise von Hostel- und Hotelplätzen und dem notwendigen Platzmanagement beauftragt – ohne schriftlichen Vertrag und ohne Einhaltung des Vergaberechts. Unbeachtet blieben auch weitere Vorschriften der Landeshaushaltsordnung, indem z. B. Ausgaben ohne zahlungsbegründende Verträge geleistet wurden und flächendeckend auf eine eingehende Prüfung der Rechnungen verzichtet wurde (vgl. T 324 ff.).

Für Schwangerschaftskonfliktberatungen müssen ausstehende Regelungenendlich geschaffen und notwendige Bedarfsprüfungen durchgeführt werden

Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz haben die Länder für die entsprechenden Beratungen ein ausreichendes Angebot wohnortnaher Beratungsstellen sicherzustellen. Sie haben dafür Sorge zu tragen, dass den Beratungsstellen für je 40.000 Einwohner mindestens eine Beraterin oder ein Berater zur Verfügung steht. Die zur Sicherstellung eines ausreichenden Angebotes erforderlichen Beratungsstellen haben Anspruch auf eine angemessene öffentliche Förderung der Personal- und Sachkosten.

Nach den Feststellungen des Rechnungshofs hat die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung ihre Aufgaben nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz bei der Förderung der Beratungsstellen und Sicherstellung der Beratungen nur unzureichend wahrgenommen. Sie hat seit mehr als einem Jahrzehnt rechtliche Regelungen des Landes Berlin zur Förderung der Beratungsstellen sowie zur Novellierung des Schwangerenberatungsstellengesetzes zwar angekündigt, aber nicht initiiert.

Vor der Bewilligung von Zuwendungen an die Beratungsstellen, für die im Haushaltsplan 2017 insgesamt 3,7 Mio. € vorgesehen sind, hat die Senatsverwaltung weder den aktuellen Bedarf an Stellen für Beraterinnen und Berater noch die Anzahl der vorhandenen Beratungskräfte in einem Soll-Ist-Vergleich ermittelt. Damit war weder die Einhaltung der gesetzlichen Mindestausstattung an Beratungskräften noch der wirtschaftliche Einsatz der Haushaltsmittel sichergestellt (vgl. T 285 ff.).

Defizite, die die zügige Umsetzung des E-Government-Gesetzes erschweren, müssen umgehend beseitigt werden

Mit dem im Juni 2016 in Kraft getretenen E-Government-Gesetz soll die Berliner Verwaltung „auf E-Government umgestellt“ und die Zusammenarbeit durch elektronische, fachübergreifende und medienbruchfreie Geschäftsprozesse sichergestellt werden. Für die Steuerung des IT-Einsatzes in der Berliner Verwaltung ist die Senatsverwaltung für Inneres und Sport zuständig.

Der Rechnungshof hat geprüft, inwieweit die Senatsverwaltung den Einsatz der IT-Verfahren konsolidiert und die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, damit die IT-Verfahren wirtschaftlich eingesetzt werden können. Festgestellt wurden eine Reihe von Mängeln, die zudem eine zügige Umsetzung des E-Government-Gesetzes erschweren: Der Senatsverwaltung ist es in den letzten 10 Jahren insbesondere nicht gelungen, Maßnahmen zur Konsolidierung der IT-Verfahren in der Berliner Verwaltung zu konkretisieren und umzusetzen. Im Ergebnis blieb der Einsatz der IT-Verfahren sehr uneinheitlich. Für rd. 25 % der eingesetzten IT-Verfahren wurden keine IT-Verfahrensverantwortlichen benannt. Die IT-Bestands- und Planungsübersicht wird nicht ausreichend gepflegt und kann daher nur eingeschränkt zur Konsolidierung der IT-Verfahren herangezogen werden.

Der Rechnungshof fordert, dass die Senatsverwaltung umgehend auf der Grundlage des E-Government-Gesetzes die Aufgaben der Hauptverwaltung für Planung, Entwicklung, Beschaffung und Finanzierung der IT-Fachverfahren festlegt, ein Konzept für ein einheitliches Geschäftsprozessmanagement für die Berliner Verwaltung erarbeitet und die bestehenden Organisationsgrundätze an die Erfordernisse des Gesetzes anpasst (vgl. T 259 ff.).

Steuervorauszahlungen müssen vorausschauend festgesetzt werden, um verspätete Steuereinnahmen zu verhindern

Steuerpflichtige haben vierteljährliche Vorauszahlungen auf die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer zu entrichten, die sie für den laufenden Veranlagungszeitraum voraussichtlich schulden werden. Sofern sich bei der Steuerfestsetzung nach Anrechnung der geleisteten Vorauszahlungen ein Unterschiedsbetrag zuungunsten des Steuerpflichtigen ergibt, hat er diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheides zu entrichten (Abschlusszahlung).

Der Rechnungshof hat in den Finanzämtern Zehlendorf und Friedrichshain-Kreuzberg sowie im Finanzamt für Körperschaften III ausgewählte Fälle mit Abschlusszahlungen über 50.000 € daraufhin geprüft, ob diese durch eine frühzeitige sachgerechte Anpassung der Vorauszahlungen ganz oder teilweise hätten verhindert werden können. Mehr als 40 % der geprüften Fälle wiesen Bearbeitungsmängel auf. Dadurch haben die Finanzämter Steuerbeträge von 28 Mio. € durchschnittlich neun Monate verspätet festgesetzt und vereinnahmt. Auf Hinweis des Rechnungshofs haben die Finanzämter Steuerfestsetzungen von über 3,1 Mio. € nachgeholt (vgl. T 341 ff.).

Weiterhin höchste Ausstattung an Staatssekretärinnen und Staatssekretären

Der Rechnungshof hat bereits in den Jahresberichten 2007 und 2013 aufgezeigt, dass Berlin bei der Anzahl der Regierungsmitglieder und Staatssekretärinnen/Staatssekretäre über die höchste Ausstattung aller Bundesländer verfügte, wobei länderspezifische Besonderheiten berücksichtigt waren. Auch nach einem aktuellen Ländervergleich hat Berlin die höchste Ausstattung. Mit Beginn der jetzigen Wahlperiode hat sich die Zahl der Senatsmitglieder auf 11 und die Zahl der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre auf 25 erhöht. Dadurch ist auch die vom Senat festgelegte Höchstausstattung der Leitungsbereiche von 102 auf 152 Vollzeitäquivalente gestiegen. Es ist daher von einer Erhöhung des finanziellen Aufwands von rd. 7,5 Mio. € auf mehr als 10 Mio. € auszugehen (vgl. T 33 ff.).

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