Sanddorn - die "Zitrone des Nordens"

Ein Sanddornzweig mit Früchten

Sanddornzweig mit Früchten

von Ursula A. Kolbe

Dass im Brandenburgischen viel Sanddorn wächst, sieht, wer mit offenen Augen durch die märkischen Lande fährt, durch die „Streusandbüchse“ mit ihren ungeahnten Binnendünen, Trockenrasen und Heiden, in erster Linie aber bekannt als Preußens Kartoffelland.

Doch auch mit besten Voraussetzungen für das Wildobst Sanddorn, das von ihren Ansprüchen genau in diese Gegend passt, das aus weniger immer mehr zu machen weiß.

Wegen ihres außerordentlich hohen Vitamin-C-Gehalts gern auch die „Zitrone des Nordens“ genannt.

Mit rund 300 Hektar nimmt Brandenburg (nach Sachsen-Anhalt) den Spitzenplatz in Europa ein. So war denn auch Potsdam – Tourismusperle und anerkannter Wissenschaftsstandort zugleich – jüngst im Oktober Ausrichter des 6. Kongresses des Sanddorn-Weltverbandes (International Seabuckthorn Association I.S.A.), der seinen Hauptsitz in Peking hat.

China gilt mit 1,6 Millionen Hektar Sanddorn-Anbau weltweit als die Nummer 1., der hier dank seiner Fähigkeit als Pionierpflanze hauptsächlich zur Erosionsvermeidung auf Brachflächen und im Hochgebirge angebaut wird. Russland folgt mit 55.000 und Indien mit 12.000 Hektar.

Sich der Gastgeberrolle Brandenburgs bewusst, konstatierte Agrarstaatssekretärin Kathrin Schneider denn auch vor den rund 200 Teilnehmern aus 23 Ländern im passenden Rahmen der Biosphäre Potsdam, dass Brandenburg und Berlin mit den Partnern in Mecklenburg-Vorpommern sowie Sachsen-Anhalt in der weltweiten Sanddornverarbeitung zu den meistbesuchten Ländern gehören.

Die Experten aus China, Indien, Mongolei, Osteuropa, Russland oder der USA waren auch jetzt hierher gekommen, um sich über den neuesten Stand der hiesigen Sanddorn-Spezialisten, die sich zu einem einzigartigen Netzwerk zusammen gefunden haben, in Sachen Züchtung, Anbau, Ernte und Verarbeitung auszutauschen. Gerade der Plantagenanbau und Produktinnovationen seien für viele der ausländischen Spezialisten von großem Interesse.

  • Zur zukunftsträchtigen Pflanze in Mitteleuropa gezüchtet

Auf diesem Forum traf ich auch den Sanddorn-Spezialisten, Züchter und Fachberater, Dipl.- Gartenbauing. Hans-Joachim Albrecht. Er, gelernter Baumschüler und Absolvent der Ingenieurschule für Gartenbau „Peter Joseph Lenné“ in der Havelstadt Werder, ist sozusagen der „Vater der Sanddornzucht“ und heute noch Fachberater der Späth’schen Baumschulen in Berlin-Baumschulenweg, deren Gründung durch Christoph Späth auf das Jahr 1720 datiert.

Gemeinsam mit seinem Team hat Albrecht alle in Deutschland gezüchteten Sorten entwickelt und die Metamorphose des widerspenstigen Wildgewächses Sanddorn zur zukunftsträchtigen Kulturpflanze in Mitteleuropa erst möglich gemacht.

Ihre Zuchtziele sind bis heute als wertvoll angesehene Merkmale wie hohe Ertragspotenz, dichter Fruchtbesatz, Großfrüchtigkeit, hoher Fruchtsäure- und Ascorbingehalt, gutes Regenerationsvermögen, geringe Bedornung.
Der heute 81jährige Albrecht meint verschmitzt, noch heute mit dem Sanddorn verheiratet zu sein.

Der ausgewiesene Spezialist, der sich seit fünf Jahrzehnten mit der Anzucht und Kultur von Sanddorn, der übrigens zur Gattung der Ölweidengewächse gehört, und seit über 30 Jahren auch mit der Züchtung beschäftigt hat, will als Verfasser der Broschüre „Sanddorn, Anbau, Ernte, Sortiment“, herausgegeben von der Kordes- Jungpflanzen Handels GmbH, Bilsen, sein Wissen an Profis und alle Interessenten weitergeben.

  • Produktion und Vermarktung heute

Es ist unbestritten, in Brandenburgs Landen wird das Sanddorn-Wissen gepflegt und zu einer weithin erfolgreichen Marke weiter entwickelt. Christine Berger, die Geschäftsführerin der gleichnamigen GmbH & Co. KG aus Werder, Ortsteil Petzow, die ich kurz auf dem Kongress traf und die immer in Eile zu sein scheint, gibt dem in der Praxis ein Gesicht, verkörpert in Person die Erfolgsgeschichte der heimischen Produktion.

Nach der Wende träumte sie davon, im alten Petzower Schlossgarten einen Frucht-Erlebnisgarten aufzubauen. Den Grundstein dafür legte sie mit Sanddornspezialitäten.

Der Rohstoff kam aus dem Gartenbaubetrieb, den Christine Berger 1991 mit ihrem Mann aus dem Erbe der LPG Glindow aufgebaut hat.
Sie selbst konzentrierte sich auf den Handel von Sanddornerzeugnissen, die in Lohnunternehmen verarbeitet wurden. Die Palette reicht vom Saft über Likör und Fruchtaufstrich bis zur Kosmetik (s. a. www.sandokan.de).

In diesem Garten entstand auch eine erste Schauverarbeitung. Ebenso ist eine Bio-Produktschiene im Blick, trägt die Zusammenarbeit mit dem Institut für Getreideverarbeitung Bergholz-Rehbrücke in Sachen Rezepturvariationen der Fruchtsäfte gute Ergebnisse.

Mehr über weitere Aktivitäten der umtriebigen Brandenburger „Unternehmerin des Jahres 2007“ oder auch die Sanddorn GbR Herzberg als ein Verarbeiter für Sanddornbeeren und Produzent von Sanddorn-Erntemaschinen, über die Firma Lienig, Wildfrucht Verarbeitung in Dabendorf bei Zossen, über Frank Hofert und Andreas Brylka Sanddorn GbR in Hohenseefeld oder Werderfrucht mit der Süßmost und Weinkellerei Hohenseefeld GmbH kann man ebenfalls in der äußerst interessanten und wissensreichen Broschüre „Pionier im märkischen Sand – Auf den Spuren des Sanddorns in Brandenburg“, herausgegeben vom Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft“, nachlesen.

Ich habe darin in Sachen Sanddorn, auch über seine Geschichte oder Rezepte zum Genießen, eine ganze Menge dazu gelernt und kann die Broschüre nur empfehlen; unter oeffentlichkeitsarbeit@mil.brandenburg.de kostenlos zu bestellen. Weitere Infos: Gesellschaft zur Förderung von Sanddorn und Wildobst – Sanddorn e. V., Altlandsberg, unter www.sanddorn.net.

Apropos Sanddorn. Sollte dieser Begriff jemandem nicht geläufig sein, er hat je nach Region einen anderen Namen. So nennt man ihn Weidendorn, Dünendorn, Audorn, Fasanenbeere, Haffdorn, Seedorn, Rote Schlehe oder Sandbeere.

Und für den Anthroposophen, Chemiker, Pharmazeut und Gärtner Wilhelm Pelikan, der von 1893 bis 1 981 lebte, wurde der dornenbewehrte Strauch in seiner „Heilpflanzenkunde“ „zum Pionier des Lebens“, der „ein Maximum an Licht, aber ein Nichts an Boden“ benötige.

  • Das Werderaner Gebiet der Obstgarten, das Oderbruch der Gemüsegarten Berlins

Auch hier im Oderbruch ist Sanddorn zu Hause. Von hier kam übrigens mit Daniel Albrecht Thaer (1752 – 1828) der landwirtschaftliche Fortschritt in Deutschland. Er ist der Gründer der heutigen Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin.

Und die unter Friedrich II. gewonnene Provinz ist bis heute Herkunftsprodukt vieler guter Agrarprodukte, auch bestes Saatgut.
Werner Selles Marktfruchtbetrieb in Schulzendorf bei Wriezen z. B. mit seiner 10 ha großen Sanddornanlage auf ökologischer Basis steht für die Kleinen in der Sanddornszene, die mit Experimentierfreunde anbauen, modern ernten und verarbeiten.

Mit dem Ergebnis von Gelees, Marmeladen, Gummibärchen, Bonbons, Nektar, Wein, Likör, Tee.

Wie gesagt, Sanddorn wird heute als d i e Frucht mit dem höchsten Vitamin-C-Gehalt mehr denn je geschätzt. Er hat zudem keine unerwünschten Nebenwirkungen. Dafür sind mehr als 250 bioaktive Inhaltsstoffe nachgewiesen. Laut Nährwerttabellen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung schnitt Sanddorn als Lebensmittel mit besonders hohem ernährungsphysiologischen Wert ab.

Die Früchte sind reich an leicht verdaulichen Kohlenhydraten, organischen Säuren, Mineralstoffen, bioaktiven Substanzen und Vitaminen C und E.
Ich will nun nicht euphorisch sagen: Gesundheit pur! Aber ein Lebenselixier ist Sanddorn, Rote Schlehe oder wie auch immer genannt, auf jeden Fall.