TTIP – Untergang der Demokratie?

Ein Handelsschiff (Tankschiss) auf dem Meer

von Barbara Ludwig

TTIP ist ein Transatlantisches Freihandelsabkommen. Genauer gesagt, eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen den USA und Europa. Die bestehenden Wirtschaften sollen zu einer Weltwirtschaft zusammengeführt werden.

Damit entstünde die größte Freihandelszone der Welt.
Insbesondere durch den Wegfall von Zöllen sowie eine freiheitliche Erhöhung der Investitionen sollen gemeinsame Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital geschaffen werden.

Es geht vor allem um eine noch gewaltigere Anhäufung von Kapital für die Reichen und Superreichen durch horrende Geldströme und damit um deren wirtschaftliche und politische Macht.

1826 Dollar-Milliardäre besitzen aktuell etwa sieben Billionen Dollar, das ist so viel wie der Rest der Welt besitzt, der sieben Milliarden Menschen zählt.

Was folgt aus der Umsetzung von TTIP?
„TTIP . . . würde . . . tief in sehr viele Politikbereiche eingreifen: von der Landwirtschaft und Lebensmittelstandards bis zum Datenschutz, der Daseinsvorsorge, Umweltpolitik, Arbeitnehmerrechte bis hin zur Selbstentmachtung von Parlamenten.“ (Hgr. 3/2015, J. Maier)

Dieses Abkommen würde eine riesige Zäsur in bestehende Rechte eines jeden Staates und einen gewaltigen Einschnitt in das Leben jedes einzelnen Bürgers bedeuten. Ihm würde eine schwere Last durch das Diktat der Märkte aufgebürdet, indem er kaum noch Mitsprache hätte, um seine Interessen durchzusetzen. Mit anderen Worten, die dann noch verbleibende Demokratie fände nur noch pro forma statt.

Die marktgewaltigen Plätze besetzten nunmehr Konzerne und deren dazugehörige Minderheit.
„Das Freihandelsabkommen sei die Fortsetzung von Geopolitik mit anderen Mitteln.“ (Hgr. 3/2015, S.7, M. Rude ) Also als Waffe für Kriege, für Weltwirtschaftskriege, die die Völker nicht gewinnen können, wohl aber die mächtigen Konzerne. Politik und Regierung befänden sich in deren Kontrolle.

Zum Gelingen wird ganz wesentlich Bundeskanzlerin Angela Merkel beitragen. Im Dezember 2014 äußerte sie entschieden, TTIP „gegen alle Widerstände durchzukämpfen“, ansonsten werde Deutschland gegen aufstrebende Staaten wie China nicht mehr standhalten können.

„ . . . es soll verborgen bleiben, dass es um eine weitreichende Neuordnung der Machtverhältnisse geht, darum, dass Wirtschaftsinteressen in einem völkerrechtlich bindenden Vertrag Vorrang bekommen vor dem Gemeinwohl“, äußerte der Gründer der Verbraucherorganisation Foodwatch, Thilo Bode. (Hgr. 3/2015 S.9, M. Rude)
Dagegen türmt sich Widerstand. Allein in Deutschland gingen im April zehntausende Protestierende auf die Straße.

Sie protestierten gegen die Erweiterung von Rechten der Konzerne, gegen den Abbau von Umwelt-, Verbraucherschutz und Arbeitnehmerstandards, gegen die Zulassung von Fracking und Gentechnik. Auch gegen die Übernahme amerikanischer Standards bei Arzneimitteln, Kosmetika und Lebensmitteln. Allen bisweilen bekannt sind die sogenannten Chlorhühnchen und das Hormonfleisch.

Die US-Fleischindustrie möchte unbedingt das Verbot von Wachstumshormonen in der EU aufheben. Die US-Getreideindustrie will eine höhere Zulassung von genetisch veränderten Pflanzen. Sogar von der Aufhebung des Verbots von Pestiziden in der EU wird gesprochen. Bei Artikeln der Körperpflege hat die EU 1300 Stoffe verboten, die USA dagegen nur elf! TTIP will Lockerung einfordern.

Europäische vergleichsweise hohe Standards in der Landwirtschaft und auch im Handwerk würden gegen industrielle Herstellungsweisen nieder gemacht.
Bereits jetzt im Vorfeld der Erarbeitung von Gesetzen zu TTIP werden immer häufiger und in immer größerem Umfang Lobbyisten hinzugezogen, die dann in erster Linie die entsprechenden Ausarbeitungen vornehmen.

Erst im Nachhinein dürfen ausgewählte Abgeordnete des Europaparlaments Kritik üben und versuchen Änderungen herbeizuführen, was jedoch aufgrund der Machtverhältnisse zugunsten der Konzerne kaum gelingt. Dadurch wird ganz augenscheinlich das Gemeinwohl hintenan gesetzt.

Nicht nur das. Demokratische Prinzipien werden preis gegeben. Es könnte sein, dass das Streikrecht und auch die Arbeitnehmerrechte stark minimiert werden. Es gibt Konzerne, die gegen eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes, gegen Gesundheitsschutz, gegen das Verbot einer Giftmülldeponie in einem Trinkwassergebiet klagen oder klagten und jüngst verklagte der schwedische Konzern Vattenfall die Bundesregierung wegen Stilllegung zweier Atomkraftwerke: Krümmel und Brunsbüttel.

Seit geraumer Zeit bereits laufen Angriffe auf Gebiete der Gesundheit, der Bildung, der Kultur. Denn TTIP würde nicht zulassen, dass das Finanzkapital im Verbund mit den Großkonzernen Wege findet, die Geld und Macht nicht in ihre für sie vorgesehenen Bahnen leitet.

Konzerne sollen mit TTIP weitere Möglichkeiten erhalten, Gesetze, die ihnen aus wirtschaftlichen Gründen nicht passen, durch Schiedsverfahren, deren Gremium nur aus drei Privatpersonen besteht, die jeweilige sich gegen unsinnige Lebenseinschränkungen wehrende Regierung zu verklagen. Diese Schiedssprüche sind bindend, auch wenn berechtigte Zweifel an der Unabhängigkeit der sog. Richter besteht.

„Franz Kotteder, Autor des Buches `Der große Ausverkauf ´ sieht aufgrund der Ideologie des freien Handels unsere Demokratie gefährdet.“ (Hgr. 3/2015 S.11, M. Rude).

Nicht nur er ist besorgt, auch die informierte Bürgerschaft. Sie sollte aufklären und Protestdemonstrationen organisieren. Noch haben wir die Freiheit dazu.

Lit.: Hintergrund (Hgr.)3/2015, „Völlige Entdemokratisierung“, Matthias Rude „ . . . Variable im Freihandelsspiel“, Jascha Jaworski „Keimzelle einer europ. Zivilgesellschaft“, Jürgen Mayer ND v. 6./7.6. 2015, „Totale Ökonomisierung der Welt“, Heinrich Bergstresser