Wie genau würden Sie dann Ihre Rolle im Obergutachtergremium definieren? Was denken Sie, wird Ihr inhaltlicher Schwerpunkt sein?
Mein besonderes Augenmerk wird natürlich auf der Entwicklung des Gewerbeteils liegen. Als Sprecherin der Gewerbetreibenden denke ich, dass ich da eine entsprechende Verantwortung habe, die ich sehr gern annehme. Wir sind alle auch für Wohnen, Gemeinwohl und Grünflächen! Aber ich muss auch sagen, dass Lars und ich gebrannte Kinder durch den Verlust unseres ersten Clubs sind. Dort wurden wir in der Anfangsphase auch in die Planung des Neubaus miteinbezogen. Zunächst fühlten wir uns auch unterstützt von der Politik etc., aber am Ende hat es dann leider in der Praxis – also Wohnen und Clubbetrieb – nicht funktioniert.
Jetzt habe ich natürlich eine wahnsinnige Angst davor, dass uns das hier auf dem Gelände noch einmal passiert. Ich habe Angst davor, dass im städtebaulichen Werkstattverfahren etwas entwickelt und umgesetzt wird, das am Ende dann vielleicht doch nicht funktioniert. Die meisten Gewerbe hier auf dem Gelände gehören zu dem sogenannten „störenden Gewerbe“, Handwerksbetriebe zum Beispiel. Da gibt es natürlich die Gefahr der Lärmemission. Dennoch wollen alle Beteiligten, dass die Betriebe bleiben und sich auch noch Weitere ansiedeln, da diese aufgrund von Verdrängung in der Innenstadt leider keine Rolle mehr spielen. Mein Fokus liegt daher darauf, zu schauen, was geplant wird und ob das funktionieren kann.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass wenn Anwohner*innen sich durch Gewerbetreibende gestört fühlen, es immer die Gewerbetreibende sind, die am Ende gehen müssen oder ausgetauscht werden. Das will ich unbedingt vermeiden! Kurz gesagt: Ich möchte darauf achten, dass so gebaut wird, dass man hier sowohl gut wohnen und auch gut arbeiten kann.
Meine nächste Frage bezieht sich konkret auf das städtebauliche Werkstattverfahren: Was ist Ihnen am und beim Prozess besonders wichtig?
Wir haben ja jetzt sehr lange im Vorfeld auf das städtebauliche Werkstattverfahren hingearbeitet, wir haben ein Leitbild entwickelt und dabei verschiedene Ideenstränge miteinander verwoben. Dabei haben wir versucht, so viele Bedürfnisse wie möglich abzudecken und ein rundes Bild zu kreieren. Mir ist es ganz besonders wichtig, dass dieses jetzt auch im städtebaulichen Werkstattverfahren umgesetzt wird. Dabei möchte ich vermeiden, dass man die einen Bedürfnisse über die anderen stellt. Gewerbe, Wohnen, Kultur und Freiflächen, alles soll gleichermaßen betrachtet werden. Es geht mir darum, gemeinsam ein wirklich rundes, schönes und harmonisches Quartier zu entwickeln. Ein Quartier mit Seele, das funktioniert und als solches auch genutzt wird.
Zum Abschluss habe ich noch eine assoziative Frage: Stellen Sie sich vor, Sie spazieren im Jahre 2030 über das Gelände. Was sehen Sie?
Oh, (lacht), also, wenn wir uns alle daranhalten, was wir abgesprochen haben, die Ziele umsetzen, die wir uns vorgenommen haben, dann sehe ich ein ganz gemischtes Quartier. Ein Wohnquartier, in dem viele unterschiedliche Leute, junge und alte, in unterschiedlichen Wohnformen miteinander wohnen, sich Räume teilen, kennenlernen und aktiv sind. Ein Quartier in dem man sich grüßt, wenn man über das Gelände läuft. Ich sehe ganz viele wuselige, umtriebige Handwerker, die tolle Sachen bauen. Für die Leute, die hier leben, aber auch für die Menschen außerhalb des Areals.
Ich sehe viele junge Leute, die hier lernen: Zum einen ein Handwerk, zum anderen aber auch wie gemeinwohlorientiertes und faires Wohnen und Leben in der Stadt funktionieren kann. Und natürlich sehe ich auch uns hier, dass wir immer noch Konzerte und Clubabende veranstalten, zu denen die Leute aus der Nachbarschaft und darüber hinaus kommen…
Und ich hoffe, dass die Leute, die neu hierherziehen, auch irgendwas finden, was Ihnen bei uns gefällt: tanzen, feiern, dass dies ein Ort ist, um neue Musiken zu entdecken und seinen interkulturellen Horizont zu erweitern. (Lacht) Ein bisschen phantasievoll, ich weiß…