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Pressemitteilung zum Jahresbericht 2022

Pressemitteilung vom 30.11.2022

Der Rechnungshof hat heute dem Präsidenten des Abgeordnetenhauses Dennis Buchner seinen Jahresbericht 2022 übergeben und gleichzeitig den Senat unterrichtet.

In diesem Bericht widmet sich der Rechnungshof ausführlich der Finanzlage Berlins, die mit 66 Milliarden Euro Schulden im Kernhaushalt Ende 2021 einen neuen Schuldenhöchststand erreicht hat. Gleichzeitig sind die Schulden der Landesunternehmen gestiegen. „Auch in Krisenzeiten darf die zukünftige Tragfähigkeit des Landeshaushalts nicht aus dem Blick geraten“, sagte Rechnungshof-Präsidentin Karin Klingen. „Die steigenden Zinsen und zunehmenden Tilgungslasten bedeuten ein Risiko für zukünftige Haushalte.“

Weitere Beiträge des Berichts betreffen unter anderem den dringenden Veränderungsbedarf für den Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr, die energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude sowie die Digitalisierung der Verwaltung und der Schulen. „All diesen Themen ist eines gemeinsam: Berlin muss sich besser auf die Zukunft vorbereiten. Die Strukturen müssen analysiert und die Defizite müssen zügig beseitigt werden“, sagte Klingen.

Bereits während des laufenden Jahres hatte der Rechnungshof zukunftsweisende Hinweise gegeben, insbesondere in seinem Beratungsbericht zu organisatorischen Maßnahmen der Verwaltung für die Krisenbewältigung.

Informationen zu ausgewählten Beiträgen aus dem Jahresbericht 2022

Landeshaushalt: Risiken durch hohe Verschuldung und steigende Zinsen

Die ersten beiden Jahre der Corona-Pandemie haben den Landeshaushalt weit weniger stark belastet als befürchtet. Die Pandemierücklage ist mit 5,4 Milliarden Euro noch immer gut gefüllt. Die Steuerschätzung Ende Oktober 2022 wies für Berlin gegenüber dem Haushaltsplan erhebliche Mehreinnahmen von 1,3 Milliarden Euro für 2022 und 0,5 Milliarden Euro für 2023 aus – unter Berücksichtigung voraussichtlicher Steuermindereinnahmen aufgrund der Entlastungspakete des Bundes. Dank dieser beiden Faktoren konnte der Nachtragshaushalt am 14. November 2022 ohne zusätzliche Notlagenkredite beschlossen werden. Allerdings enthielt bereits das Haushaltsgesetz vom 28. Juni 2022 Kreditermächtigungen für Kapitalzuführungen an Landesunternehmen von 1,75 Milliarden Euro. Mit dem Nachtragshaushaltsgesetz wurden die Ermächtigungen für konjunkturbedingte Kredite auf mehr als 0,5 Milliarden Euro erhöht. In 2022 und 2023 wären danach weitere Kreditaufnahmen von rd. 2,3 Milliarden Euro möglich.

Trotz noch vorhandener Rücklagen und geschätzter Steuermehreinnahmen bestehen für den Landeshaushalt erhebliche Risiken. Sie resultieren zum einen aus großen Unsicherheiten infolge des Angriffskrieges auf die Ukraine, vor allem hinsichtlich der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Zum anderen sind der neue Schuldenhöchststand des Berliner Kernhaushalts von 66 Milliarden Euro Ende 2021 und die Schuldenstände der Landesunternehmen – bei wieder steigenden Zinsen – mit hohen Risiken verbunden. So sind bereits in der aktuellen Finanzplanung für 2026 Zinsausgaben für den Kernhaushalt von 1,7 Milliarden Euro prognostiziert, nachdem die Zinsausgaben 2021 noch bei 1 Milliarde Euro lagen. Der Rechnungshof fordert daher eine konsequente Rückführung der Verschuldung und eine äußerst sorgfältige Verwendung der Haushaltsmittel.

Bedenklich ist auch, dass der Landeshaushalt nach der aktuellen Finanzplanung – unabhängig von der aktuellen Krise – ein strukturelles Defizit von rd. 2 Milliarden Euro jährlich aufweist. Somit besteht ein großer Handlungsbedarf, um nach Aufbrauchen der jetzt noch vorhandenen Reserven im Laufe der nächsten Jahre zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückkehren zu können. Berlin muss auch längerfristig finanzpolitisch handlungsfähig bleiben und sich darüber hinaus für künftige Krisensituationen wappnen.

Rettungsdienst der Feuerwehr: Nur bedingt rechtzeitig einsatzbereit

Bei der Berliner Feuerwehr sind dringend Veränderungen notwendig, damit sie die Bürgerinnen und Bürger ausreichend schützen kann. Derzeit sind ihre Rettungswagen nur in 55,3 % der Fälle innerhalb von 10 Minuten am Einsatzort. Damit verfehlt die Feuerwehr ihr selbst gestecktes Ziel, dass sie zusammen mit der Innenverwaltung festgelegt hat. Demnach soll ein Rettungswagen in 90 % der Einsätze innerhalb von 10 Minuten eintreffen.

Ein Grund für das Nicht-Erreichen der Zielmarke liegt an steigenden Einsatzzahlen. Sie wuchsen von 2010 bis 2019 um 44 % an. Sehr viel häufiger als geplant müssen Rettungswagen aus benachbarten Einsatzbereichen hinzugezogen werden, weil die im eigentlich zuständigen Rettungsstützpunkt verfügbaren Rettungswagen nicht ausreichen.

Der Rechnungshof hat auf Basis der Einsatzzahlen im Jahr 2018 ermittelt, dass rechnerisch zusätzlich 66 Rettungswagen und 24 Noteinsatzfahrzeuge erforderlich wären, um das selbst gesteckte Ziel zu erfüllen. Für eine Besetzung der Fahrzeuge rund um die Uhr wären zudem über 1.000 zusätzliche Dienstkräfte notwendig.

Dem Rechnungshof ist bewusst, dass seine rechnerisch ermittelten Bedarfe aufgrund der aktuellen Gebäudeinfrastruktur und des Personalmangels nur mit erheblichen Schwierigkeiten umzusetzen wären. Den gestiegenen Einsatzzahlen im Rettungsdienst wird die Berliner Feuerwehr nicht allein durch proportionale Erhöhung der Zahl der Rettungswagen und der Rettungsdienstkräfte begegnen können. Ob und in welchem Umfang zusätzliche Stellen tatsächlich zur Verfügung gestellt werden müssen, hängt auch davon ab, ob und in welchem Maße es gelingt, durch verschiedene organisatorische Maßnahmen die errechneten Mehrbedarfe zu reduzieren.

Der Rechnungshof hat daher ermittelt, welche Aufgaben die Dienstkräfte im Rettungsdienst neben ihrer Einsatztätigkeit erledigen müssen, etwa für die Reinigung der Rettungswagen. Dieser Anteil liegt mit fast 30 % der Arbeitszeit weit über dem bisher angenommenen Wert. Zahlreiche Überstunden sind die Folge. Der Rechnungshof gibt Hinweise, wie die Vor- und Nachbereitungszeiten der Rettungsdienste reduziert werden könnten.

Klimaschutzziele im Gebäudebereich: Bezirke ohne ausreichende Pläne für energetische Sanierung

Die Bezirksämter Lichtenberg, Reinickendorf, Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg haben die Sanierungsfahrpläne für ihre öffentlichen Gebäude nach den Vorschriften des Klimaschutz- und Energiewendegesetzes nur unvollständig erstellt. Daher fehlt es an ausreichenden Planungsgrundlagen für die dringend erforderliche energetische Sanierung. So wurden Sanierungsfahrpläne erst verspätet aufgestellt und enthalten nicht alle wichtigen Basisdaten. Die gesetzlich geforderten Energieverbrauchssenkungen, die Gesamtkosten der Sanierungsmaßnahmen und das Potenzial für den Einsatz von erneuerbaren Energien sind nicht ordnungsgemäß dargestellt. Außerdem fehlt die vorgeschriebene zeitliche Abfolge der Maßnahmen. Die für Klimaschutz zuständige Senatsverwaltung hat die Erstellung der Sanierungsfahrpläne nicht ausreichend gesamtstädtisch gesteuert und koordiniert.

Um die im Klimaschutz- und Energiewendegesetz vorgeschriebenen Emissionsreduktionsziele zu erreichen, strebt das Land Berlin bis 2045 eine umfassende energetische Sanierung der öffentlichen Gebäude an. Denn die damit verbundenen Energieeinsparungen führen zu einer Senkung des Kohlendioxidausstoßes. Bereits bis 2030 soll der Endenergieverbrauch der Gebäude in einem ersten Schritt um mindestens 20 % im Vergleich zu den Verbrauchswerten von 2010 gesenkt werden. Die Erreichung dieses Ziel ist durch die unzureichenden Sanierungsfahrpläne in Frage gestellt.

Brandsicherheitsschauen in Bildungseinrichtungen: Erhebliche Versäumnisse und Prüfungsausfälle

Die Bezirksämter Friedrichshain-Kreuzberg, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg haben die vorgeschriebenen Brandsicherheitsschauen in Kindertagesstätten, Schulen und Hochschulen seit Jahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt. So wurde der vorgeschriebene Turnus von 5 Jahren für Brandsicherheitsschauen in 581 von 607 geprüften Bildungseinrichtungen in den Jahren 2008 bis 2018 nicht eingehalten. In 158 Bildungseinrichtungen haben die Bezirksämter innerhalb dieses 10-Jahres-Zeitraums gar keine Brandsicherheitsschau durchgeführt. In vielen Fällen haben sie zudem nicht kontrolliert, ob die von ihnen beanstandeten Mängel beseitigt wurden. Durch die erheblichen Prüfungsausfälle und Versäumnisse sind die Bezirksämter das Risiko eingegangen, dass Brandschutzmängel unbemerkt bleiben oder festgestellte Mängel fortbestehen.

E-Government-Gesetz: Keine finanzielle Planungssicherheit für das ITDZ

Die Probleme bei der Umsetzung des 2016 in Kraft getretenen E-Government-Gesetzes Berlin dauern an. Dies gilt auch für das IT-Dienstleistungszentrum Berlin (ITDZ), dem im E-Government-Gesetz eine besondere Rolle als zentraler Dienstleister für die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) zukommt. Trotzdem haben die für Digitalisierung und die für Finanzen zuständigen Senatsverwaltungen bisher keine finanzielle Planungssicherheit für das ITDZ geschaffen. Nach wie vor fehlt ein verbindliches Finanzierungsmodell. Weitere Risiken entstehen durch Verlustgeschäfte, fehlende strategische Planungen und die noch nicht vollständig umgesetzte Vertragsfinanzierung. Die Finanzierungsrisiken gefährden die Umsetzung des Berliner E-Government-Gesetzes.

Probleme zeigen sich auch bei der Untersuchung des Geschäftsprozessmanagements, also der Erfassung und Optimierung der bisher analogen Abläufe vor der Digitalisierung. Sie sollen vereinheitlicht und standardisiert werden. Der für Digitalisierung zuständigen Senatsverwaltung ist dies bisher nicht gelungen. Ein Grund dafür ist, dass die Verantwortlichkeiten unter allen Beteiligten nicht klar genug voneinander abgegrenzt sind. Der Rechnungshof erwartet, dass die Senatsverwaltung das Geschäftsprozessmanagement effizienter organisiert und für eine höhere Verbindlichkeit der gesamtstädtischen Steuerungsmaßnahmen sorgt.

Digitalisierung der Schulen: Trotz 18 Jahren Planung noch große Defizite

Trotz langjähriger Pläne bestehen noch immer große Defizite bei der Digitalisierung der Schulen. Schon seit 2005 hat die für Bildung zuständige Senatsverwaltung mit dem „eEducation Berlin Masterplan“ versucht, eine zeitgemäße digitale Grundausstattung der Schulen flächendeckend aufzubauen. Dabei hat sie es versäumt, ihr Vorgehen und ihre Ziele rechtzeitig an die Strategie „Bildungsoffensive für die digitale Wissensgesellschaft“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung und die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz aus dem Jahr 2016 anzupassen. Dies geschah erst mit der 2021 vorgestellten Digitalisierungsstrategie.

Infolge dieses Versäumnisses fehlten beim Inkrafttreten des „DigitalPakt Schule“ 2019, mit dem Berlin Mittel von über 300 Millionen Euro erhielt, die Konzepte für eine an den Strategien ausgerichtete schulische IKT-Infrastruktur. Defizite bestanden unter anderem beim Ausbau einer leistungsfähigen standardisierten Netzinfrastruktur und bei der Breitbandanbindung. Auch gab es keine Konzepte und Vorgaben hinsichtlich der IT-Ausstattung der Lehrkräfte. Der Einsatz privater IKT und Software war die Folge.

Dadurch wurde die Fortführung des Schulunterrichts während der COVID-19-Pandemie deutlich erschwert, insbesondere in den Phasen vollständiger Schulschließungen ab Anfang 2020. So hatten bis März 2022 zwar rd. 33.000 Lehrkräfte mobile Endgeräte aus zusätzlichen Corona-Mitteln des Bundes erhalten. Genutzt wurden diese Geräte jedoch nur von etwa 20.000 Lehrkräften.

Der Rechnungshof befürchtet, dass sich die aufgezeigten Mängel wiederholen werden, solange der Einsatz der IKT nicht durch entsprechende Konzepte unterlegt wird und die Verbindlichkeit der Umsetzung für die einzelnen Schulträger und Schulen nicht sichergestellt ist.

Corona-Hilfen im Hochschulbereich: Mangelnde Kontrolle und Mitnahmeeffekte

Die damals für Wissenschaft zuständige Senatskanzlei hat den staatlichen Hochschulen 18,67 Millionen Euro zur Bewältigung der Corona-Pandemie zugewiesen. Da die Universitäten und Hochschulen eine zweckentsprechende Verwendung nicht nachweisen müssen, ist offen, ob sie die Mittel überhaupt brauchten. Die Einrichtungen sollten mit den Mitteln beim Umstieg auf die digitale Lehre unterstützt werden.

Das Studierendenwerk erhielt Ende 2020 einen Betrag von 2,7 Millionen Euro für pandemiebedingte Finanzierungsbedarfe. Bereits zu diesem Zeitpunkt war absehbar, dass das Studierendenwerk diese Mittel nicht benötigte, da etwa durch die Schließung der Mensen und erhaltenem Kurzarbeitergeld deutlich geringere Ausgaben angefallen waren. Das Studierendenwerk stellte die Mittel daraufhin in die allgemeine Betriebsmittelrücklage ein. Der Rechnungshof erwartet, dass die für Wissenschaft zuständige Senatsverwaltung die Rückforderung der zusätzlichen Mittel für das Studierendenwerk prüft.

Zweitwohnungsteuer: Die Ausnahme zur Regel gemacht – Nur ein Fünftel der Nebenwohnungsbesitzer sind steuerpflichtig

Nur für rd. 19.300 der rd. 93.000 in Berlin gemeldeten Nebenwohnungen wird eine Zweitwohnungsteuer gezahlt. Das ergab eine Prüfung des Rechnungshofs beim zentral zuständigen Finanzamt Mitte/Tiergarten. Das Finanzamt hat somit rd. 80 % der Zweitwohnungsinhaberinnen und -inhaber von der Zweitwohnungsteuer befreit.

In mehr als einem Viertel der vom Rechnungshof eingesehenen Fälle hat das Finanzamt die Wohnung als steuerfrei eingestuft, weil es sich um im Rahmen eines Untermietverhältnisses angemietete Zimmer, Zimmer in elterlichen Wohnungen oder Wohnungen, die von Lebenspartnerinnen und -partnern mit genutzt werden, handelt.

Der Rechnungshof empfiehlt der Senatsverwaltung für Finanzen, eine Gesetzesänderung zu prüfen, mit der auch solche Wohnungen wie in anderen Ländern für die Zweitwohnungsteuer herangezogen werden können.

Fahrradverleih und Fahrradstellplätze: Beschlossene Ziele werden verfehlt

Das von der Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz seit 2016 öffentlich geförderte Fahrradverleihsystem bleibt weit hinter seinen Zielen zurück. Das vereinbarte Ziel, 725 ortsfeste Fahrradverleihstationen bereitzustellen, wurde bis Ende 2020 mit 270 Stationen nicht annähernd erreicht. Dennoch hat die Senatsverwaltung den Betreibervertrag bis Juli 2024 verlängert.

Hindernisse sind vor allem fehlende Genehmigungen für die Stationen, die von den Bezirksämtern nicht rechtzeitig oder gar nicht erteilt werden. Die Senatsverwaltung gab keine einheitlichen Standards für die Genehmigungsverfahren vor und informierte nicht frühzeitig über die geplanten Stationsstandorte. Die Senatsverwaltung hat damit das bezirksübergreifende Fahrradverleihsystem nicht ausreichend gesamtstädtisch gesteuert.

Die Senatsverwaltung konnte dem Rechnungshof auch nicht benennen, wie viele Fahrradstellplätze insgesamt in Berlin existieren. Zum Jahresende 2020 gab es maximal etwas über die Hälfte der bis 2025 durch das Mobilitätsgesetz gesetzlich vorgeschriebenen 100.000 Abstellplätze. Legt man die bisherigen Erfahrungen zugrunde, ist nach Einschätzung des Rechnungshofs die notwendige Steigerung bis 2025 kaum erreichbar. Das Ziel des Gesetzes ist damit gefährdet.

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