Wieder elektrisch betriebene Busse in Berlin

Ein neuer E-Bus an einer Haltestelle in Berlin

von Tristan Micke

Im ehemaligen Ostteil Berlins wurde die letzte Oberleitungsbuslinie (Obuslinie) am 1. Februar 1973 stillgelegt, im ehemaligen Westteil sogar schon am 22. März 1965. Damit war in Berlin die Ära der elektrisch betriebenen Busse, die einst hier entwickelt wurden, zunächst vorbei.

Seit 31. August 2015 fahren auf der Buslinie 204 (Bahnhof Südkreuz – Zoologischer Garten, Hertzallee) nun wieder elektrisch betriebene Busse. Diese vier Busse vom Typ: „Solaris Urbino 12 electric“ funktionieren jedoch nach einem anderen Prinzip als die früheren Obusse. Eine Oberleitung ist nicht mehr nötig, da ihre Lithium-Ionen-Batterien an den Endhaltestellen kabellos in vier bis sieben Minuten nachgeladen werden.

Bei Verspätung kann auch mal eine Ladepause entfallen. Das Prinzip des Ladens wird oft mit dem Laden einer elektrischen Zahnbürste verglichen, welches kontaktlos erfolgt, indem die Zahnbürste einfach in ihren Ständer gestellt wird. Ein Magnetfeld übernimmt dann die Energieübertragung durch elektromagnetische Induktion.

Wie bei einem aufgeteilten Transformator sind beim Elektrobus an den Endhaltestellen in der Straßendecke Ladeplatten eingelassen, deren Spulen als Primärspulen wirken und die aus dem allgemeinen Stromnetz mit Energie versorgt werden. Zum Laden werden die Busse genau über den Ladeplatten abgestellt und ihre Stromaufnehmer, die Sekundärspulen, abgesenkt und die Energie elektromagnetisch, und somit kontaktlos übertragen.

Diese als PRIMOVE Technologie bezeichnete Ladetechnik ist für Mensch und Tier völlig gefahrlos, denn die Ladeplatten sind nur aktiv, wenn der Bus darüber steht. Technische Geräte, wie Herzschrittmacher, Mobiltelefone usw. werden nicht beeinflusst, weil unterschiedliche Frequenzen verwendet werden. Elektrosmog tritt ebenfalls nicht auf, da das Ladesystem gegen elektromagnetische Strahlung abgeschirmt ist.

Diese Strahlung unterschreitet weit alle europäischen Grenzwerte und ist geringer als die elektromagnetische Strahlung von Induktionsherden. Das System ist wetterfest: Schnee, Eis, Sand oder Ähnliches behindern die Ladung nicht. Die 12 m langen Busse sehen aus wie herkömmliche Busse, bieten je 70 Personen Platz (davon 33 Sitzplätze) und haben ein zulässiges Gesamtgewicht von 18 t.

Durch den fehlenden Dieselmotor steht im Innenraum mehr Platz zur Verfügung. Die gesamte technische Ausrüstung ist im Dach und im Untergestell untergebracht. Die Höchstgeschwindigkeit der Busse beträgt 65 km/h, was im Stadtverkehr völlig ausreicht. Ihr Antriebsmotor mit einer Leistung von 160 kW arbeitet beim Bremsen als Generator und gewinnt so Elektroenergie zurück.

Außer dem Antrieb müssen von der Hochleistungsbatterie die Beleuchtung, im Winter auch noch die elektrische Heizung und im Sommer die Klimaanlage mit Strom versorgt werden. Die Busse fahren angenehm leise, weich und Ruck frei. Sie sind am 1. Juli 2015 vorgestellt worden und drehten auf dem Betriebshof Indira-Gandhi-Straße ihre ersten Runden. Dort sind sie auch stationiert.

Für den Betrieb der Fahrzeuge wird nur umweltfreundlich erzeugter Strom verwendet. Unter normalen Bedingungen liegt der Stromverbrauch eines Elektrobusses bei 1,3 bis 1,8 kWh je Kilometer. Das entspricht pro Jahr 240.000 kWh für alle vier Busse. Für ein Betriebsjahr muss ein Windrad knapp 24 Tage Strom erzeugen.

Die Fahrzeuge haben eine Effizienz von über 90 % und sollen künftig den Ausstoß von 260 t Kohlendioxid jährlich vermeiden. Für das gleiche Ergebnis müssten etwa 250 private PKW durch Elektroautos ersetzt werden. Es sind aber ein höheres Gewicht und ein höherer Preis der Elektrobusse in Kauf zu nehmen.

Mit einem Stückpreis von 700.000 € kosten die Busse dreimal so viel wie ein Dieselbus, da es sich um Einzelanfertigungen handelt. Bei einer Serienfertigung, würde sich der Preis aber verringern. Nach dem Willen des Berliner Senats darf die BVG ab 2020 ohnehin nur noch abgasfreie Busse beschaffen.

Bei der Braunschweiger Verkehrs-GmbH sind Elektrobusse mit der gleichen Ladetechnik bereits seit dem 24. März 2014 im Linienbetrieb eingesetzt. Weltweit wird an verschiedenen Systemen gearbeitet, um umweltfreundliche elektrisch betriebene Busse auf relativ kurzen Linien einsetzen zu können.

Eigentlich sollten die Elektrobusse auf der Buslinie 192 zwischen S-Bahnhof Friedrichsfelde-Ost und S-Bahnhof Marzahn verkehren. Um die neuen Busse jedoch stärker der Öffentlichkeit zu präsentieren, entschied sich das Bundesverkehrsministerium für ihren Einsatz auf einer Innenstadtlinie.

Die nur 6,1 km lange Linie 204 erschien mit ihrem Verlauf durch verkehrsreiche Stadtgebiete für eine Erprobung unter Alltagsbedingungen gut geeignet. Die Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf kämpft nun darum, dass die BVG zur IGA 2017 im Bezirk eine Elektrobuslinie einrichtet.

Vorausgesetzt, die Erprobung verläuft erfolgreich, sei laut BVG Marzahn-Hellersdorf wegen der IGA 2017 ein Favorit für eine Elektrobuslinie. Zeitlich würde das auch passen, da die Erprobung der Fahrzeuge Ende 2016 abgeschlossen ist.

Das Projekt “E-Bus Berlin” ist eines von rund 30 Kernprojekten im “Internationalen Schaufenster Elektromobilität Berlin-Brandenburg”. Es wird vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur mit insgesamt 4,1 Mio. € gefördert. Wissenschaftlich begleitet wird es von der TU Berlin, die auch die Ladezeiten und die Batteriekapazität der Fahrzeuge berechnete.

Es wird auch darüber nachgedacht, künftig Straßenbahnen mit induktiver Stromübertragung zu betreiben, wodurch die Oberleitungen entfallen könnten und dann das Erscheinungsbild der Städte nicht mehr beeinträchtigen würden.