30 Jahre Schengener Abkommen und die Vision eines grenzenlosen Europas

Friedenssäule, Segment der Berliner Mauer und Europadenkmal vor dem Europäischen Dokumentationszentrum in Schengen

von Ursula A. Kolbe

Hand aufs Herz, wer kannte schon in all den zurückliegenden Jahrzehnten das kleine Dorf Schengen am luxemburgischen Moselufer. Heute ist es längst in vieler Munde. Es hat europäische Geschichte geschrieben, mit der Unterzeichnung des Schengener Abkommens am 14. Juni 1985 auf dem Fahrgastschiff „MS. Princesse Marie-Astrid“ an eben genanntem Moselufer.

Sein Inhalt: Die Vereinbarung zwischen ursprünglich fünf Mitgliedstaaten der Europäischen Union – zwischen Frankreich, Deutschland und die Benelux-Staaten – künftig auf Grenzkontrollen an den Binnengrenzen dieser Staaten zu verzichten. Auch sind Visa, die von einem Schengen-Mitgliedsstaat ausgestellt werden, im gesamten Schengen-Raum gültig. – Ich denke, ein Schritt historischen Ausmaßes. Eine Vision auf dem Weg zu einem grenzenlosen Europa.

Inzwischen haben sich dem 26 EU-Staaten angeschlossen sowie Island, Norwegen, die Schweiz und Liechtenstein. Und mal ehrlich, zurückblickend genießen wir „Nutznießer“ doch Schengen heute mit einer Selbstverständlichkeit, über die man kaum noch nachdenkt.

30 Jahre Schengener Abkommen und Tourismus in Luxemburg war auch ein aktuelles Thema eines TourismusDialogs. Berlin in der Botschaft des Großherzogtums Luxemburg, zu dem Botschafter Georges Santer in seine Räumlichkeiten eingeladen hatte und bei dem u. a. auch der langjährige Bürgermeister von Schengen, Präsident der Schengen asbl., gern Rede und Antwort stand.
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Jubiläumsaktivitäten an historischem Ort*

Das Wochenende vom 12. Bis 14. Juni wird in Schengen ganz im Zeichen des 30jährigen Jubiläums stehen. Konzerte finden statt, eine akademische Sitzung mit hochrangigen Politikern, wie EU-Kommissionschef Jean Claude-Juncker und dem Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz. Teil des Festprogramms ist auch ein Open-Air-Gottesdienst mit Geistlichen aus Deutschland, Frankreich und Luxemburg.

Neben der Hauptattraktion, das Europäische Museum Schengen im Centre Europèe, wurde rechtzeitig zum Jubiläum der neue Mosel-Ponton mit dem Tourismus-Informationsbüro fertiggestellt.

Auf 200 Quadratmetern versucht die Dauerausstellung in französischer, deutscher und englischer Sprache Geschichte und Bedeutung des Übereinkommens dem Besucher zu verdeutlichen; aufzuzeigen, dass die Abschaffung der Personenkontrollen an den genannten Grenzen die Realisierung der vier europäischen Grundfreiheiten einleitete – in den Römischen Verträgen von 1957 fixiert.

Der Name „Schengen“ ist im Ort im wahrsten Sinne des Wortes „in aller Munde“. Rund 50 Menschen aus aller Welt treten in Lebensgröße mit Vornamen, Alter und Nationalität nacheinander ins Bild und sprechen den Namen „Schengen“ in der jeweiligen Färbung ihrer Landessprache aus.

Zugleich erfährt der Besucher historische Daten über das Dorf und seine Umgebung im Dreiländereck Luxemburg – Deutschland – Frankreich. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere 1939/40, als Schengen zwischen die deutsch-französischen Fronten geriet.

Gerade für die jüngeren Generationen Wissenszuwachs pur. Dem dient auch das mit Experten ausgearbeiteten Glossar, das in Form einer EDV-Anwendung unter der Bezeichnung „Schengen-ABC“ die wichtigsten Begriffe des Vertragswerkes erklärt.

Verwiesen sei auch auf das Monument „Accord de Schengen“ am Moselufer neben der Moselbrücke; den Europaplatz mit dem Gedenkstein und seiner Inschrift „Europa ohne Grenzen“ in mehreren Sprachen; auf das Europacenter „Europe Direct“, das sich als Schnittstelle zwischen der Europäischen Kommission und der Bevölkerung versteht; die „Bronzeplatten“, auf dem sich jeder der 26 Staaten auf dem Platz vor dem Europazentrum mit je einer Platte im Boden verewigt hat.

Bei allem Respekt vor dieser historischen Leistung darf heute aber mehr denn je nicht Außeracht gelassen werden, dass der Wegfall von Grenzkontrollen zwischen den Schengener Staaten nicht ohne Risiken einhergeht, vor große Herausforderungen stellt.

Illegale Einwanderer können sich mühelos über Ländergrenzen hinweg bewegen. Viele verüben illegale Taten verschiedenster Art, werden oft dazu auch angestiftet.
Aber auch der rasante Anstieg von Pkw-Diebstählen als gezielte Auftragstaten gerade in den unmittelbaren östlichen Grenzbezirken, wie aktuell jetzt verstärkt in Berliner Stadtbezirken wie Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf registriert werden muss. Das ist Autoklau in großem Stil, organisierte Kriminalität.

Eine logische Schlussfolgerung daraus ist, dass die EU-Staaten ab 2014 wieder Passkontrollen einführen können. Auch grenzüberschreitende Polizei-Zusammenarbeit wie verstärkt z. B. jetzt mit Polen vor allem in Sachen Pkw-Klau zeigen erste Erfolge.

Auf dem Premiumwanderweg grenzenlos unterwegs

Mit dem Abkommen hat auch der grenzüberschreitende Tourismus ungeahnten Aufschwung genommen. Viele sind jetzt vor allem neugierig auf den Ort Schengen, auf das beschauliche Winzerdorf mit seinen 500 Einwohnern, die selbst hauptsächlich von ihrem Wein leben.

Durch die besondere Lage im Dreiländereck ist hier das grenzenlose Europa auf kleinstem Raum hautnah erleb- und nachvollziehbar. Ob der Wein überall in dieser Region oder der Premiumwanderweg „Traumschleife Schengen grenzenlos“.

Er ist übrigens einer der schönsten Wanderwege, verspricht herrliche Blicke ins Moseltal, auf die Weinberge, weite Aussichten in Richtung Luxemburg und Lothringen, zeigt sich die wilde Natur am Strombierg im gleichnamigen Naturschutzpark (www.schengen-tourist.lu).

Überhaupt: Wer sich Luxemburg „erwandern“ will, erlebt immer wieder Überraschendes. Das ausgedehnte Wanderwegenetz lädt ein, die fünf Regionen des Landes für sich zu entdecken: Von der Hauptstadt samt Umgebung über die Ardennen im Norden zum Land der Roten Erde im Süden; vorbei an der Müllerthal Region und die Mosel Region. Und immer Naturgenuss pur inmitten der schönen, beeindruckenden Landschaftskulissen.

Neugierig geworden? Dann anklicken: www.visitluxembourg.com.

Schengen und die EU – ein Synonym. Wie brachte doch der Hamburger Student Marc seine Gefühle zum Ausdruck, als er zum ersten Mal vor dem Europa-Denkmal in Schengen stand: „Bislang war Europa für mich ein abstrakter Begriff. Aber hier wird das begreifbar. Du stehst am Europa-Denkmal und schaust in die eine Richtung nach Frankreich und in die andere nach Deutschland und spürst, es gibt mehr, das uns verbindet, als was uns trennt.“ – Wie wahr!

Der „Dreiländerweg“ motiviert gerade dazu und zur Wanderlust. Am Ufer der Mosel führt er durch das Dreiländereck Deutschland – Frankreich – Luxemburg. Mit Start und Ziel in Schengen ist der Rundweg 10 Kilometer lang. www.perl-mosel.de.