Florence Hervé – eine mutige Frau

Ein Stempel mit dem Aufdruck "Abgelehnt"

von Barbara Ludwig

„Ich werde diese Auszeichnung nicht annehmen“ titelte die „junge Welt“ am 3.7.2014.

Der darin veröffentlichte Brief der deutsch-französischen Feministin und Journalistin Florence Hervé an den Bundespräsidenten Gauck erscheint mir als ein Meisterwerk kritischen Denkens. Ihr wurde das Bundesverdienstkreuz am Bande zuerkannt.

Sie lehnte ab und dokumentierte im genannten Brief ihre Beweggründe:
„Mit dieser Auszeichnung … soll meine langjährige ehrenamtliche Arbeit in Sachen Frauenpolitik, deutsch-französische und internationale Zusammenarbeit anerkannt und gewürdigt werden – ein Engagement, das sich häufig im Gegensatz zur Politik der jeweiligen Bundesregierung befindet. Ich werde diese Auszeichnung nicht annehmen.“

Immer wieder muss sie feststellen, dass die von ihr angeprangerten Missstände, wie Diskriminierung, soziale Ungleichheit, Waffenexport und fehlende friedensfördernde Zusammenarbeit mit anderen Staaten andauern und zu wenig Handlungsbedarf in der Politik besteht.

Zur noch immer nicht erfolgten Gleichberechtigung der Frau schreibt sie in diesem Brief: „Derzeit nimmt …die Frauenarmut wieder zu, an Kindereinrichtungen … wird gespart, die Sorgearbeit wird nach wie vor von Frauen geleistet, oft unter prekären Bedingungen und gering entlohnt. Kinder werden so zum ‚Armutsrisiko‘ und Alter wird als ‚Problem‘ bezeichnet.“

Ein Ausweg allerdings, nicht in die Armut zu gelangen, wurde von Staat und Regierung geschaffen. Florence Hervè schreibt dazu: „Inzwischen werden Frauen zum Dienst in der Bundeswehr zugelassen, mit dem fadenscheinigen Gleichstellungsargument.“ … Sie „werden als Soldaten in Kriegsgebiete geschickt. … Was haben Kampfeinsätze … zu tun mit Emanzipation?“

Weiter schreibt sie: „Wir brauchen keine Bundeswehrsoldaten … im Schulunterricht, sondern eine konsequente Friedenserziehung“.
Nur dann ist Solidarität von Mensch zu Mensch im eigenen Land und insbesondere mit anderen Völkern praktizierbar. Das reicht bis hin zum freundschaftlichen Verhalten eines jeden Menschen gegenüber dem anderen.

„Sogenannte humanitäre Interventionen, an denen auch die Bundeswehr beteiligt war und ist, haben sich längst als inhuman erwiesen“, ist im Brief zu lesen.
Aber die Rüstungsindustrie bleibt, insbesondere aufgrund der Waffenexporte, effizient. Der Bundespräsident Gauck vertritt, wie wir wissen, die Ansicht, dass es `manchmal erforderlich ist, zu den Waffen zu greifen.

Und Deutschland brauche einen Mentalitätswechsel und solle die Zurückhaltung zu einer aktiven Außenpolitik aufgeben und diffamiert eine Gegenhaltung als weltabgewandt oder gar als bequem. Herr Gauck betreibt eine Politik, die gefährlich ist und Angst macht.

Vergangene Kriegsverbrechen blieben ungesühnt. Entschuldigungen nur symbolisch und Mörder ungestraft. Unzureichende Aufarbeitung der Nazivergangenheit, keine konsequente Bekämpfung des Neonazismus sowie des Rassismus, klagt sie im Brief. Dieses und noch viel mehr veranlasst Florence Hervè, das Bundesverdienstkreuz nicht anzunehmen.

Sie schreibt: „Würde ich die Auszeichnung annehmen, befände ich mich zudem in einer Reihe mit solchen früheren Preisträgern, die Nazis bzw. Nazitäter waren. Soweit mir bekannt ist, wurde bis auf eine Ausnahme keinem von ihnen nachträglich das Verdienstkreuz aberkannt. Das wäre im Übrigen ein leicht machbares Unterfangen, das zudem der Geschichtsaufarbeitung diente.“

Zum Schluss teilt sie mit: „Ich betrachte es als Ermutigung, auch künftig einzutreten für ein menschenwürdiges, gleichberechtigtes Leben von Frauen und Männern, gegen die Tolerierung von sexueller Ausbeutung und sozialer Ausgrenzung von Frauen.“

Ihre Einstellung ist die einzig richtige, meine ich. Viel mehr Menschen sollten ihr nacheifern, dann würde unser Dasein menschenfreundlich und friedlich.
Es ist gut und richtig, dass Frau Florence Hervè nicht aufgibt für Frieden und Gerechtigkeit weiterhin einzutreten. Politikerinnen und Politiker sind aufgefordert, den künftigen Ergebnissen ihrer Arbeit Gehör zu schenken und die entsprechenden Missstände zu beseitigen.