Ihr von der ZusammenStelle arbeitet aber nicht ehrenamtlich?
Richtig, wir werden vom Bezirk befristet auf zwei Jahre gefördert, so dass wir in der Lage sind, richtig Zeit und Arbeit zu investieren. Das wäre im Ehrenamt so nicht möglich.
Was macht die Initiativen in der Zivilgesellschaft eigentlich aus?
Die Initiativen sind sehr vielfältig. Wir haben Initiativen, die schon seit neun Jahren im Prozess sind, und Leute, die gerade erst dazu kommen. Es gibt Initiativen im Vernetzungstreffen, die sich zum Beispiel für einen Lern- und Geschichtsort auf dem Areal einsetzen; es gibt Upstall Kreuzberg, die bereits seit 2010 für eine soziale Stadtentwicklung und gegen den Verkauf des Areals arbeiten und sich unter anderem für die Umplanung der Kreuzung am Mehringdamm engagieren; wir haben die Initiative Stadt von Unten, die vor allem stadtpolitische Arbeit leistet und sich stark für die Rekommunalisierung des Grundstücks und eine dauerhafte Absicherung bezahlbarer Mieten im Wohnungsbau einsetzt. Außerdem sind in dem Vernetzungstreffen auch Wohngruppen wie die x-Berger Wohnverwandtschaften, die sich für alternative Wohnmodelle einsetzen. Unser Neuzugang ist eine Gruppe, die sich für ein dezentrales Gedächtnisarchiv einsetzt, also versucht, aktivistisches Wissen anders zu
speichern und verfügbar zu machen.
Und ihr unterstützt jetzt, dass die Arbeit der Zivilgesellschaft einen Weg in die Entwicklung des Dragonerareals und der anliegenden Bereiche findet?
Genau – obwohl wir dabei auch mit Strukturen arbeiten, die schon aufgebaut wurden, bevor es die ZusammenStelle gab. Dazu zählen zum Beispiel der Zukunftsrat, in dem die Zivilgesellschaft feste Sitze hat, und in dem viele Entscheidungen zur Entwicklung gefällt werden oder verschiedene Arbeitsgemeinschaften. Wir versuchen jetzt, noch andere Unterstützung zu leisten, indem wir Akteure davon unterrichten, was in dem Prozess gerade passiert und wie und wo man sich einmischen kann. Dafür haben wir die AnlaufStelle auf dem Areal eingerichtet, die darüber informiert, welche Forderungen im Prozess schon durchgesetzt worden sind, welche weiteren Schritte folgen, wer schon vor Ort ist und wie man sich einbringen kann.
Kannst du ein Beispiel nennen für eine Forderung der Zivilgesellschaft, die im Prozess bereits umgesetzt wurde?
Da gibt es zum Beispiel die Forderung danach, dass das Gelände in kommunaler Hand bleiben soll und alle Grundstücke nur über Erbbaurecht vergeben werden. Darüber können andere Förderungsmechanismen greifen. Die Bindung für das sozialgeförderte Wohnen zum Beispiel kann dann über die reguläre Länge von 15-30 Jahren hinaus auf einen viel größeren Zeitraum hin ausgelegt werden. Die Zivilgesellschaft hat auch Gemeinwohlräume gefordert, und auch das ist zu einem Bestandteil der Kooperationsvereinbarung geworden und findet sich in der Auslobung zum städtebaulichen Werkstattverfahren wieder. Auch, dass das Bestandsgewerbe erhalten bleibt, war eine wichtige Forderung aller Initiativen, die sich durchsetzen konnte und für die man jetzt nach Lösungen sucht.
Und die ZusammenStelle selbst? Aus wie vielen Personen setzt ihr euch zusammen, und was sind das für Menschen?
Wir bestehen aus fünf Personen und kommen aus unterschiedlichen Richtungen. Es gibt bei uns Leute, die schon vor Bestehen der ZusammenStelle als aktive Ehrenamtliche im Prozess gearbeitet haben, und dann gibt es Leute, die sich erst seit kürzerer Zeit engagieren. Wir haben Architekt*innen, Stadtplaner*innen & -forscher*innen und Landschaftsplaner*innen.
Und was bist du?
Ich bin Urban Designerin.
Aha, und was ist das?
Das ist ein Studiengang, der die Stadt als etwas Gewordenes versteht und deshalb vorwiegend stadtforschend diese Prozesse versucht zu verstehen und Darstellungsweisen dafür zu finden.
Warum bist du bei der Zusammenstelle dabei? Was ist dir persönlich daran wichtig?
Ein kooperatives Modellprojekt ist ein wichtiger Ansatz dafür, Stadt von unten zu gestalten. Also das Wissen und die Erfahrungen der Bewohner*innen im Kiez in die Planung eines neuen Quartiers mitaufzunehmen. Wir fordern ein gemeinwohlorientiertes Quartier, und das kann es nur geben, wenn wir mit der Nachbarschaft planen, die das Zusammenleben auf dem Gelände in Zukunft bestimmt. Dafür setze ich mich ein.
Provokant gefragt: Was würde im Projekt fehlen, wenn es die ZusammenStelle nicht gäbe?
Berlin ist eine Stadt, in der unheimlich vieles gleichzeitig passiert. Neben den bereits erwähnten Aufgaben der Kommunikation zwischen den Kooperationspartner*innen ist eine Öffentlichkeitsarbeit für den Prozess absolut unerlässlich, um mit der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten. Wir möchten Communities in die Prozesse einbinden, die in klassischen Planungsverfahren häufig außen vor bleiben. Das machen wir, indem wir Formate wie Kiezraumabende proben, zum gemeinsamen Kochen einladen oder zusammen eine mobile Küche bauen. Dabei entstehen neue Verbindungen und es werden Ideen gehört, die andernfalls nicht berücksichtigt worden wären. Eine konstante Vermittlungs- und Vernetzungsarbeit wie diese übersteigt die ehrenamtlichen Kapazitäten von Initiativen.
Kannst du die Mitmachangebote, die es aktuell gibt, noch mal aufzählen?
Im November findet die zweite Zwischenpräsentation der Entwürfe für das städtebauliche Werkstattverfahren statt. Und daran anschließend noch eine Werkstatt statt, in der sie von der Öffentlichkeit weiterentwickelt werden. Dann gibt es ab Mitte November die frühzeitige Beteiligung zum Bebauungsplan. Auf dem Areal können sich Interessierte außerdem weiterhin jeden Donnerstag ab 17 Uhr oder nach Absprache an unsere AnlaufStelle wenden. Und dann gibt es noch die Workshops, die immer wieder stattfinden. Letzte Woche zum Beispiel gab es einen Filmworkshop und wir haben zusammen Musik gemacht. Über weitere Veranstaltungen informieren wir regelmäßig auf der Facebook Seite der ZusammenStelle sowie der Internetseite zum Rathausblock.
Gibt es etwas, das dich persönlich mit dem Areal verbindet?
Ich gehöre zu denen, die erst seit der Gründung der ZusammenStelle dabei sind, und wohne unweit vom Areal. Mich verbindet, dass ich mich jedes Mal freue, wenn der LPG-Elefant zu sehen ist, oder dass ich beim Spazierengehen auf dem Quartier Menschen aus den Initiativen oder Nutzer*innen des Areals treffe, mit denen man dann immer kurz über die neusten Ereignisse schnackt. Auch für mich entsteht dort deshalb eine Nachbarschaft, über den Austausch und die gemeinsamen Bemühungen um eine gemeinsame Zukunftsvision.
Wie würdest du das bisherige Werkstattverfahren bewerten?
Es ist sehr spannend, mit den drei unterschiedlichen Planungsteams zusammenzuarbeiten, die mitverschiedenen städtebaulichen Ansätzen arbeiten. Das Werkstattverfahren ermöglicht es Menschen, sich zu dem Modellprojekt in Beziehung zu setzen, und mobilisiert ihre Vorstellungskraft. Gleichzeitig merken wir, wie der immense Zeitdruck im Verfahren immer wieder auch die Entwicklungsprozesse innerhalb der Initiativen stark herausfordert, und viele Ressourcen bindet. Spannend finde ich es dann zu beobachten, wie die geforderte Selbstverwaltung schon im Planungsprozess erprobt wird und die Initiativen sich für die Planung organisieren. Das an sich ist schon wirklich modellhaft.
Apropos Zukunft: Wie stellst du dir das Dragonerareal in zwanzig Jahren vor? Was ist das wohl für ein Ort?
Wir hatten ja gerade einen Science-Fiction-Workshop, da ging’s um 300 Jahre. Da haben wir dann alle unter Wasser gelebt. Aber Spaß beiseite. Ich stelle mir eine Nachbarschaft vor, die sich gegenseitig unterstützt und sich im Sinne des Gemeinwohls eigenermächtigt und selbstverwaltet.
Das Gespräch führte David Schmidt.
Kontakt:
zusammenstelle@rathausblog.org
www.rathausblog.org
www.facebook.com/zusammenstelle
AnlaufStelle
Plangarage auf dem Dragonerareal
Obentrautstraße 19-21
10963 Berlin Kreuzberg
Öffnungszeiten: Donnerstags, ab 17 Uhr und nach Absprache