Die Fahrausweise zur Kontrolle bitte!

Ein geöffnetes Auge

von Waltraud Käß

Ich kenne diesen Spruch zur Genüge. Die S-Bahn-Linie, die ich benutzen muss, um in die Stadt zu kommen, scheint ein beliebtes Jagdrevier der Kontrolleure zu sein. Jedes Mal, wenn dieser Spruch ertönt, sich auffällige Gestalten blitzartig durch den Wagen bewegen, schrecke ich zusammen, und nicht nur ich.

Hastig werden Zeitungen beiseite gelegt, Bücher geschlossen, Stöpsel aus den Ohren genommen. Es beginnt ein aufgeregtes kramen in den Taschen von Jacken oder Hosen, oder in Rucksäcken und Umhängetaschen. Ein erleichterter Blick, wenn man fündig geworden ist.

Mitunter werden aber auch die Kontrolleure fündig. Dann richten sich die Blicke der restlichen Fahrgäste mitleidig oder höhnisch auf den ertappten Sünder.
Eigentlich kann ich bei Kontrollen ganz ruhig sein. Ich habe ein Monatsticket, welches immer am gleichen Platz in meinem Rucksack steckt.

Doch an einem Nachmittag im Frühjahr war alles anders. Am Vortag, es war etwas kühler geworden, war ich nicht nur mit der S-Bahn, sondern auch mit dem Bus unterwegs, in dem der Fahrer ja bekanntlich das Ticket sehen will. Raus aus dem Rücksack, den ich mir wieder über den Rücken warf, denn auf der Rückfahrt musste ich die gleiche Prozedur erledigen. Das Ticket wanderte derweil in die Jackentasche.

Der nächste Tag, ein Freitag, brachte sommerliche Temperaturen. Am Nachmittag auf dem Weg zu einer Veranstaltung fuhr ich frohgelaunt zum Ort des Geschehens, benutzte S-Bahn und U-Bahn, nicht ahnend, was mir noch passieren würde.

Auf dem Rückweg, die Heimatstation war schon in Sicht, ich war immer noch ahnungslos, ertönte plötzlich der bekannte Ruf: Die Fahrausweise zur Kontrolle bitte! Ruhig griff ich in das entsprechende Fach meines Rucksacks – es war leer. Blitzartig schoss es mir durch den Kopf, dass das Ticket noch in der Jackentasche steckte. Das Erschrecken muss mir im Gesicht gestanden haben.

Erwischt! Ich war ein Opfer der Kontrolleure! Peinlich! Am liebsten wäre ich im Wagenboden versunken oder hätte mich unsichtbar gemacht, als mich die Blicke der Mitreisenden trafen. Doch tapfer trat ich zu den Kontrolleure und erklärte mein Missgeschick. Da kann natürlich Jeder kommen und eine Geschichte erzählen, sie dürfen es nicht glauben.

Sie sind schließlich das Auge des Gesetzes. Ich bekam ein Kontrollticket, einen Hinweiszettel mit einer Telefonnummer und die Mahnung mit auf den Weg, mich am Montagnachmittag im Kundenbüro am Ostbahnhof zu melden, um mein Ticket vorzulegen. Dort würde ich Weiteres erfahren.

Das Problem war nur, dass ich am Nachmittag des Montag bereits außerhalb Berlins weilte und somit die geforderte 7-Tage-Karenzzeit nicht einhalten konnte. Also sofort das Kundenbüro anrufen. Ich erhielt den Hinweis, falls ich im Besitz eines PC wäre, eine E-Mail mit der Bitte um Fristverlängerung zu schreiben. Das tat ich und bekam kurzfristig eine automatische Eingangsbestätigung.

Nach dem Abschluss meiner Reise legte ich am Ostbahnhof mein Ticket vor. Eine Strafe wurde nicht fällig, ich wurde informiert, dass ich einmal im Jahr das Ticket “vergessen” darf. In den Geschäftsbedingungen des Vertrages ist dieser Fakt natürlich auch aufgeführt. Aber wer liest schon immer das Kleingedruckte? Fazit meiner Zitterpartie: Vor Fahrantritt prüfen, ob das Ticket wirklich an seinem Platz im Rucksack steckt.