Ein Rückblick auf das Ende des schrecklichen Weltkrieges

Das Schloss Babelsberg

von Wolfgang Prietsch

Am 16. April 1945 begann die rote Armee mit der Berliner Operation ihre letzte Offensive.
Meine Geburts- und Heimatstadt Frankfurt(Oder) .
Am 26. Januar 1945 hatte Hitler die Oderstadt zur Festung erklärt.

Der östlich der Oder gelegenen Frankfurter Stadtteil Dammvorstadt war am 4. Februar 1945 zur Hauptkampflinie geworden, erst in dieser Situation erging um 9:00 Uhr früh der Befehl, diesen Stadtteil innerhalb von einer Stunde! von der Zivilbevölkerung zu räumen (dort lebten 17.000 Einwohner). Noch am 3. Februar hatte der NSDAP- Kreisleiter die Bevölkerung mit völlig unhaltbaren Durchhalteparolen zu beruhigen versucht.

Und am 5. Februar früh kam dann der Räumungsaufruf für den Frankfurter Stadtteil Paulinenhof, in dem wir wohnten. In kürzester Zeit verließen wir, nur mit dem nötigsten Handgepäck versehen, unsere Wohnung und bestiegen einen der auf dem Güterbahnhof stehenden Evakuierungszüge. Auf dem Bahnhof erhielt ein daneben stehender Zug bereits einen Treffer durch Sowjetische Artillerie, es gab erste Tote. Nach endlos erscheinender Fahrt mit vielen Zwischenhalten erreichten wir Velten im Nordwesten von Berlin (in diesen Bereich wurden große Teile der Frankfurter Bevölkerung evakuiert).

Man bedenke: Frankfurt (Oder) hatte 1939 eine Einwohnerzahl von 83 537 Personen, am 22. April 1945, einen Tag vor Einnahme der Stadt durch die Sowjetischen Streitkräfte, wurde noch der Rest der in der Stadt lebenden Bevölkerung mit den Frankfurter Truppen evakuiert. Danach sollen nur noch etwa 500 Menschen in Kellern ihrer Wohnhäuser in Frankfurt verblieben sein.
Nach einer Nacht in einer Veltener Turnhalle auf Strohlager fuhren wir in eigener Initiative nach Potsdam- Babelsberg, wo wir im Hause meiner Tante das zu erwartende nahe Kriegsende abwarten wollten.

In den letzten Apriltagen (Potsdam wurde am 27. April von den Sowjetischen Streitkräften eingenommen) hörten wir dann laute Geräusche von den sowjetischen Panzern, die den Berg zur Sternwarte in Babelsberg herauf fuhren, kurz danach kam sowjetische Infanterie ins Haus.

Sie durchsuchten die Wohnräume und fanden im Schrank einen Satz Duell-Pistolen, die der verstorbene Onkel als Sammlerstück aufbewahrt hatte (die Tante hatte das völlig vergessen).

Mein Vater musste sich an die Wand vor dem Haus An der Sternwarte stellen, ein russischer Soldat legte die MPi auf ihn an, meine Mutter warf sich dem noch ganz jungen Soldaten zu Füßen… und er schoss nicht (Waffenbesitz in Zivilistenhand wurde im Krieg allgemein mit schwersten Strafen geahndet).

Hinweis: Alle historischen Fakten sind den Arbeiten von WOLFGANG BUWERT (MITTEILUNGEN HISTORISCHER VEREIN zu Frankfurt(Oder) e. V., 1. Heft / 1991 und Heft 2 / 1995) entnommen.

Sehr oft bin ich mit der Familie wieder zu diesem Haus in Babelsberg gefahren, so auch in diesem 70. Jahr nach Ende des furchtbaren 2. Weltkrieges, und es entstand das folgende Gedicht:

Babelsberg – nach 70 Jahren

Kam hier als Flüchtling an
nach Artillerie-Beschuss und überlanger Fahrt.
Sicheres Zuhause zerrann
plötzlich. Doch das Leben bewahrt
und Zukunft möglich! Meine Stadt zur Festung erklärt
und zwangsweise evakuiert. Und das Menschen-Treibgut vermehrt
im Strom Ost gen West.
Bis auf den militärisch nutzbaren Rest
an Menschen geräumt Stadt um Stadt.
Die andere Front hat
nun erreicht dieses Land,
von dem ausging der Weltbrand.
Frühjahr 45, fünf Minuten vor zwölf, winterkalt.
Der Krieg macht nicht halt
an der Oder.