Das Brötchen in der Hecke

Ein frisches Brötchen

Ein frisches Brötchen

von Rudolf Winterfeldt

Als ich mit meiner Frau vom Einkaufen zurück kam, sah ich in der Hecke vor unserem Hauseingang ein belegtes Brötchen. Jemand hatte es dort hineingeworfen und nun hing es unpassend in den Blättern der Hecke. Wegen der Gefahr, dass Ratten oder anderes Ungeziefer angezogen werden, habe ich das Brötchen entsorgt. Es sah ja auch nicht gerade schön aus in der Hecke.

Dabei kamen mir aber so ein paar Gedanken, die ich hier preisgeben möchte.
Als 1945 der 2. Weltkrieg beendet war, steckte die Versorgung mit Lebensmitteln im Chaos. Die Rationierung war eine Möglichkeit der gerechten Verteilung an die Bevölkerung. Trotzdem waren Not und Hunger nicht auszuschließen. Besonders schlimm waren die Jahre 1946 und 1947.

Meine Familie hatte dabei noch Glück, denn mein Vater kam 1946 schon aus der Gefangenschaft nach Hause. Er bemühte sich nach Kräften seine Familie zu ernähren. Wie aber ist es mir persönlich in dieser Zeit ergangen? So manchen Abend bin ich hungrig ins Bett gegangen und habe manche Träne geweint.

Meinen Eltern und Geschwistern ging es ebenso. Es war eben nichts zu essen da. Oft bin ich mit meinem Vater auf die abgeernteten Felder gegangen und haben liegen gebliebene Ähren und Kartoffeln aufgesammelt. Sicherlich ging es vielen Menschen meiner Generation ebenso.

Nun betrachte ich die heutige Zeit und kann nicht verstehen, dass Menschen so schluderhaft mit Brot und Lebensmitteln umgehen. Meine Großmutter lehrte mich, wenn man mit dem Brot verschwenderisch umgeht oder es wegwirft, dann kommt die „Roggenmuhme“ und bestraft dich. Sicherlich eine Germanische Sage, aber sie hat geholfen, das Brot zu achten.

Wenn heute in Deutschland jährlich elf Tonnen Lebensmittel in den Müll wandern, dann sollten wir uns, angesichts der hungernden Menschen in aller Welt, schämen.
Sollten wir nicht froh und glücklich sein, dass viele von uns kein Hunger mehr plagt? Was aber ist mit den Menschen in unserem Land, die auch heute nicht immer satt zu essen haben? Denken die Verschwender auch einmal an sie?

Manchmal denke ich darüber nach und frage mich, wie handeln Eltern selbst und wie erziehen sie ihre Kinder? Ja, der Wohlstand versaut den Charakter in gleicher Weise wie das Geld. Gehen wir doch bitte in uns in dieser „Weg-werf-Gesellschaft“ und achten das Brot.

Anmerkung: Roggenmuhme oder Kornmuhme ist ein weiblicher Feldgeist der Germanischen Sage, der Verwüstungen und Schädigungen von Roggenfeldern ahndet.