Mit 73 Pfennigen Startkapital zum Großunternehmen

Bild der Dresdnerin Melitta Bentz, sie erfand den Kaffee-Filter

von Ralf Hübner

Eine Hausfrau hatte die Idee. Vor 110 Jahren wurde in Dresden der spätere Kaffee-Riese „Melitta“ gegründet. Mit einer Blechdose und einem Löschblatt hat die Dresdnerin Melitta Bentz die Kaffee-Kultur revolutioniert.
Kaffeeliebhabern ist der Name des in Dresden gegründeten Unternehmens Melitta weltweit ein Begriff. Die Unternehmensgruppe hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von gut 1,5 Milliarden Euro erwirtschaftet und beschäftigt rund 4.500 Mitarbeiter.

Zuwachs gab es vor allem bei den Kaffeevollautomaten, Filtertüten gingen zuletzt nicht mehr so gut. Mit Kaffee-Filtern aber hat die Geschichte des Unternehmens vor 110 Jahren begonnen. Mit einem Startkapital von 73 Reichspfennigen ließ am 15. Dezember 1908 die Dresdner Hausfrau und Mutter zweier Söhne, Melitta Bentz, das Unternehmen „M. Benz, Marschallstraße 31“ in das Dresdner Handelsregister eintragen.

Der 40 Quadratmeter große Abstellraum der Vierzimmerwohnung in der Pirnaischen Vorstadt war die erste Produktionsstätte. Dort stellte das Ehepaar Bentz in Handarbeit die ersten Original-Melitta-Kaffeefilter her. Melitta Bentz hatte sich immer am Kaffeesatz in ihrer Tasse gestört. Selbst das damalige Filtern mithilfe eines Siebes oder Leinentuches war nicht immer zufriedenstellend.

So kam Melitta Benz die einfache wie geniale Idee. Mit Hammer und Nagel durchlöcherte sie den Boden einer Metalldose und bedeckten ihn mit einem rund geschnittenen Löschblatt aus den Heften ihres ältesten Sohnes Willy. In die Dose füllte sie das Kaffeepulver und goss heißes Wasser darüber. Bei privaten Kaffeekränzchen wurde die Erfindung der Melitta Bentz von den anwesenden Damen geradezu begeistert aufgenommen. So entschloss sich Melitta, aus der Idee ein Geschäft zu machen.

Das Löschblatt wurde durch Papier ersetzt, bei dem das Filtern nicht so lange dauerte. Aus der anfänglichen Metalldose wurde ein 13 Zentimeter hoher zylindrischer Filterapparat aus Messing mit einem Wasserverteiler, in den das Rundfilterpapier eingelegt werden musste. Am 11. Juni 1908 reichte die 35-Jährige das Gerät beim Kaiserlichen Patentamt in Berlin ein und erhielt neun Tage später Gebrauchsmusterschutz für ihren „Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem und mit Vertiefung versehenem Boden sowie schräg gerichteten Durchlasslöchern“, veröffentlicht im Patentblatt Nummer 28 auf Seite 1 145.

Aus dem Leben der Melitta Bentz ist nicht viel bekannt. Sie war die Tochter eines Buchhändlers und wurde als Amalie Auguste Melitta Liebscher am 31. Januar 1873 in Dresden geboren. Sie heiratete Hugo Bentz, den Abteilungsleiter eines Dresdner Kaufhauses. Der hatte sich 1906 mit einem Haushaltswaren-Geschäft selbstständig gemacht und widmet sich fortan ganz dem neuen Unternehmen, fährt unter anderem mit einem Musterkoffer durchs Land und wirbt um Kunden.

Die ersten 50 Filterkörper lässt Melitta in einer Metallwarenfabrik in Westfalen fertigen, das Filterpapier liefert eine Papierfabrik in Sachsen. Die Söhne Horst und Willy sind die ersten Mitarbeiter und bringen die Filter mit dem Bollerwagen zu den Händlern. 1909 stellt Melitta Benz ihr Filtersystem auf der Leipziger Messe vor, 1911 erringt sie goldene und silberne Medaillen der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden. 1915 hat das Unternehmen schon 15 Angestellte.

Der Erste Weltkrieg legt das Geschäft lahm. Der Ehemann und einer der Söhne kämpfen an der Front. Melitta Bentz stellt Kartons her, um zu überleben. Doch in den 1920er Jahren geht es schnell wieder aufwärts. Schon 1919 liefert Melitta außer Filtergeräten in Aluminium auch welche aus Porzellan. Die Firma wächst rapide und exportiert seit 1922 in die Schweiz und die Tschechoslowakei. Mitte des Jahrzehnts ist die Marke von 100.000 Filter-Geräten erreicht. Zum Schutz vor Nachahmern wird ab 1925 bei den Filterpapierpackungen die rot-grüne Farbgebung eingeführt.

Das expandierende Unternehmen braucht immer wieder größere Räume, zweimal zieht es um. Die 80 Beschäftigten arbeiteten in Doppelschichten. Weil in Dresden nichts geeignetes zu finden ist und die Gewerbesteuer steigt, zieht Melitta 1929 nach Minden/Westfalen in eine stillgelegte Schokoladenfabrik. 1932 kreiert der Grafiker und Industriedesigner Jupp Ernst den Melitta-Schriftzug, die jetzt noch gebräuchliche Filtertüte stammt aus dem Jahr 1937.

Nach dem Krieg mausert sich die Firma unter Horst Bentz zum weltweit agierenden Unternehmen. In den 1960er Jahren kommen das Melitta-Porzellan und Produkte wie Süßigkeiten und Kaffee hinzu. Melitta produzierte als erster Hersteller filterfein gemahlenen, vakuumverpackten Kaffee. Erste Niederlassungen in den USA, Kanada und Brasilien werden gegründet. Jetzt gehören zur Melitta-Gruppe rund 50 Gesellschaften aus den Bereichen Kaffee, Filterpapier und Kaffeemaschinen, Tee-Zubehör, Frischhalteverpackungen sowie Haushaltstücher.

Am 29. Juni 1950 stirbt Melitta Bentz in Holzhausen/Niedersachsen. In Dresden ist eine Straße nach ihr benannt.
(Quelle: SZ)