Sahin Günesdogan – Gewerbetreibender auf dem Dragonerareal

Sahin Gündesdogan

Sahin Günesdogan betreibt gemeinsam mit seiner Familie den Karosserie- und Lackierbetrieb „Türk-Car“ auf dem Dragonerareal. Er arbeitet dort, wo in den nächsten Jahren ein neues Stadtquartier entstehen soll. Wir sprachen mit ihm über seinen Arbeitsort und fragten nach, wie er als Gewerbetreibender und Mieter auf dem Areal auf den Prozess und die anstehenden Veränderungen blickt.

Lieber Herr Günesdogan, das Dragonerareal liegt ja etwas versteckt hinter dem Finanzamt und der LPG. Viele Berliner*innen waren noch nie dort – Sie arbeiten hier jeden Tag. Was ist das Dragonerareal für ein Ort für Sie?

Unser Betrieb ist seit 2001 am aktuellen Standort, aber mein Vater hat schon davor rund 15 Jahre hier auf dem Dragonerareal als Lackierer gearbeitet – nur ein paar Meter weiter, bei den großen blauen Toren. Ich kenne das Areal also schon sehr lange, aber in den letzten zehn Jahren hat es sich ziemlich stark verändert. Früher war es hier sehr lebendig und wenn Kunden auf das Areal kamen, sei es für Elektrikarbeiten oder für die Sattlerei, waren sie über die Vielfalt an Betrieben überrascht, die es hier gab. Die konnten sich nicht vorstellen, dass es mitten in Kreuzberg einen Gewerbehof gibt, der so Vieles anbietet. Nicht nur für Kfz, sondern auch Lackierungen an Möbelstücken und Werbeschildern. Wir lackieren ja zum Beispiel auch Modelle und Skulpturen für Künstler*innen. Also es war wirklich sehr vielfältig.

… und inwiefern hat sich das verändert?

Einerseits kommen in den letzten drei bis fünf Jahren viele Kunden zu uns und sind erstaunt, dass der Hof noch existiert und gar nicht abgerissen ist. Das hätten sie irgendwo so mitbekommen. Und dadurch, dass hier auch nur noch wenige Firmen sind, wirkt das hier alles eher leblos. Na, und seit etwa sechs, sieben Jahren gibt es fast nur noch Touristen auf dem Mehringdamm. Dadurch haben wir auch weniger Kundschaft. Das Klima hat sich verändert, es ist nicht schlecht, aber es gibt nicht mehr die Nachbarschaft von früher.

Im Modellprojekt Rathausblock will man neue Wege gehen in der Stadtentwicklung und die Menschen vor Ort, darunter auch die Gewerbetreibenden, in die Entwicklung und Planung mit einbeziehen. Mit Pamela Schobeß ist deshalb eine Vertreterin der Gewerbetreibenden im Steuerungs- und Entscheidungsgremium, dem Zukunftsrat. Wie nehmen Sie das Verfahren wahr?

Gerade sind wir alle etwas skeptisch… Man kennt das ja, gerade bei einer solchen Größendimension, dass vieles anders kommt als geplant – das ist unter anderem unsere Sorge. Vielleicht werden die Räumlichkeiten kleiner, oder die Mieten teurer? Und auch der Umzug während der Bauarbeiten – wie wird das aussehen, wie stellt man sich das vor? Es ist ja nicht möglich, eine Lackiererei mal eben auf- und abzubauen. Wir haben acht Angestellte und die fragen sich natürlich auch, ob das hier alles eine Zukunft hat. Wir machen uns da gerade viele Gedanken, die Situation ist nicht einfach für uns.

Was wäre denn aus Ihrer Sicht wichtig, um diesen Sorgen zu begegnen?

Mein Wunsch wäre, dass man sich bei den Entwürfen und bei der weiteren Planung noch stärker in die Lage der Gewerbetreibenden versetzt. Die Sorgen und Ängste der Betriebe sollten wahrgenommen werden. Gerade was Umzüge während der Bauzeit betrifft. Aber auch Fragen nach der zukünftigen Miete oder den Verlusten, mit denen zu rechnen ist. Aber klar, es gibt viele unterschiedliche Menschen und Bedürfnisse, die man berücksichtigen muss.

Ja, es gibt viele Anforderungen an den Ort. Im aktuellen städtebaulichen Verfahren haben die Planungsteams deshalb die Aufgabe, Lösungen für das Nebeneinander von Gewerbe – auch sog. störendem Gewerbe – Wohnungen und Sozialeinrichtungen zu finden. Wie finden Sie die bisherigen Vorschläge? Glauben Sie das Nebeneinander kann gelingen?

Bei der Zwischenpräsentation der Entwürfe waren noch viele Fragen offen. Und jede Frage ist irgendwie verknüpft – die Akustik, die Emissionen, das Nebeneinander von Wohnen und Werkstatt. Dafür braucht es noch konkretere Vorschläge. Aber ja, ich denke schon, dass das funktionieren wird. Aber ich glaube nicht, dass es im vorgesehenen Zeitplan von drei Jahren funktioniert. Ich gehe davon aus, dass es noch viele Sachen geben wird, die man jetzt noch nicht auf dem Schirm hat. Und ich gehe davon aus, dass wir uns einschränken werden müssen. Nicht nur räumlich, sondern auch in unserer Arbeit, zum Beispiel in Bezug auf die Emissionen. Und dann müssen wir sehen, ob wir mit den Einschränkungen unser Unternehmen noch erfolgreich weiterführen können. Aber mal abwarten…

Und ganz persönlich, was wünschen Sie sich für die Zukunft des Dragonerareals?

Na, auf jeden Fall dort bleiben zu können! Ich bin selbst auf dem Hof groß geworden, mein Bruder auch. Ich kenne das Gelände mittlerweile auswendig und vieles hier hat meine Kindheit geprägt. Und dann ist es hier einfach multikulti, Nationalitäten spielen hier keine Rolle, die Menschen sind in der Regel vorurteilslos. Wir haben mit unserem Namen „Türk-Car“ an anderen Orten auch schon viele schlechte Erfahrungen gemacht. Es gab Firmen, die nicht mit uns zusammenarbeiten wollten, nur weil sie unseren Namen gelesen haben. In Kreuzberg ist das nicht so, da akzeptiert man dich, so wie du bist. Machst du gute Qualität zu einem fairen Preis, ist alles schick, ganz egal wer die Arbeit macht.

Mit welchem Gefühl blicken Sie also in die nächsten 5-10 Jahre?

Naja, wie gesagt, es gibt gerade viele Fragen und Unsicherheiten. Wir warten auf konkrete Antworten und machen uns Gedanken, wie wir die Überbrückungszeit gestalten, dafür gibt es ja auch schon Angebote von der Verwaltung des Geländes. Aber wir wollen auf jeden Fall hierbleiben. Ich hoffe also auf gute Ergebnisse am 28. Januar!

Die Abschlusspräsentation der Entwürfe im städtebaulichen Werkstattverfahren sowie weitere Informationen finden Sie hier auf der Transparenzplattform unter dem Menüpunkt Quartiersentwicklung.

Das Gespräch führte Lisa Frach.