Auf den Spuren des weltberühmten Weihnachtsliedes Stille Nacht! Heilige Nacht!

Die Stille-Nacht-Kapelle in Oberndorf im Schnee

von Hans-Jürgen Kolbe

Stille Nacht, Heilige Nacht ist wohl das weltweit bekannteste Weihnachtslied. Es wurde in mehr als 300 Sprachen und Dialekte übersetzt und Heerscharen etablierter und mehr noch ambitionierter Künstler schufen ihre eigene Interpretation des Liedes.

Das Lied bewegt die Welt. Es sind sanfte Töne und besinnliche Worte, die die Herzen berühren: „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ ist ein Lied, dessen Zauber seit mehr als 200 Jahren ungebrochen ist. Ein Lied, das Trost verspricht und Hoffnung schenkt. Immer und immer wieder.

Über die Jahrhunderte hinweg hat dieses Lied Grenzen und Krisen überwunden. Es verbindet Menschen unabhängig von Herkunft, Alter oder Religion und es verbindet uns mit jener Zeit, in der es geschaffen wurde. Vor über 200 Jahren haben der Salzburger Priester Joseph Mohr und der aus Oberösterreich stammende Lehrer Franz Xaver Gruber das Lied zum ersten Mal gesungen: In der St. Nikola Kirche in Oberndorf bei Salzburg.

Aus Joseph Mohrs Feder stammt das Gedicht. Vertont wurde es auf dessen Bitte hin von Franz Xaver Gruber. Über Zillertaler Sängerfamilien trat es nur wenige Jahre danach seine Reise von Österreich nach Europa und in die Welt an. Mittlerweile wird es in mehr als 300 Sprachen und Dialekten gesungen.

Erstmals gesungen – Oberndorf bei Salzburg, 1818
“Es war am 24. Dezember des Jahres 1818, als der damalige Hilfspriester Herr Josef Mohr bei der neu errichteten Pfarre St. Nicola in Oberndorf dem Organistendienst vertretenden Franz Gruber (damals zugleich auch Schullehrer in Arnsdorf) ein Gedicht überreichte, mit dem Ansuchen eine hierauf passende Melodie für 2 Solostimmen sammt Chor und für eine Guitarre-Begleitung schreiben zu wollen.” – so beschrieb Franz Xaver Gruber am 30. Dezember 1854 in der “Authentischen Veranlassung” die Entstehungsgeschichte des Weihnachtsliedes “Stille Nacht! Heilige Nacht!”.

Gruber überreichte noch am 24. Dezember 1818 dem musikkundigen Mohr seine Komposition. Da diesem das Lied gefiel, wurde es im Rahmen der Christmette gesungen. Mohr sang Tenor und übernahm die Begleitung mit der Gitarre, Gruber sang Bass. Das Lied fand bei der Oberndorfer Bevölkerung (hauptsächlich Salzachschiffer und Schiffbauer) “allgemeinen Beifall”. Wir erfahren in der “Authentischen Veranlassung” nichts über die Motive, die zur Entstehung des Liedes führten.

Eine Vermutung lautet, dass das alte Positiv der Kirche nicht bespielbar gewesen sei und Mohr und Gruber deshalb ein Lied mit Gitarrenbegleitung schufen. Um diese erstmalige Darbietung von “Stille Nacht!” ranken sich viele Legenden und romantische Geschichten, die die Entstehungsgeschichte mit anekdotischen Einzelheiten ausschmücken.

Wie wir heute wissen, schuf Mohr den Liedtext bereits 1816, als er Hilfspriester in Mariapfarr im Lungau gewesen ist. Das 1995 aufgefundene einzige “Stille Nacht!”-Autograph aus der Hand von Mohr weist den Schriftzug “Text von Joseph Mohr mpia Coadjutor 1816” auf. Das Autograph entstand vor 1830 und seine Untersuchung legt nahe, daß sich die Datierung “1816” auf den Zeitpunkt der Abfassung des Textes bezieht. Das Autograph Mohrs enthält weiters die Textzeile “Melodie von Fr: Xav: Gruber” und brachte damit die endgültige Klärung in bezug auf die Urheberschaft der Komposition.

Historischer Hintergrund
Die Entstehung von “Stille Nacht!” fällt in eine sehr schwere Zeit. Die Napoleonischen Kriege waren zu Ende gegangen und Europa hatte auf dem Wiener Kongress eine Neuordnung erfahren. Im Zuge dieser Ereignisse erfuhr das geistliche Fürstentum Salzburg, das seine Selbständigkeit verloren hatte, seine Säkularisierung. Ein Teil Salzburgs kam 1816 zu Bayern und der größere Teil zu Österreich.

Der Uraufführungsort von “Stille Nacht!”, Oberndorf b. Salzburg, wurde von seinem Stadtzentrum in Laufen getrennt (heute Bayern, Bundesrepublik Deutschland), da die Salzach zur Staatsgrenze wurde. Der Fluss bildete durch den Salztransport über Jahrhunderte die Grundlage für den Wohlstand in Laufen/Oberndorf. Schifffahrt, Schiffer, Schiffbauer und damit der ganze Ort gingen unsicheren Zeiten entgegen. In dieser Phase kam Mohr nach Oberndorf und blieb zwischen 1817 und 1819. Sein voriger Dienstort Mariapfarr (1815-1817) hatte unter dem Abzug der bayerischen Besatzungstruppen zu leiden gehabt.

Gerade aus diesen Zeitumständen heraus bekommt der Text der vierten Strophe von “Stille Nacht!” besondere Bedeutung. Diese drückt große Friedenssehnsucht aus. Dass „Stille Nacht, Heilige Nacht“ überhaupt hinaus in die Welt zog, verdankt es vermutlich dem Orgelbaumeister Karl Mauracher (1789–1844) der das Lied hörte und in seine Heimatstadt Fügen brachte, wo es 1819 zur Christmette gesungen wurde. Später verbreiteten die Tiroler Lieder singenden Geschwister Strasser das Lied weiter.

„Stille Nacht! Heilige Nacht!“ bahnte sich über das Tiroler Zillertal den Weg ins restliche Europa, nach Amerika und in die Welt. Der Orgelbauer „Mauracher“ nahm den Text mit ins Zillertal. Aus dem Zillertal hinaus trugen es die Strasser-Sänger aus Laimach sowie die Rainer-Sänger, die das Lied anlässlich eines Besuches von Kaiser Franz I. und Zar Alexander I. im Schloß Fügen zum Besten gaben. Nach einer umfangreichen Reisetätigkeit in Europa brachen die Rainer-Sänger 1839 zu einer Amerikareise auf. Dort brachten sie „Stille Nacht!“ vor der ausgebrannten Trinitiy Church in New York zur amerikanischen Uraufführung.

Zur Jahrhundertwende sang man das heute berühmteste Weihnachtslied – verbreitet durch katholische und protestantische Missionare – bereits auf allen Kontinenten.

  • Weihnachten ohne „Stille Nacht!“ ist heute nicht mehr vorstellbar.