Liebe Ann-Christine Jansson, Sie haben als Fotojournalistin viele Jahre lang sowohl für skandinavische und internationale Medien, aber auch für Stern, Spiegel oder taz berichtet. Was hat Sie zum Dragonerareal gebracht?
Ich wohne in direkter Nachbarschaft zum Dragonerareal und kenne es schon lange. Bereits bei meinen früheren Spaziergängen über das Areal habe ich gemerkt: Das hier ist eine Gesellschaft in einer Gesellschaft. Und solche Prozesse faszinieren mich. Ich wollte mit meiner Ausstellung und Katalog den Gewerbetreibenden, die ebenfalls eine Gesellschaft im Kosmos des Dragonerareals sind, ein Gesicht geben. Es war mir wichtig, einem größeren Publikum die Möglichkeit zu bieten, sie kennenzulernen. Die Gewerbebreitenenden habe ich in ihrem Arbeitsumfeld porträtiert. Meine Fotografien habe ich ergänzt mit Zitaten der Porträtierten über die Bedeutung des Geländes für sie und wie sie ihre Zukunft sehen. Diese spiegeln die individuelle Bedeutung des Geländes für die Betriebe und deren Arbeit wider. Viele Menschen, die ich fotografierte, haben ihr Gewerbe dort seit vielen Jahren, z.B. Autowerkstätten, Taxischule und Künstleratelier.
Die Menschen so nah in ihrer Arbeit zu erleben, bedeutet auch, deren Unsicherheiten und Ängste zu spüren. Das auf dem Areal ein neues Quartier entstehen soll, ist bekannt, unsicher ist aber der genaue zeitliche Ablauf. Ich habe in den Gesprächen viele unterschiedliche Ängste wahrgenommen. Es sind viele Familienbetriebe auf dem Areal, sie sind teilweise seit den 70.er Jahren dort und sorgen sich um die Finanzierung und die zukünftigen Schritte. Sie schätzen das Areal als lebendigen und zentralen Ort.
Die Gewerbetreibenden waren mir gegenüber sehr offen und haben großes Interesse an meinem Projekt gezeigt. Sie sind begeistert, dass sie in einer Ausstellung und im Katalog gezeigt werden. Wenn ich jetzt auf dem Areal unterwegs bin, werde ich immer nett gegrüßt.
Es ist mir wichtig über die Wirklichkeit zu berichten, wie ich sie sehe. Im Mittelpunkt meiner Fotografie stehen stets die Menschen. Vor allem bedeutet Fotografie für mich, Nähe zum Gegenüber herzustellen, ihm mit Respekt zu begegnen und dies in meinen Bildern zu offenbaren. Die Bilder, die dann entstehen, sind ein Ergebnis des Spannungsverhältnisses von Nähe und Distanz. Dabei sind die Blicke und Gefühle der Menschen ein wichtiger Fokus meiner fotografischen Arbeit. Für mich gibt es keinen tolleren Beruf und die Fotografie ist mein Leben.
Einen Teil der Ausstellung habe ich den Initiativen gewidmet. Es war mir wichtig, das Modell der Bürgerbeteiligung mit den verschiedenen Initiativen und Arbeitsgruppen, die an der Gestaltung und Nutzung des Areals mitwirken, anschaulich zu machen und darüber zu informieren. Zu zeigen was hier an vielen Aktivitäten und toller Kreativität entstanden ist. Ja, über die Menschen zu berichten, die die Lebendigkeit auf dem Dragoner Areal mitprägen.
Aber anfangs war es schwer für mich als Nachbarin bei den vielen verschiedenen Initiativen einen Überblick zu bekommen. Wer macht eigentlich was? Und wo? Deswegen wollte ich der Nachbarschaft als auch den anderen Betrachter*innen die Initiativen durch meine Fotografien näher bringen.
Da nur zehn Tafeln der Kiezgalerie zur Verfügung stehen, konnte ich dort nur einen Teil der Initiativen zeigen. So entstand die Idee, weitere Bilder im Rahmen der StadtWERKSTATT und des Archivs unter dem Titel „DRAGONER AREAL IM WANDEL 2 – die Initiativen“ in der Adlerhalle parallel zur meiner Kiezgalerie-Ausstellung im Sommer zu präsentieren. Ich hoffe, diese nochmals mit noch mehr Fotografien ergänzen zu können und auszustellen. Es sind meine Impressionen und ich möchte dadurch einen lebendigen Einblick geben, in das, was hier so passiert.