Die Geschichte vom Pflaumentoffel - Eine Geschichte aus dem 17. Jahrhundert
Bild: Dresdner Christstollen24
von Hans-Jürgen Kolbe
Der Pflaumentoffel ist ein aus Trockenpflaumen zusammengestecktes Männlein. Er ist ein typisches Symbol für die Dresdner Weihnacht und insbesondere für den Dresdner Striezelmarkt. Eine erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 1801.
In dieser Zeit verkauften Striezelkinder den Pflaumentoffel als weihnachtlichen Glücksbringer, Schmuck und auch Naschwerk. Seine Form als Schornsteinfeger verdankt er den Waisenknaben des 19. Jahrhunderts. Die Essenkehrer durften sogar durch eine sächsisch-kurfürstliche Genehmigung (1653) diese sieben- bis achtjährigen Kinder beschäftigen. Sie mussten die Essen und Schlote von innen reinigen.
Dies ist ein frühes Beispiel für staatlich geduldete Kinderarbeit. Die Kinder hatten einen schwarzen Umhang mit Kapuze und dienten so als Vorbild für den Pflaumentoffel (etymologisch aus Pflaume und Feuerteufel). Im 19. Jahrhundert wurde der Zylinderhut ein weit verbreiteter Modehut und ist es bis heute bei den Essenkehrern und Schornsteinfegern geblieben. Daraus entwickelte sich der moderne Pflaumentoffel mit Zylinder. Aber auch der ältere, historische ohne Hut ist wieder erhältlich unter dem Namen Pflaumenfeuerrüpel.
Eine Geschichte aus dem 17. Jahrhundert!
Die Frau des Hauses, der der Krieg gleich am Anfang den Sohn und den Mann nahm, legte die Hände aneinander, dass die Fingerspitzen sich berührten, sann einige Sekunden nach und erzählte: »Da wohnt in den Trümmern eines kleinen, durch Kanonenschüsse zerstörten Hauses eine Frau, die zu den Leuten waschen geht.
Ihr Mann ist seinerzeit von Napoleon als Trossfahrer mit nach Russland verschleppt worden, und obwohl diese Ärmste das Letzte verloren hat, machte ihr der Hauswirt – bedenken sie, jetzt im Dezember – auch noch den Wohnraum streitig, da sie seit Monaten mit der Miete im Rückstand war. Kein Wunder, dass sie mit ihren Kindern in diesem Unmenschen ihren schlimmsten Bedränger sehen musste.«
»Mit ihren Kindern?«
»Ja, mit ihren unmündigen Kindern, einem Mädchen von 10 Jahren und einem Jungen von 9.«
Und nun ergab sich aus dem Bericht der Erzählerin Folgendes:
Die beiden Kleinen hatten eines Tages, als die Mutter in Ausübung ihres Broterwerbes aus dem Hause gegangen war, einsam am Tisch gesessen, mit den paar vertrockneten Pflaumen spielend, die ihnen als Mittagessen zurückgelassen worden waren.
Indem sie die Pflaumen auf dünne Holzstäbchen reihten, entstand mit Rumpf, Gliedern und einem runzligen Kopf ein kleiner schwarzer Mann, der einem Essenkehrer nicht unähnlich sah. Da nun der böse Hauswirt zufällig Schornsteinfegermeister war und als solcher bei mancher Gelegenheit doppelt düster in Erscheinung getreten sein mochte, lag es nahe, dass die Kinder alsbald ihr Männchen als Feuerrüpel ansprachen und ihm auch noch die genaueren Kennzeichen seines Berufes, einen Besen, eine Leiter und einen Zylinderhut mit geschickten kleinen Händen beifügten.
Der Jubel über das beziehungsvolle Kunstwerk ließ sie allen Hunger vergessen. Als die Mutter abends nach Hause kam, wurde ihr das verschrumpelte Abbild des Unholdes nicht ohne Freude und unter Gelächter vorgeführt.
Die Frau, stolz auf das verschmitzte Erzeugnis ihrer Kinder und auch nicht ganz ohne Schadenfreude, hatte nichts Eiligeres zu tun als den Pflaumentoffel, wie sie ihn nannte, in den benachbarten Häusern herumzutragen.
Da der Schornsteinfegermeister wegen seines Geizes und seines üblen Rufes überall unbeliebt war, bekam sie viel Beifall und Zuspruch. Sie bekam überall Backpflaumen geschenkt. Die gesamte Nachbarschaft wollte solche drolligen schmackhaften Männlein haben.
Als die Frau sah, mit welcher Freude und mit welcher Hingabe ihre beiden Kinder sich an die Anfertigung der Pflaumentoffel machten, erwachte in ihr der Geschäftsgeist. Sie trug die Musterstücke zu allen Kunden, denen sie die Wäsche wusch, und nahm Bestellungen auf.
Bald mussten ihre beiden Heimarbeiter die Hilfe der Nachbarskinder in Anspruch nehmen, um den Anforderungen des stillvergnügten Handels gewachsen zu sein. Die schlimmste Not war mit einem Schlag vorbei.
Als der Schornsteinfegermeister, gehänselt und verlacht, hinter die Bescherung kam und die neue Firma wutschnaubend und endgültig aus dem Hause warf, obwohl die Wäscherin ihre Mietschulden inzwischen bezahlt hatte, konnte er den Dreien keinen Schmerz mehr zufügen. Sie hatten die Lacher auf ihrer Seite und fanden Unterschlupf in einem kleinen Häuschen gegenüber.
Diese Geschichte schrieb der Dresdner Schriftsteller Kurt Arnold Findeisen (1883 bis 1963) auf und erwähnte in ihr zum ersten Mal die Pflaumentoffel. Der Begriff Toffel stammt aus dem Sächsischen und bezeichnet einen komischen Typ. Im Verlaufe seiner Existenz fügte man ihm Leiter und Zylinder hinzu, um an sächsische Kinder zu erinnern, die einst als sogenannte Feuerrüpel in den Schloten sächsischer Bürgerhäuser ihren rußigen Dienst verrichten mussten.
Gerade mal sieben oder acht Jahre alt und meist in Waisenhäusern zu Hause, krochen die Kinder in die Schornsteine und reinigten sie. Dies hatte ein königlicher Erlass von 1635 erlaubt.
Im 19. Jahrhundert schließlich wurde der Pflaumentoffel wieder von Kindern begleitet, diesmal jedoch nicht als Symbol harter Kinderarbeit, sondern in einem Bauchladen, mit dem die Knirpse auf den sächsischen Weihnachtsmärkten ihre selbst gebastelten Pflaumentoffel verkauften.
Heute gilt der Pflaumentoffel trotz seiner eher traurigen Geschichte als Glückssymbol, ähnlich wie der Schornsteinfeger. Im Mittelpunkt des Festes steht der Pflaumentoffel als eine der symbolträchtigsten Figuren des Dresdner Striezelmarktes.
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